Normalerweise geht bei börsennotierten Silicon-Valley-Firmen der CEO des gekauften Unternehmens von Bord. Intersils Necip Sayiner bleibt jedoch, wie haben Sie ihn dazu bewegen können?
Wir haben uns lange unterhalten (lacht). Er sieht in seiner neuen Rolle noch mehr Möglichkeiten für sich, weil er eine noch größere Verantwortung bei Renesas bekommt als bisher. Wir werden Intersil nicht in kleine Teile zerlegen und in unsere Geschäftsbereiche einverleiben. Das war Necip sehr wichtig. Auf der anderen Seite können wir Intersil auch nicht als vollkommen eigenständige Einheit führen, weil wir die Synergien herausziehen wollen.
Ihre Reorganisationspläne umfassen unter anderem ganz »klare Geschäftsverantwortlichkeiten«, »schnelle Entscheidungsfindungen« und »die Eliminierung von organisatorischen Redundanzen und Lücken«. Was dürfen wir darunter verstehen?
Wir werden stärker funktionsorientiert, das heißt jeder Geschäftsbereich soll für sich schnelle Entscheidungen selbst fällen können. Einige Entscheidungswege sind zu lang, es gibt zu viele Hierarchieebenen, die mitentscheiden. Agilität ist ein Schlüsselelement, um ein Gewinner zu sein.
» Wir behalten alle Intersil-Mitarbeiter «
Behalten Sie sämtliche 1000 Intersil-Mitarbeiter? Wie verträgt sich das mit mehr Agilität?
Nehmen Sie an, wir haben für ein spezifischen Geschäftsbereich drei Marketingleute und Intersil hat zwei. Dann werden die diese Kapazitäten nutzen, neue Märkte zu erschließen und unser Wachstum zu beschleunigen. Wir werden die Intersil-Mitarbeiter tatsächlich behalten, denn sie haben ja schon restrukturiert, da gibt es keine Redundanzen mehr.
Was denken Sie als großer Lizenznehmer von ARM eigentlich über den Kauf durch Softbank? Befürchten Sie irgendwelche negativen Auswirkungen?
Nein, wenn ich Masayoshi Son (Anmerkung: CEO Softbank) richtig verstanden habe, ist es ein reines Investment und tatsächlich verdient ARM ja richtig gutes Geld unter anderem wegen des riesigen Ecosystems. In dem Moment, wo ARM seine Neutralität zu Gunsten von Softbank aufgeben würde, wären die Auswirkungen vermutlich dramatisch, das weiß auch Herr Son. Daher rechne ich damit, dass alles weiterläuft wie bisher.
Im Bereich Medizintechnik beträgt Renesas‘ Marktanteil bei MCUs/SoCs nur neun Prozent, ein Witz gegenüber Ihrem Erfolg in Automotive und Industrie. Haben Sie für die Medizintechnik eine Wachstumsstrategie?
Wir haben alle Technologien im Haus, die für den Erfolg in diesen Märkten notwendig ist: Security, Low-Power-Mikrocontroller und wireless Konnektivität. Der Markt als solcher ist noch so klein, dass wir unsere Aktivitäten bislang nicht zu sehr darauf fokussiert haben. Wenn Sie ein MRT sehen, ist das zwar extrem teuer, aber die Stückzahlen sind eben überschaubar. Ich glaube aber an ein großes Wachstum in der vernetzten Welt z.B. durch Wearables.
Nachdem Sie im 2. Quartal Ihres Geschäftsjahrs 2015 mit 45,8 Prozent Ihre Zielbruttomarge von 45 Prozent übertroffen hatten, sank diese im 2. Quartal 2016 wieder auf 42,5 Prozent ab. Eine kleinere Ursache war sicherlich das Erdbeben, aber das alleine kann dies ja nicht erklären ...
Primär verantwortlich ist der Wechselkurs. Der Yen ist extrem hoch bewertet gewesen. Wir verkaufen im Ausland in US-Dollar oder Euro, unsere Kosten treten aber größtenteils in japanischen Yen auf, weil sich unsere Waferfabriken in Japan und die meisten Entwickler in Japan befinden. Unser Fertigungsanteil bei TSMC ist ja überschaubar. Wir versuchen, Verkauf und Kosten mehr auszubalancieren, das heißt beispielsweise die Entwicklung mehr ins Ausland zu verlagern.
» Außerhalb Deutschlands scheint der Euro für manche europäischen Länder etwas zu stark zu sein «
Auch Ihr Umsatz von April 2016 bis Dezember 2016 war mit 471 Milliarden Yen rund 11,5 Prozent unter dem des Vorjahreszeitraums. Ist das dasselbe Währungsthema?
Genau. Und in Europa könnten Sie mal wieder für stärkere Märkte außerhalb Deutschlands suchen (lacht). In Deutschland haben Sie eine sehr starke Wirtschaft, aber außerhalb Deutschlands scheint der Euro für manche europäischen Länder etwas zu stark zu sein. Dann dürfen Sie als deutscher Steuerzahler einspringen …
Möchten Sie das dem deutschen Finanzminister Schäuble erzählen?
Sie haben es wirklich toll gemacht nach dem 2. Weltkrieg, Deutschland hat es wesentlich besser gemacht (lacht), freundschaftliche Beziehungen zu seinen Nachbarn aufzubauen als Japan. Wir haben das leider nicht hinbekommen.
Kommen wir lieber nochmal zur Technik: Sie planen ja 14-nm-Flash-Devices mit FinFET-Transistoren, wie ist das wirtschaftlich darstellbar?
Zum einen gibt es eine klare Kundennachfrage, zum anderen investiert TSMC sehr viel Geld in diesen Prozess, auch für andere Kunden, und wir können, was den Preis pro Wafer angeht, Nutzen aus diesem Skaleneffekt ziehen. Wir haben den großen Vorteil, dass unser Flash-Speicher auf diese Dimensionen skalierbar ist. Ich rechne auch damit, dass wir mindestens noch einen Mitbewerber in dieser Prozess-Geometrie haben werden. Für herkömmlichen Floating-Gate-Flash sehen wir allerdings Probleme. Unsere eigenen Fabs werden wir dann mit Stromversorgungs- und Analog-Produkten füllen, da dort, wie Sie ja wissen, die Fertigung zur Differenzierung beiträgt.
Meine letzte Frage: Ich habe den Eindruck, der gesamte Halbleitermarkt wird immer mehr schwarz oder weiß. In einem Graubereich mal im Markt mitschwimmen und trotzdem irgendwie überleben, geht nicht mehr. Wie sehen Sie das?
Wir sind in den richtigen Märkten auf stetigem Wachstumskurs, dazu gehören ADAS, IoT Smart Factory Smart City. Gleichzeitig wird der globale Wettbewerb immer intensiver, denken Sie nur an die ganzen Zukäufe. Es gibt nur noch zwei Möglichkeiten: Sie gewinnen oder Sie verlieren. Mit der richtigen Strategie und deren Umsetzung sollten wir zu den Gewinnern gehören.
Herr Kure, vielen Dank für Ihre Zeit!