In diesem Sinn »Freie Software« gewährleistet diese Freiheiten auch juristisch durch ihre Lizenzbedingungen; es handelt sich hier also nicht um lizenzlose Software, sondern um Lizenzen, die diese Freiheiten einräumen und die dem Nutzer also auch Rechtssicherheit bieten. Stallman vermeidet hier den Begriff »Open Source«, weil dieser seiner Ansicht nach den erwähnten Bezug zur Freiheit verstellt. Er beschränkt Open Source daher auf eine Entwicklungsmethodologie, in der Software-Quellen frei, also ohne Kosten verfügbar sind, sodass viele Programmierer, von Studenten und Hobbybastlern bis zu professionellen Softwareentwicklern in großen Unternehmen, an der Weiterentwicklung von Softwareprojekten zusammenarbeiten können.
In der Praxis werden die beiden Konzepte jedoch häufig zusammenfallen, weil es bei Open-Source-Software naheliegt, auch die Lizenz zu einer (kosten-)freien Entwicklung zu erteilen. Umgekehrt ist es Anbietern Freier Software ein Anliegen, eine transparente, von jedermann nutzbare Softwareentwicklung zu ermöglichen. Um die gemeinsame Verwendung beider Konzepte zu kennzeichnen, hat sich der Begriff FLOSS – Freely-Licensed Open Source Software – etabliert.
Diese Klarheit – man ist in jeder Hinsicht auf der sicheren Seite – hat dazu geführt, dass FLOSS-Tools und -Code heute allgegenwärtig sind. Für einen Studenten oder Bastler bedeutet das, dass er im Web freie und kostenlos herunterladbare Software findet und dass er damit eigene Ergänzungen der FLOSS-Infrastruktur programmieren kann. So existiert eine »Ada«-basierte Entwicklungsplattform für ARM-Chips, die kostenlos heruntergeladen werden kann. Auf dieser Basis haben Studenten beispielsweise eine neue Software für die Steuerung von Drohnen entwickelt. An der Southern Vermont University wurde mit frei verfügbarer Software mit Ada-Technologie der Code für einen Satelliten der »CubeSat«-Serie entwickelt, und der betreffende ist einer der wenigen CubeSats, die noch funktionieren (Anlaufbild).
Das FLOSS-Konzept wirkt sich auch auf die Entwicklung kommerzieller Software aus, etwa auf die eingangs schon erwähnte Avionik-Software. Man könnte hier auf dem Standpunkt stehen, dass die Art und Weise, wie und auf welcher Lizenzbasis Software entwickelt wird, wenig mit ihrer Qualität und ihrer Brauchbarkeit zu tun hat. Ist die Software funktionell in Ordnung, zuverlässig und performant, so ist es egal, ob sie dem FLOSS-Konzept folgt oder nicht. Doch damit würde man die Dinge dann doch ein wenig zu sehr vereinfachen.
Zum einen ist Open Source in den Köpfen vieler, auch oft gerade von denjenigen, die in großen Unternehmen Entscheidungen treffen, noch immer ein Synonym für kostenlosen Download und damit auch – was nichts kostet, kann auch nichts wert sein – eine Bezeichnung für Software ohne Qualitätsstandards und ohne geprüfte Sicherheit. Dass Hunderte von Softwareentwicklern völlig unkontrolliert alles Mögliche aus dem Netz herunterladen, erscheint für diejenigen, die es gewohnt sind, alles zu kontrollieren, als regelrechter Albtraum. Unberechtigt sind solche Bedenken gegen ein »wildes« Downloaden keineswegs: Erstens weiß niemand, ob die Lizenzierung tatsächlich korrekt erfolgt ist; auf Copyright-Hinweise, die womöglich in den heruntergeladenen Dateien enthalten sind, kann man sich dabei nicht verlassen, denn sie haben keine rechtliche Bedeutung. Zweitens erhält man unter Umständen Software, für die es keinen Support gibt, was in einer unternehmenskritischen Entwicklungsumgebung ein großes Problem darstellen kann. Drittens weiß man nicht, ob die Qualitätsanforderungen des jeweiligen Software-Erstellers auch den eigenen entsprechen.