Universelles Werkzeug für IoT-Umgebungen

Software-Bus-Toolchain

24. August 2023, 8:00 Uhr | Von Simon Duque Antón
© Michael Traitov|stock.adobe.com

Die Vielzahl der IoT-Plattformen führt zu einem hohen Aufwand bei der Implementierung von IoT-Anwendungen, um Geräte und Applikationen für mehrere Plattformen zu entwickeln. Eine Vereinfachung bietet der Einsatz eines Ende-zu-Ende-IoT-Builder-Framework.

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Der Begriff Internet der Dinge (Internet of Things, IoT) wurde populär, nachdem Kevin Ashton ihn 1999 in Verbindung mit der Entwicklung der RFID-Technik (Radio Frequency Identification) prägte. Generell werden Sensor- und Aktornetzwerke als IoT-Netze bezeichnet, wenn sie in der Regel dezentral – mit hohem Datenaufkommen eingesetzt werden und meist Funktechniken zur Kommunikation nutzen, etwa nach der Definition von McKinsey [1]. Diese Definitionen implizieren, dass der Wert von IoT-Netzwerken nicht in ihren Hardware-Fähigkeiten allein liegt, sondern in den möglichen Kombinationen von Sensoren und Aktoren, um mehrdimensionale Informationen in der Anwendungsumgebung zu gewinnen. Folglich wächst der Markt für IoT-Anwendungen stetig mit einem Spitzenwert von 384,70 Milliarden US-Dollar im Jahr 2021 laut Fortune Business Insights [2].

Eine große Anzahl von unterschiedlichen Anwendungsbereichen erklären den stetigen Anstieg der Nachfrage. Endnutzer verwenden IoT-Geräte beispielsweise für Smart-Home-Applikationen. Das Prinzip der Steuerung, Erkennung und Automatisierung mit verteilten Geräten wird in Smart City, Smart Farming und Industrieanwendungen eingesetzt. Smarte Stromnetze unterstützen bei der intelligenten und nachhaltigen Verteilung von Energie. Im Einzelhandel wird mit IoT-Unterstützung gearbeitet, um Kunden ein besseres Einkaufserlebnis zu bieten. Im Gesundheitswesen lässt sich mit dem Einsatz von IoT-Anwendungen die Effizienz bei der Behandlung und Heilung von Menschen erhöhen.

Generell bieten IoT-Anwendungen das Potenzial, Kosten und Verwaltungsaufwand zu senken, indem sie den Bedarf an Vor-Ort-Einsätzen minimieren und die Effizienz durch die Bereitstellung von Erkenntnissen aus Messungen und Datenaggregation erhöhen. Dieses Potenzial von IoT-Anwendungen birgt jedoch auch Risiken. Sicherheit ist das A und O, denn Schwachstellen in Systemen, die mit der physischen Welt interagieren, stellen Bedrohungen sowohl für digitale als auch für physische Güter dar. Robuste Rahmenwerke für Implementierung, Betrieb und Wartung von IoT-Netzen sind daher wichtig, um sicherheitskritische Fehler zu minimieren.

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ntwicklung des IoT-Marktes laut IoT Analytics [3] – durchschnittliche jährliche Steigerungsrate (CARG)
Bild 1. Entwicklung des IoT-Marktes laut IoT Analytics [3] – durchschnittliche jährliche Steigerungsrate (CARG).
© IoT Analytics

Im Allgemeinen wird erwartet, dass IoT-Geräte mit einer kurzen Entwicklungszeit auf den Markt gebracht werden können. Dies hat Einfluss auf den zeitlichen Rahmen der Entwicklung und Integration solcher Geräte. Der starke zeitliche Druck hat potenziell Auswirkungen auf das resultierende Produkt. Ferner ist ein starkes Marktwachstum festzustellen, wie in Bild 1 dargestellt, das zu weiterem Wettbewerb führt.

Struktur und Anforderungen

Üblicherweise bestehen IoT-Netze aus IoT-Plattformen und IoT-Geräten. IoT-Plattformen wie z. B. der Azure IoT Hub sind zentrale Stellen, die alle mit dem IoT-Netz verbundenen IoT-Geräte verwalten. Bei den IoT-Geräten handelt es sich meist um eingebettete Systeme mit Sensor- und Aktor-Funktionen. Häufig werden für die Elektronik der Embedded-Systeme kostengünstige Prototyping-Plattformen verwendet, die eine Reihe von Entwicklungsumgebungen für eine einfache Implementierung und Einrichtung bieten, wie z. B. Arduino IDE, Necto Studio von MikroElektronika oder Zephyr RTOS. Diese Tools erfordern zwar immer noch eine erhebliche Menge Codierung, aber sie verringern die Notwendigkeit, den Prozessor in Assembler (Bare Metal) zu programmieren.

Die große Anzahl von IoT-Plattformen auf der einen Seite und der immer noch hohe Implementierungsaufwand auf der Geräteseite motivieren den Bedarf nach einem Ende-zu-Ende-IoT-Builder-Framework, das eine einfache Implementierung sowie die Einrichtung und Verwaltung von IoT-Geräten ermöglicht.

Im Rahmen des Entwicklungsprojekts InnoTop hat das Unternehmen Comlet Verteilte Systeme eine Software-Bus-Toolchain (SBT) entwickelt, um diese Anforderung zu erfüllen. Im Rahmen des Projekts SBT wurde die Umsetzung eines IoT-Builder-Frameworks durchgeführt, das:

➔ eine schnelle Implementierung der Geschäftslogik ermöglicht,
➔ die Datenelemente, mit denen das IoT-Gerät interagiert, funktional von der Programmierung trennt sowie
➔ das Kommunikationsprotokoll funktional von der Implementierung der Geschäftslogik trennt.

Das Framework ermöglicht die schnelle Erstellung von neuartigen IoT-Geräten und -Netzwerken sowie die Integration neuer IoT-Geräte in bestehende Umgebungen. Im Gegensatz zu bestehenden Werkzeugen berücksichtigt das SBTRahmenwerk die Programmierumgebung für IoT-Geräte und IoT-Plattformen gleichermaßen und reduziert Implementierungs- und Betriebsaufwand in beiden Bereichen.

Technische Architektur des SBT-Rahmenwerkes

Generell ist hierbei die mikroskopische und makroskopische Ansicht zu unterscheiden: Auf der einen Seite bietet das SBT-Rahmenwerk eine einfache Möglichkeit, Mikrocontroller als Einzelsysteme in Betrieb zu nehmen. Auf der anderen Seite ist es geeignet, Gesamtsysteme von Controllern zu verwalten und aus ihren Interaktionen Mehrwert zu generieren. Im Rahmen des SBT werden standardisierte Lösungsverfahren abstrahiert, sodass reproduzierbare und robuste Ergebnisse schnell umgesetzt werden können.

Einzelsystemsicht
Die Implementierung von Einzelsystemen erfolgt auf Basis eines RTOS, das eine Basis für eine wachsende Anzahl etablierter Mikrocontroller bereitstellt. Das SBT-Rahmenwerk lässt sich je- doch sowohl mit als auch ohne RTOS nutzen.

Außerdem findet eine funktionale Trennung sowohl der Kommunikations- als auch der Datensicht statt. Als Kommunikationssicht wird hierbei die Kommunikationsverbindung des Gerätes verstanden. Da IoT-Geräte per Definition über Kommunikationskanäle verfügen, ist die Anbindung an andere Geräte und IoT-Plattformen eine Kernfunktion. Für das SBT-Rahmenwerk wurden Kommunikationsprotokolle abstrahiert und können durch eine Schnittstelle (Application Programming Interface, API) angebunden werden. Die einheitliche Schnittstelle erlaubt dabei den nahtlosen Austausch des Kommunikationsprotokolls. So bleibt der gesamte Code bestehen, lediglich der Hardware-Treiber muss bei Austausch des Kommunikationsprotokolls angepasst werden. Hardware-Treiber stehen in der Regel für die Mikrocontroller bereit, sodass es sich um einzubindende Module handelt.

Mithilfe der Kommunikationsschicht werden üblicherweise Informationen ausgetauscht, die häufig Daten und Befehle für Sensorik und Aktorik sind, beispielsweise Temperatursensoren in Verbindung mit einer Heizungssteuerung. Diese Datenpunkte werden im SBT-Rahmenwerk abstrahiert. Die Abstraktion erlaubt die Definition dedizierter Daten mit verschiedenen Feldern, die bestimmte Datentypen haben müssen. Ferner können optionale Informationen bereitgestellt werden, etwa Einheit des Sensorwerts oder minimale und maximale Stellgrößen. Die Kommunikationsabstraktion ist aktuell für viele Programmiersprachen verfügbar. Sie wird verwendet, um Datendefinitionen in für Menschen lesbarer Weise zu erstellen und zu verwalten, aus denen dann automatisiert Code für Programmiersprachen erzeugt wird.

Struktur der Implementierung mit dem SBT-Rahmenwerk
Bild 2. Struktur der Implementierung mit dem SBT-Rahmenwerk.
© Comlet Verteilte Systeme

Dieser Code kann in Projekte integriert und weiterverarbeitet werden. Das SBT-Rahmenwerk stellt auch hier eine definierte Schnittstelle bereit, sodass die Datendefinitionen modular ausgetauscht werden können und zugleich die Funktionen des Gerätes unverändert bestehen bleiben. Das reduziert den Programmieraufwand drastisch, da der Programmkern unverändert bleibt und lediglich um Daten- und Kommunikationsmodule ergänzt wird.

Ferner erlaubt dies auch eine nutzerfreundliche Umsetzung von Projekten aus Programmiersicht. Eine Struktur der Implementierung von Systemen mit dem SBT-Rahmenwerk ist in Bild 2 dargestellt.
 

Gesamtsystemsicht
IoT-Netzwerke generieren ihren Nutzen durch die Interaktion unterschiedlicher Geräte. Einfache Anwendungen können durch ihre Kombination komplexe Aufgaben lösen. In der Praxis werden Geräte meist durch eine zentrale IoT-Plattform gesteuert. Diese Plattform erhebt alle Daten, die erzeugt werden und sendet die entsprechenden Befehle für die Aktorik.

Beispielhafter Arbeitsfluss in Node-RED
Bild 3. Beispielhafter Arbeitsfluss in Node-RED.
© Comlet Verteilte Systeme

Im SBT-Rahmenwerk übernimmt Node-RED diese Funktion. Node-RED [4] ist ein etabliertes IoT-Werkzeug, das zur Low-Code-Entwicklung von Systemen genutzt wird. Mithilfe von Funktionsbausteinen lassen sich leicht Arbeitsflüsse umsetzen, ohne Code schreiben zu müssen. Die Encodierung und Decodierung der Datenpunkte werden von solchen Funktionseinheiten übernommen. Ein beispielhafter Arbeitsfluss ist in Bild 3 dargestellt. Hier werden Sensoreingaben mit graphischen Anzeigen verbunden, beziehungsweise Schalter mit Aktoren verknüpft.

Durch die Flexibilität hinsichtlich Daten und Kommunikation können SBT-Geräte in bestehende IoT-Netzwerke eingebunden werden – Retrofit. Die Kommunikation mit beliebigen Kommunikationsprotokollen lässt sich problemlos integrieren. Durch Überführung der Daten in spezifizierte Datentypen ist die Interoperabilität sichergestellt. Auch Gateways können so implementiert werden, da die Überführung sowohl von Protokoll zu Protokoll als auch von Datendefinition zu Datendefinition einfach möglich ist.

Auch vollständig neue IoT-Netzwerke lassen sich leicht aufsetzen und verwalten. Hierbei werden die am besten geeigneten eingebetteten Systeme und die geeignetsten Kommunikationskanäle ausgewählt. Aufgrund der großen Flexibilität ist die Unterstützung zahlreicher Systeme gewährleistet.

Einsatz in der Praxis

Aktuell wird das entwickelte Rahmenwerk verwendet, um die Umsetzung von Projekten zu beschleunigen und zu vereinfachen. Es zeigen sich bereits die Vorteile der Flexibilität und Austauschbarkeit von Einzelsystemen. Durch das SBT-Rahmenwerk kann die Wiederverwendbarkeit vorhandener Softwarewerkzeuge im Bereich eingebetteter Systeme deutlich erhöht werden. Dadurch können Systeme schneller aufgesetzt werden. Gleichzeitig reduziert sich der Aufwand für Tests, da Unit Tests übergreifend für die gleiche Code-Basis durchgeführt werden können.

Ferner wurde das entwickelte Gesamtsystem erfolgreich sowohl im Rahmen einer Greenfield-, als auch einer Brownfield-Anwendung evaluiert. Zum einen wurde anhand eines Hausmodells ein extensives Smarthome-System implementiert. Diese Aufgabe als solche ist nicht neu oder technisch anspruchsvoll, doch im Rahmen der Evaluation wurden Mikrocontroller, die Teile der Sensorik und Aktorik kontrollierten, durch andere Mikrocontroller ersetzt, die mit der gleichen Firmware betrieben wurden. Die Abhängigkeiten der Sensorik und Aktorik untereinander, etwa bei der Temperatursteuerung oder dem bewegungsabhängigen Einschalten von Licht, funktionierte davon unabhängig nahtlos weiter.

Zum anderen wurde im Rahmen des Nachrüstens von Sensoren, die über Seitenkanäle kommunizieren, das SBT-Rahmenwerk erfolgreich evaluiert. Basis der Evaluation war das Modell einer Smart Factory, welches dank 24-V-Stromversorgung und Siemens-S7-1500-SPS realistische Daten generierte. Dabei wurden zusätzlich zu den verbauten Sensoren Stromsensoren nachgerüstet, um Änderungen in der Stromaufnahme zu erkennen, die Hinweise auf Betriebsstörungen geben können. Auch konnten durch mechanische Belastung hervorgerufene Änderungen erkannt werden.

Insgesamt erfüllt das SBT-Rahmenwerk daher den Anspruch, einerseits neue IoT-Systeme kreieren zu können und andererseits bestehende Systeme ergänzen zu können. Der Funktionsumfang wird nun in weiteren Kontexten von Kunden- und internen Projekten integriert, um das SBT-Rahmenwerk weiterzuentwickeln und weitere Funktionen, beispielsweise SUIT-konforme Updates (Secure Update for IoT [5]), bedarfsgerecht zu implementieren.

 

Literatur

[1] Chui, M.; Löffler, M.; Roberts, R.: McKinsey Quarterly: The Internet of Things. 1. März 2010, www.mckinsey.com/industries/technology-media- and-telecommunications/our-insights/the-internet-of-things
[2] Internet of Things (IoT) Market Size, Share & COVID-19 Impact Analysis. Fortune Business Insights, April 2023, Report ID: FBI100307, www.fortunebusinessinsights.com/industry-reports/internet-of-things-iot-market-100307
[3] Wegner, P.: Global IoT market size to grow 19% in 2023—IoT shows resilience despite economic downturn. IoT Analytics, 7. Februar 2023, Website, https://iot-analytics.com/iot-market-size
[4] Node-RED – Low-code programming for event-driven applications. OpenJS Foundation, https://nodered.org
[5] Software Updates for Internet of Things (suit). IETF, Website, https:// datatracker.ietf.org/wg/suit/about

 

Der Autor

Simon Duque Antón von Comlet Verteilte Systeme
Simon Duque Antón von Comlet Verteilte Systeme.
© Comlet Verteilte Systeme

Simon Duque Antón schloss 2015 sein Studium der Informationstechnik an der Technischen Universität Kaiserslautern (RPTU) als Diplom-Ingenieur ab. Anschließend arbeitete er sechs Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Kaiserslautern. Dort schloss er 2021 seine Promotion ab. Während seiner Promotion befasste er sich mit der Erkennung von Angriffen in industriellen Systemen mit Methoden der Datenanalyse und des maschinellen Lernens. In dieser Zeit arbeitete er an mehreren öffentlich geförderten und industriellen Projekten, veröffentlichte und begutachtete zahlreiche Publikationen, hielt Vorlesungen und betreute studentische Arbeiten.

Seit 2022 arbeitet er als Techlead für künstliche Intelligenz und seit 2023 auch für Security bei Comlet Verteilte Systeme, wo er das gewonnene Wissen in die Praxis trägt. Außerdem ist er freiberuflich als Gutachter für die Europäische Kommission tätig.
Simon.Duque-Anton@comlet.de


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