Associated British Ports (ABP), die Betreibergesellschaft des britischen Hafens Southampton, hat den Hafen mit einem privaten 5G-Netz ausgestattet. Durch das 5G-Netz erhofft sich ABP sowohl bessere Möglichkeiten für den Schiffs- und Ladeverkehr als auch mehr Business Intelligence.
Der wirtschaftliche Druck auf Häfen und alle Glieder der Lieferkette ist höher als je zuvor. In Mehrzweckhäfen müssen große Aufkommen des Handels-, Industrie- und Passagierverkehrs abgewickelt werden, so auch beim britischen Hafen Southampton. Das Unternehmen Associated British Ports (ABP) ist verantwortlich für den Hafenbetrieb Southamptons und stellte fest, dass die derzeitige Arbeitsweise und Nutzung der öffentlichen 4G-Verbindungen nicht ausreichen, damit der Hafen auch zukünftige Herausforderungen bewältigen kann. Neben einer Rationalisierung der Prozesse waren einheitliche Abläufe und neue Technologien nötig. Kurz gesagt: Das Unternehmen suchte nach einer schnelleren und effizienteren Lösung für die Entscheidungsfindung, die als Enterprise Intelligence bezeichnet wird. Den Anfang machte eine private 5G-Lösung.
Der Hafen von Southampton umfasst Hunderte von Hektar, darunter Anlegestellen für Frachtschiffe und ein Terminal für Kreuzfahrtschiffe. Weil das Gebiet nur sporadisch mit einem öffentlichen 4G-Netz abgedeckt wurde, kam es häufig zu Datenverlusten. Einer der wichtigsten Wirtschaftszweige in Southampton ist der Import von Kraftfahrzeugen. Dazu fahren die Hafenarbeiter die importierten Kfz von den Schiffen in große Parkdecks, wo sie zwischengelagert werden. Im Idealfall scannen Mitarbeiter mithilfe von (tragbaren) Handheld-Geräten jedes Auto und können so dessen Ankunft und Abstellort verfolgen. Mangels einer durchgängigen Connectivity mussten Mitarbeiter wichtige Informationen manuell erfassen, was wiederum zu Leistungseinschränkungen und einer ineffizienten Nutzung wertvoller Hafenflächen führte. Zudem stand ABP vor einer weiteren Herausforderung: Für Häfen weltweit steigt der Druck, ihre Dienstleistungen weiterzuentwickeln und so die Probleme in der Lieferkette zu überwinden. Der einzige Weg zu einer höheren Leistungsfähigkeit ist der Einsatz neuer Technologien, um entsprechend flexibel und innovativ zu sein. Dazu wurde lediglich eine Grundlage gebraucht.
Southampton spielt eine wichtige Rolle in der britischen Wirtschaft und trägt jedes Jahr über 46 Milliarden Euro zu den britischen Exporten bei. Dies machte die Stadt zu einem günstigen Standort, um die 5G-Reise zu beginnen. ABP sah in der Implementierung eines privaten 5G-Netzes eine strategische Chance, um betriebliche Verbesserungen und das Potenzial neuer Dienstleistungen für seine Kunden zu ermöglichen.
Mit der Datenerfassung fast in Echtzeit wollte das Unternehmen Informationen von Drohnen, Kameras, Sensoren und anderen Geräten zugänglich machen. Zudem könnte die Datenerfassung dazu beitragen, innovative prädiktive Analysetechnologien wie Künstliche Intelligenz und Machine Learning zu nutzen, um die Lieferorte und -zeiten von Waren festzustellen und zugleich den Kundenservice zu verbessern.
Ein strategischer Ansatz für Connectivity-Lösungen bildet die Grundlage für ein umfassendes privates 5G-Netz, mit dessen Hilfe acht Access Points hinzugefügt wurden, die etwa 200 bis 300 Hektar des Hafens abdecken.
Durch die Reichweite des neu errichteten privaten 5G-Netzwerks konnte ABP die Latenzzeit verringern. Zudem wurde die Sicherheit erhöht, indem die Hafenbehörde Teile ihres Netzwerks konsolidiert und so die Kommunikationswege für Mitarbeiter und Kunden bündelt.
Das neue Netzwerk ermöglicht einen schnellen Datenaustausch und Analysen, sodass ABP den Zoll mit Echtzeitinformationen versorgen kann, egal ob es sich um das Be- oder Entladen eines Fahrzeugs oder die Übergabe an Endkunden handelt.
Die effizientere Connectivity hat auch die Arbeitsmoral verbessert – die Mitarbeiter fürchten sich nicht mehr vor Serviceausfällen, die sie dazu zwingen würden, Betriebsnotizen auf Papier zu schreiben.
Ein weiterer Vorteil einer umfassenden Private-5G-Abdeckung besteht darin, dass ABP verfolgen kann, wo sich jedes Fahrzeug befindet. Dadurch ist die Hafenbehörde in der Lage, Autos viel schneller von den Schiffen auf die Parkplätze und zu den Kunden zu bringen.
Insgesamt ermöglicht das private 5G-Netz:
• eine bessere Auslastung der Kapazitäten im Hafen von Southampton
• Connectivity zur Unterstützung leistungsfähiger Smartphones mit Barcode-Lese- und Kameraanwendungen
• Grundlage für zukünftige Verbesserungen bei der Qualitätssicherung der Fahrzeugverfolgung, der betrieblichen Effizienz und Genauigkeit
• Kosten- und Effizienzeinsparungen durch weniger Zugangspunkte
Die Eigenschaften eines privaten 5G-Netzes, besonders seine Zuverlässigkeit, sein Durchsatz, seine Sicherheit und seine geringe Latenzzeit, können Häfen dabei helfen, neue Technologien zu implementieren. Eine weitere Innovation, die Associated British Ports künftig in Betracht ziehen wird, ist der Einsatz von Computer-Vision-Kameras zur Erfassung von Videorohdaten und die anschließende Nutzung von Anwendungen der künstlichen Intelligenz, um Empfehlungen zu erstellen. Computer Vision könnte die Lagerbereiche in den Häfen ständig im Blick haben und so den Managern mitteilen, wo noch freie Lagerflächen sind und welches Inventar schon lange steht.
Zudem könnte Computer Vision die Sicherheit rund um den Hafen verbessern. Obwohl Betriebsstraßen des Hafens nicht für Fußgänger und Radfahrer ausgelegt sind, werden sie dennoch oft benutzt. Computer Vision könnte diese Fälle erkennen, das Hafenpersonal alarmieren und so Fußgänger und Radfahrer vor gefährlichem Frachtverkehr und schweren Geräten zu schützen und umzuleiten.
Ein wichtiger Aspekt beim Testen des Programms mit 5G ist die Möglichkeit, Kameras in verschiedenen Positionen zu erproben, was sich ohne kabelgebundenes Netz leicht bewerkstelligen lässt.
Eine durchgängige, hafenweite Connectivity bildet die Grundlage für den Aufbau eines digitalen Zwillings des Hafens. Dieses digitale Modell könnte als virtuelles Testgelände für neue Ideen dienen – etwa für die Entwicklung autonomer Schifffahrtsversuche und die Unterstützung von Entscheidungen durch künstliche Intelligenz und Machine Learning. Durch die Beseitigung vieler Risiken und das Ermöglichen schneller Tests verschiedener Konfigurationen lassen sich zukünftige Verbesserungen einfacher und kostengünstiger durchführen.
In der Vergangenheit hätte es Monate oder sogar Jahre gedauert, die Infrastruktur an weiter entfernte Standorte innerhalb des Hafens zu übertragen. Dank der neuen Struktur und Agilität wird nun alles an einem Tag erledigt.
Das private 5G-Netz bietet ABP und dem Hafen Southampton eine Grundlage für Innovationen, die Einblicke in die Zukunft und mehr Effizienz ermöglichen können. Es ist mehr als nur ein privates 5G-Netzwerk, es ist Enterprise Intelligence.
Durch einen verstärkten Fokus auf die Technologie für Containerterminals lassen sich bestehende 5G-fähige Endgeräte in das 5G-Netz integrieren. Dadurch werden Anreize für Investitionen der Hafenbetreiber in Edge-Funktionen für Echtzeitanwendungen geschaffen, die Teil der Terminal- und Hafenstrategie für die Zukunft sind.
Für die Implementierung dieser Technologie sollten die Terminals ein gutes Verständnis über alle möglichen Anwendungsbereiche entwickeln und wissen, wie private 5G-Netzwerke Digitalisierungsprojekte unterstützen können. Die Installation eines privaten Campus-Netzes sollte nicht isoliert erfolgen oder als reines Technologieprojekt betrachtet werden, sondern erfordert eine sorgfältige Strategie und den richtigen Partner, der bei der Implementierung hilft, um so die Einhaltung des Kostenrahmens zu gewährleisten.
Die richtige Kombination aus Investitionen in neue Ressourcen und dem Aufbau von Kultur und Räumen für den kontinuierlichen Austausch mit Kunden, Partnern und anderen Stakeholdern spielt eine besonders große Rolle. Diese Strategie dient als Grundlage für zukünftige Projekte. Innerhalb des Ecosystems der Häfen und Terminals ist es besonders wichtig, Räume und Prozesse zu schaffen, die es der Branche und ihren Partnern ermöglichen und sie ermutigen, zusammenzukommen und neue Dinge auszuprobieren. Ein gutes Beispiel für die Konzentration auf Zusammenarbeit und das gemeinsame Erarbeiten neuer Lösungen sind die Innovation Hubs in den USA und Europa. Gemeinsam stellen sie sicher, dass Innovationen den Bedürfnissen der Kunden entsprechen und zu den gewünschten Geschäftsergebnissen führen.
Der Autor:
Jürgen Brömmer, Business Development Partner, Verizon Business