Elektronik: Wie geht es danach weiter?
Zwei Trends sind heute bereits zu erkennen: Der Weg zu einer neuen Abstraktionsebene und die Auslagerung von Speicher und Applikations-Software in Clouds sowie von verteilter Intelligenz in Grids. Sie werden die Entwicklung in den nächsten Jahren bestimmen. In einer neuen Abstraktionsebene haben wir bereits heute die sogenannten Apps (App ist die Kurzform für Application), die man über App Stores downloaden kann. Sie sind leicht zu installieren und zu bedienen. Noch erfreuen sie sich zunächst bei mobilen Geräten wie Smartphones oder Tablets vor allem im Privatbereich großer Beliebtheit, werden aber zunehmend die Entwicklung professioneller Software beeinflussen. Das macht in Zukunft hochleistungsfähige Entwicklungsumgebungen und -werkzeuge erforderlich. Gleichzeitig wird sich die Betriebssystemebene hin zu den Apps verschieben.
Insgesamt werden die von Computern zu lösenden Aufgaben immer komplexer und damit auch die Software. Um diese bereitstellen und die erhöhten Sicherheitsforderungen gewährleisten zu können, müssen bei der Realisierung von Software-Systemen zunehmend Entwicklungsmodelle für die zu steuernden, immer komplexeren Prozesse zum Einsatz kommen. Das setzt wiederum die Entwicklung der benötigten Werkzeuge für den Software-Ingenieur voraus.
Elektronik: Und wie sehen Sie die Entwicklung der Clouds?
Die Vernetzung wirtschaftlicher Prozesse wird weiter zunehmen und damit auch der Einsatz der Cloud-Technologie, die ja derzeit mehr von Privatnutzern gepusht wird. Aber wie bei den meisten Dingen hat jede Medaille zwei Seiten. Einerseits kann der Anwender in Clouds schnell die aktuellste Programmversion nutzen, ohne sie kaufen zu müssen, oder vorab Speicherplatz buchen. Andererseits stellen sich erhöhte Anforderungen an die Sicherheit. Noch haben viele potenzielle Kunden Bedenken, da sie nicht wissen, wo ihre Daten sind und wer Einblick oder gar Zugriff bekommt, sei es legal oder illegal.
Zur Erhöhung des Schutzes werden sich in Zukunft neue Cloud-Infrastrukturen entwickeln, „Private Clouds", die nach den Bedürfnissen des Kunden unterschiedlich stark abgeschottet sind. So können auch kleine und mittlere Unternehmen von der neuesten Software und hohen Sicherheitsstandards profitieren. Denn die Mehrzahl von ihnen ist bereits heute mit ständigen Updates und der Festlegung richtiger Sicherheitsstrategien und -maßnahmen überfordert.
Elektronik: Auch Embedded-Systeme werden immer mehr vernetzt. Wie sehen Sie hier die Entwicklung vor allem hinsichtlich der Sicherheitsanforderungen?
Hier ist in der Tat die vielleicht auch nur zeitweilige Vernetzung das größte Problem. Als besonders kritisch sehe ich das Einspielen von
Updates an, vor allem wenn es automatisch erfolgt. Dabei darf man aber nicht nur an die Industrie im engeren Sinn denken. So wird es in ein paar Jahren stark vernetzte Smart Grids als neue intelligente Stromnetze geben, ausgerüstet mit Smart Metern (intelligente Stromzähler), denen in kurzen Abständen die aktuellen Stromtarife eingespielt werden müssen. Das könnte ein ideales Einfallstor für Schad-Software sein und es müssen bereits bei der Konzeption der Netze Maßnahmen zum Schutz integriert werden.
Elektronik: Werden die Netze nicht bald überfordert sein und kann der Normalverbraucher im World Wide Web angesichts der Fülle von Daten überhaupt noch das finden, was er sucht?
Die Erhöhung der Bandbreite der Netze ist ein Problem, das mittels leistungsfähigerer Hardware lösbar ist. Auf der Software-Seite inte-ressiert besonders das Handling der Datenflut. So ist durch Protokolle einer neuen Generation zunächst die eindeutige Adressierung, also die „Hausnummer" der teilnehmenden Hardware im Internet zu gewährleisten. Dazu ist das inzwischen ausgereifte Protokoll IPv6 zügig einzuführen und das fast 40 Jahre alte IPv4 abzulösen. Hier sind sowohl die Hardware- als auch die Software-Entwickler gefragt, die beide ihre Produkte und Dienste zur IPv6-Fähigkeit weiterentwickeln müssen. Dann können flexible Sensor-Netzwerke im Gebäudemanagement oder in Sicherheitsanlagen Realität werden. Roboter arbeiten miteinander vernetzt autonom komplexe Aufgaben ab. Es wird eine neue Qualität in der internet-basierten Fahrzeugkommunikation geben.
Um der Datenflut Herr zu werden, ist eine Weiterentwicklung des World Wide Web hin zu mehr automatisierter Verarbeitung nötig. Unter dem Begriff „Semantisches Web" wird das klassische Web erweitert, so dass die in ihm enthaltenen Informationen auch von Maschinen interpretiert und automatisch weiterverarbeitet werden können. Dazu muss über den eigentlichen Daten eine neue Ebene eingezogen werden, die solche maschinellen Interpretationen möglich macht. Die Daten im Seman-tischen Web lassen sich dann so aufbereiten, dass sie automatisch entsprechend ihrer inhaltlichen Bedeutung verarbeitet werden können. Das kann das klassische Web nicht. Damit bieten sich auch qualitativ völlig neue Möglichkeiten. So können bei der Verknüpfung von Informationen neue Zusammenhänge entdeckt werden, die vorher nicht erkennbar waren.