Anders als die ursprünglich für spezifische Märkte optimierten Standards wie MicroTCA, VPX oder auch CompactPCI Express verfolgt CompactPCI Plus einen universalen Ansatz und berücksichtigt dabei auch die vielen Anwender von herkömmlichen CompactPCI-Systemen. So besteht CompactPCI Plus aus zwei neuen Standards:
Ziel ist es, auf Grundlage des existierenden CompactPCI-Standards und der bewährten 19-Zoll-Technik ein Konzept zu finden, das einen sanften Übergang möglich macht – ausgehend vom derzeitigen Standard zu den modernen Punkt-zu-Punkt-Verbindungen. Dabei werden alle wichtigen seriellen Schnittstellen gleichberechtigt unterstützt, also PCI-Express, Serial-ATA/SAS, USB und Ethernet. Die Infrastrukturkosten sind niedrig, da Bridges und Switches nur ausnahmsweise erforderlich sind. Busplatinen sind Katalogware, da jeder Steckplatz ohne spezielles Routen universell nutzbar sein muss. 19-Zoll-Gehäuse und Zubehör haben alle führenden Mechanik-Anbieter im Programm.
Sanfter Übergang zu seriellen Verbindungen
Der Draft-Standard PICMG 2.30 „CompactPCI PlusIO“ ergänzt den CompactPCI-Basisstandard PICMG 2.0 und befindet sich derzeit in der Abstimmungsphase innerhalb der PICMG (PCI Industrial Computer Manufacturers Group, www.picmg.org). Er unterstützt sowohl den PCI-Bus als auch die modernen, seriellen Interconnects. PICMG 2.30 definiert in Ergänzung zu PICMG 2.0 für 32-bit-System-Slots die Anschlussbelegung und die Funktion der Benutzer-Pins am Stecker J2. Deren Anschlussbelegung war bisher nicht standardisiert, so dass die Kompatibilität der Baugruppen verschiedener Hersteller nicht gewährleistet war.
PICMG 2.30 definiert außerdem einen rückwärtskompatiblen 2-mm-Steckverbinder (UHM von 3M), der die Übertragung höherfrequenter Signale von 2,5 Gbit/s und mehr erlaubt und zu 100 % kompatibel zum herkömmlichen CompactPCI-Stecker ist. Dabei sind nur wenige zusätzliche Ground-Signale erforderlich, so dass vier PCI-Express ×1, vier USB 2.0, vier Serial-ATA/SAS und zwei Ethernet-1000-BaseT auf die Backplane geführt werden können.
CPU-Baugruppen, die PICMG 2.30 unterstützen (sowohl 3 HE als auch 6 HE) bleiben ohne Einschränkungen zum Basisstandard kompatibel und können auch in existierenden CompactPCI-Systemen genutzt werden. Der parallele PCI-Bus bleibt unangetastet, ist aber auf eine Datenbusbreite von 32 bit begrenzt. PICMG-2.30-kompatible CPU-Karten können aber auch als System-Slot in einem Hybrid-System genutzt werden. Solch ein Hybridsystem kann neben Legacy-CompactPCI-Steckplätzen auch Compact-PCI-Express- und CompactPCI-Plus-Steckplätze enthalten (Bild 1). Da keine Switch- oder Bridge-Boards erforderlich sind, sind sie praktisch zu gleichen Kosten wie klassische CompactPCI-Systeme erhältlich, bieten aber die Möglichkeit, neben den herkömmlichen Karten auch moderne Baugruppen einsetzen zu können – ein unkomplizierter Ansatz der Migration hin zu modernen Technologien.
So gibt es beispielsweise von Schroff bereits eine Hybrid-Busplatine mit acht Steckplätzen, die folgendermaßen aufgebaut ist (Bild 2): Mit vier herkömmlichen CompactPCI-Slots links und vier neuen Peripherie-Slots für CompactPCI Plus rechts befindet sich der System-Slot in der Mitte (Vierter Slot von links). Um mit den vier CompactPCI-Plus-Slots kommunizieren zu können, muss im System-Slot eine CPU-Karte stecken, die PICMG 2.30 unterstützt, also die fest definierten seriellen Schnittstellen auf J2 belegt. PICMG 2.30 kann – begrenzt durch den 2-mm-Stecker – bis zu vier CompactPCI-Plus-Slots ansteuern, wobei zwischen den Peripherie-Slots keine Unterschiede in der Signalbelegung bestehen. Das heißt, dass an jedem Platz je ein PCI-Express ×1, USB und Serial-ATA zur Verfügung stehen. Hierfür muss die unterste Steckerreihe immer bestückt sein. Von den insgesamt maximal sechs CompactPCIPlus-Steckern pro Slot benutzt diese Backplane außerdem die oberste Steckerreihe und unterstützt damit das optionale Ethernet.
Auch die ersten Baugruppen, die CompactPCI PlusIO bzw. Compact-PCI Plus unterstützen, werden gerade verfügbar. Als System-Slot-CPU gemäß PICMG 2.30 könnte entweder mit F19P ein Intel-Prozessor oder mit F50P ein PowerPC-Prozessor zum Einsatz kommen (siehe Kasten). Die CompactPCI-Plus-Peripheriesteckplätze könnten beispielsweise mit zwei bis vier Serial-ATA-Festplatten-Shuttles zum Aufbau von RAID-Systemen bestückt werden (G501 von MEN, verfügbar Juli 2009). Alternativ kann ein Steckplatz für PCI-Express-MiniCards genutzt werden, um drahtlose Peripheriegeräte anzusprechen (Träger G212 von MEN für zwei MiniCards mit USB- oder PCI-Express-Anbindung). Oder man verwendet XMC-Module – z.B. für anspruchsvolle Datenerfassung und -verarbeitung (Träger G213 von MEN). Denkbar ist auch die Koppelung der System-Slot-CPU nach PICMG 2.30 mit einer Peripherie-Slot-CPU nach PICMG CPLUS.0 im Ethernet-Mesh (CPU-Karte in Entwicklung). Und die drei verbleibenden Peripherie-Steckplätze für CompactPCI 2.0 stehen uneingeschränkt für die ganze Welt an I/O-Funktionen auf bewährten CompactPCI-Karten zur Verfügung.