TQ: Interne Traceability ist für ein EMS-Unternehmen ein »Muss«

30. Oktober 2009, 13:04 Uhr | Karin Zühlke, Markt&Technik

Viele Kunden erwarten heute von einem EMS- bzw. E²MS-Unternehmen (E²MS: Electronics Engineering Manufacturing Services) wie TQ eine detaillierte Rückverfolgbarkeit (Traceability) der Produktionsdaten bis hin zu jeder einzelnen Elektronikkomponente.

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»Wir müssen Qualitäts-, Material- und Prozess-Daten aufzeichnen, um im Bedarfsfall, wie etwa bei Rückrufen, rasch darauf zugreifen und Maßnahmen ableiten zu können«, sagt Christoph Schlude, Leiter Produktionstechnik und Logistik bei TQ. Ob Anforderungen des Marktes, der Kunden oder einer Norm, wirtschaftliche Erfordernisse oder rechtliche Aspekte: Interne Traceability gehört für ein EMS-Unternehmen heute zum Pflichtprogramm. Besonders wenn ein Unternehmen für sicherheitskritische Bereiche wie Medizintechnik, Luftfahrtindustrie und die Automobilbranche fertigt.

Eine saubere Traceability-Kette ermöglicht zudem die Fehlersuche in zwei Richtungen (Forward/Backward Tracking): vom Endprodukt zurück zur Fehlerursache bzw. vom Fehler zum Endprodukt. So ist Traceability mit Unterstützung eines Manufacturing Execution Systems (MES) und einer ERP-Anbindung längst Standard bei TQ. »Bei Produkten, die Gefahr für Leib und Leben darstellen, ist Traceability unabdingbar und wird vom Kunden bzw. entsprechenden Normen zwingend vorgeschrieben«, berichtet Schlude. Zwar freiwillig aber nicht minder erforderlich ist die Rückverfolgbarkeit, wenn es um den Aspekt »Wirtschaftlichkeit« geht: Bei fehlerhaften Komponenten wird der einzugrenzende Bereich sonst unter Umständen sehr groß und könnte exponentiell hohe Folgekosten für den Produzenten verursachen. »Wichtig ist auch der rechtliche Aspekt, um im Schadensfall schnell nachweisen zu können, wer die fehlerhaften Komponenten geliefert hat und in welcher Charge sie verbaut wurden«, weiß Schlude.

Nicht immer ganz einfach ist aufgrund von meist proprietären Schnittstellen die Anbindung der einzelnen Maschinen der SMT-Linie an das Traceability-System. »Hier brächte eine Standardisierung der Branche und der Gesamtwertschöpfungskette auf alle Fälle Vorteile«, meint Schlude und begrüßt die diesbezügliche Initiative des ZVEI, »denn die Schaffung von Standards würde auch die Initial-Kosten zur Einführung eines solchen Systems reduzieren. 

Dennoch: Die Vorteile der Traceability für die Produktion liegen auf der Hand: Es lassen sich schnelle und effektive Qualitätsregelkreise schaffen, Fehler rasch eingrenzen und verfolgen. Dazu führt das Traceability-System von TQ eine Lebenslauft-Akte zu jedem Produkt, so lässt sich im Servicefall genau feststellen, welche Fehler aufgetreten sind und wer welche Tests durchgeführt hat. Qualität lässt sich so besser überwachen und auswerten. »Im Nachhinein können Sie sich die Fehlerschwerpunkte ansehen und am Prozess lernen, z. B. feststellen, ob der Fehler am Design oder am Material liegt«, führt Schlude aus. Zusätzlich könnte man auch  Prozesse automatisch verriegeln, wenn die Rückmeldedaten fehlen, das praktiziere man bei TQ aber nicht, so Schlude, »bei uns entscheidet immer noch der Mensch.«

Es gibt verschiedene Arten der Traceability und ebenso verschiedene Begrifflichkeiten im Markt. TQ unterscheidet dabei fünf Traceability-Stufen: 

• Produkt−Traceability
• Qualitäts−Traceability
• Lebenslauf−Traceability
• Material−Traceability
• Prozess−Traceability

Diese Stufen bauen teilweise aufeinander auf bzw. überschneiden sich teilweise. Welche Ausbaustufen der Traceability ein Elektronik-Dienstleister benötigt, hängt neben dem eigenen Unternehmensanspruch auch von den Bereichen ab, für die das Unternehmen entwickelt und fertigt.  

Bei Avionik ist Rückverfolgbarkeit obligatorisch 

Vor diesem Hintergrund hat sich der Elektronik-Dienstleister vor kurzem für die Erweiterung seines bislang eingesetzten Traceability-Systems entschieden, nicht zuletzt um spezielle Anforderungen bei der Produktion von Avionik-Baugruppen zu erfüllen. Das zusätzliche Funktionsmodul des MES erfasst Informationen wie Komponentendaten, Rüstdaten und Prüfdaten dezentral über maschinennahe Prozess-Schnittstellen sowie durch mobile und stationäre Eingabegeräte und archiviert sie elektronisch in Seriennummer-basierten Lebenslaufakten.

Der Vorteil liegt auf der Hand, wie Schlude erläutert: »Auf diese Weise lassen sich beispielsweise beim Auftreten einer fehlerhaften Materialcharge sehr schnell die betroffenen Baugruppen ermitteln – mögliche Rückrufaktionen können wir damit ganz genau eingrenzen.« Die Lösung sorgt für mehr Transparenz im Fertigungsprozess, ermögliche eine effiziente Fehlersuche »und hilft uns, schnell wirksame Qualitätsregelkreise zu etablieren«, ist Schlude überzeugt. »Damit sind wir auch in der Lage, die gesetzlichen sowie die oft noch viel strengeren unternehmensinternen Vorgaben der Luftfahrt zu erfüllen.« Dementsprechend wurde die Traceability-Lösung von TQ-Systems unter anderem nach den europäischen Qualitätsmanagement-Standards für Luft- und Raumfahrt (DIN EN 9100) auditiert.

Ganz ohne Mehraufwand geht es nicht

Lückenlose Rückverfolgbarkeit ab Materialeingang bedeutet natürlich auch Mehraufwand für den Elektronik-Dienstleister, denn das System muss erst einmal mit Informationen gefüttert werden. »Jedes Gebinde, das im Materialeingang bei uns eintrifft, muss mit einer eindeutigen und für uns intern zuzuordnenden Kennung versehen werden. Die einmal vergebene Chargen-Informationen behält das System dann durch die gesamte Prozesskette bei«, beschreibt Schlude das Vorgehen. »Zwar gibt es in der Branche Bestrebungen, einheitliche 2-D Codes auf dem Markt zu etablieren, das sehe ich derzeit allerdings noch als Zukunftsmusik, würde aber die Erfassung signifikant erleichtern.«

Im Produktionsprozess müssen die Komponenten ihrem Produkt zugeordnet werden. Dafür bekommt die bestückte Leiterplatte bei TQ eine Seriennummer, auf die die Chargen-Informationen der verbauten Komponenten codiert werden. Dazu scannt der Bediener an der Linie, die gerüsteten Rollen, über das MES erfolgt die Rückkopplung und Zusammenführung der Informationen. »Diese Möglichkeit haben wir aber auch für manuelle Bestückungen. Unser MES verfügt über eine Schnittstelle, über die eine Datenerfassung auch manuell möglich ist«, so Schlude.

Eine Schwachstelle kann allerdings auch ein ausgefeiltes MES nicht verhindern: »Wenn auf dem gelieferten Material schon fehlerhafte Angaben stehen, beispielsweise ein IC-Ghäuse mit falschem Aufdruck, dann ist es sehr aufwändig, den Fehler im Vorfeld der Produktion aufzudecken«, gibt Schlude zu bedenken.


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