Der Leiterplattenmarkt steckt mit 30 bis 40 Prozent Umsatzrückgang tief in der Krise – und damit geht eine Gefahr einher: In Deutschland droht nicht nur weiteren PCB-Herstellern die Insolvenz. Es könnte auch sein, dass die für die Leiterplattenindustrie wichtigen Zulieferer abwandern.
Dass sich der deutsche Leiterplattenmarkt bald »gesund stoßen« wird, bezweifeln die Experten. Erstens beschleunige sich das Abwandern von Aufträgen nach Asien, weil nur ganz wenige europäische Leiterplattenhersteller ein eigenes Produktionswerk in Fernost haben. Zweitens sei die Marktbereinigung hierzulande längst nicht abgeschlossen.
Hans Joachim Friedrichkeit, Geschäftsführer von PCB-Network, wagte bereits 1999 die Prognose, dass 2010 nur noch 100 Leiterplattenhersteller mit einem Umsatz von jeweils mehr als 1 Mio. Euro in Westeuropa existieren werden. »Leider ist diese Prognose heute beinahe eingetroffen«, bedauert der Branchenkenner. Fakt ist: Von den damals 700 Herstellern in Europa hat sich der Großteil aus dem Markt verabschiedet.
Auch die Großen der Branche massiv getroffen
Dass die wirtschaftlich schwierige Situation nicht dazu beitragen wird, den deutschen Standort zu festigen, verstehe sich laut Friedrichkeit beinahe von selbst. Besonders bitter für die gesamte Leiterplattenindustrie ist es, dass die Krise auch die Großen der Branche massiv getroffen hat. So wurde bei Ruwel nach bisher vergeblicher Investorensuche das Insolvenzverfahren eröffnet. Auch die Situation beim insolventen Hersteller Fuba spitzt sich zu. Die Schließung des Werkes in Gittelde ist laut Branchenkennern den Mitarbeitern bereits mitgeteilt worden. Für die Weiterführung des Werkes in Dresden laufen Verhandlungen.
»Die Möglichkeiten für die OEMs, mittlere und große Leiterplattenvolumina in Deutschland fertigen zu lassen, schmelzen dahin«, gibt Friedrichkeit zu bedenken. Das führe dazu, dass sich der Kunde noch stärker von Deutschland abwenden wird – vielleicht sogar muss. Andreas Brüggen, Geschäftsführer von Micro- Cirtec, sieht diese Entwicklung mit großer Sorge. Über die Marktbereinigung und damit die scheinbare Entschärfung der Wettbewerbssituation will er sich nicht freuen: »Uns brechen mittlerweile die Lieferanten weg«, sagt Brüggen. Er sieht die Substanz des deutschen Leiterplattenmarktes gefährdet und befürchtet einen Dominoeffekt. »Die Ressourcenbeschaffung – seien es Fertigungsmaschinen, Basismaterialien oder Chemikalien – gestaltet sich immer schwieriger für uns.«
Brüggen weiß: Für die Zulieferer der Leiterplattenindustrie wird der deutsche Markt zunehmend unattraktiver. Bei MicroCirtec reagiert man bereits darauf, indem man wesentlich mehr Maschinenersatzteile vorhält. »Auch das Dienstleistungsangebot am Markt wird immer dünner. Spindeln reparieren wir heute größtenteils selbst«, führt Brüggen als ein Beispiel an. Viele Produkte, die für die Herstellung von Leiterplatten erforderlich sind, könne man nur noch von wenigen Anbietern beziehen. Das beginne beim Ätzmedium und ende bei Maschinen für die elektrische Prüfung. Die Frage lautet also: Bleibt genug Substanz in Deutschland erhalten, um die Technologie in ihrer ganzen Breite weiterhin hier halten zu können?
Leiterplatten strategisch extrem wichtig
»Letztendlich kann das nur der Kunde entscheiden«, sagt Brüggen. Er wird nicht müde, zu betonen, dass es der Kunde zumindest erwägen sollte, einen Teil der Leiterplatten aus Deutschland zu beziehen. »Leiterplatten sind strategisch extrem wichtig!«, betont Brüggen. »Sollten noch mehr Leiterplattenfirmen vom Markt verschwinden, wird der Europäer am Ende ein Lieferproblem bekommen. Denn erholen sich die Märkte, müsste er sich mit seinen hohen Ansprüchen an die Qualität und die Lieferzeit – bei seinen vergleichsweise kleinen Volumen – in Fernost ganz weit hinter den lokalen bzw. amerikanischen Kunden anstellen.«
Heute ist also Loyalität bei den Kunden gefragt, denn wie lange die Durststrecke noch anhalten wird, ist nicht abzusehen. Hans J. Friedrichkeit beobachtet zwar eine Belebung am asiatischen Markt (die Auslastung der großen Leiterplattenhersteller liegt in Asien zwischen 80 und 90 Prozent), allerdings bleibe abzuwarten, wie nachhaltig diese Anzeichen sind. »Ich werde keine Euphorie versprühen«, sagt Friedrichkeit nüchtern und hat einen passenden Vergleich parat: »Reduziert sich die Geschwindigkeit auf der Autobahn von 100 auf 50 km/h, kommt es abwechselnd zum Stillstand und zum Wiederanfahren, bevor sich die Autokolonne auf die neue Geschwindigkeit eingestellt hat.« Ähnlich verhält es sich in der Leiterplattenindustrie.
Vorsichtig optimistisch ist man dagegen bei Schweizer Electronic: Die Firma meldet aktuell eine verbesserte Auftragslage und wird daher die seit November 2008 eingeführte Kurzarbeit im Mai unternehmensweit aussetzen. Unternehmenssprecher Rigo Züfle führt die verbesserte Nachfrage auf die angekündigte strategische Allianz mit der japanischen Firma Meiko und auf leere Lager bei den Kunden zurück. »Zum Teil profitieren wir auch von der Marktbereinigung«, ergänzt Züfle. Der Kunde erwarte auch weiterhin Technologiekompetenz und die Begleitung und Betreuung von Projekten vor Ort. »Wir sind noch ein Fels in der Brandung.«