Die Uni des Saarlandes entwickelt zusammen mit Partnern eine neue Kühl- und Heiztechnologie auf Basis der Elastokalorik: Mit »SMACool« soll schon in drei Jahren der umweltfreundliche Prototyp einer dezentralen Klimaanlage für Wohnhäuser fertig sein, ganz ohne Kältemittel und raumweise regelbar.
Elastokalorik bezeichnet ein physikalisches Phänomen, bei dem sich ein Material entweder abkühlt oder erwärmt, wenn es mechanisch belastet oder entlastet wird und zu seiner ursprünglichen Temperatur zurückkehrt, wenn die Belastung vorbei ist – das macht es interessant für Anwendungen, bei denen eine wiederholbare und kontrollierbare Temperaturänderung benötigt wird. Im Gegensatz zu traditionellen Technologien werden keine Kühlmittel benötigt.
Das relativ neue Forschungsgebiet weist ein großes Potenzial für neue Anwendungen und Märkte in der Klimatechnik auf und bekommt deshalb Unterstützung durch das Pathfinder-Programm des Europäischen Innovationsrates (EIC): Vier Millionen Euro erhält der Elastokalorik-Pionier Prof. Paul Motzki und sein Team an der Universität des Saarlandes, das mit europäischen Partnern an einer neuen, klimaschonende Kühl- und Heiztechnologie mit globalem Potenzial zusammenarbeitet. Ziel: mit „SMACool“ den Prototypen einer dezentralen Klimaanlagen-Einheit für Wohnhäuser zu entwickeln.
Das Besondere: Durch schmale Lüftungsschlitze in Außenwänden soll Frischluft ins Haus strömen, die je nach Bedarf erwärmt oder gekühlt wird, bis die Wohlfühltemperatur für diesen speziellen Raum erreicht ist. Die Wärme wird transportiert, indem dünne Drähte oder Bleche aus der superelastischen Legierung Nickel-Titan be- und entlastet werden – ganz ohne klimaschädliche Kältemittel.
»Wir wollen Häuser mit unserer Technologie nicht mit einer zentralen Anlage beheizen und kühlen, sondern dezentral und individuell jeden einzelnen Raum. Hierfür entwickeln wir eine kompakte Einheit, die unsere Technologie enthält, und künftig zum Beispiel in neuen Häusern direkt mit dem ohnehin erforderlichen Lüftungssystem eingebaut werden kann“, erklärt Prof. Motzki, der das Konsortium des Projektes SMACool leitet. Beteiligt sind neben den Saarbrücker Forscherinnen und Forschern die Universitäten in Ljubljana und Neapel (Federico II) und das Unternehmen exergyn aus Irland.
Die Technologie wird als energieeffiziente Alternative zu herkömmlichen Kühl- und Heizmethoden gehandelt. »Die Elastokalorik funktioniert als Wärmepumpe und Kühlanlage zugleich. Sie ist energieeffizienter und nachhaltiger als heutige Klimatechnik und kommt gänzlich ohne klimaschädliche Kältemittel aus. Der Wirkungsgrad elastokalorischer Materialien beläuft sich auf mehr als das Zehnfache im Vergleich zu heutigen Klima- oder Heizanlagen – sie werden deutlich weniger Strom benötigen«, erklärt Motzki. »Mit dem in diesem Projekt geplanten Verfahren erreichen wir beim Kühlen und auch beim Heizen Temperaturdifferenzen jeweils von rund 20 Grad Celsius«.
Das Material Nickel-Titan nimmt seine ursprüngliche Form wieder an, nachdem es verformt wurde. Der Grund: es besitzt zwei Kristallgitter, zwei Phasen, die sich ineinander umwandeln können. Während etwa Wasser die Phasen fest, flüssig und gasförmig annimmt, sind beide Phasen von Nickel-Titan fest. Aber eine Phase geht in die andere über. Bei diesem Vorgang nehmen die Drähte Wärme auf und geben sie wieder ab. »Das Formgedächtnismaterial gibt Wärme ab, wenn es im superelastischen Zustand gezogen wird, und nimmt Wärme auf, wenn es entlastet wird«, erklärt Motzki, der eine Brückenprofessur zwischen der Universität des Saarlandes und ZeMA innehat, wo er den Forschungsbereich „Smarte Materialsysteme“ leitet.
Das Forschungsteam arbeitet nun daran, die Technologie praxistauglich weiterzuentwickeln und en optimalen Kühl- oder Heizeffekt zu erzielen, wenn Luft daran vorbeigeleitet wird. »Wir werden hier anstelle der Drähte, mit denen wir bislang vor allem gearbeitet haben, um das Verfahren zu entwickeln, dünne Bleche aus Nickel-Titan verwenden, weil diese durch die größere Oberfläche mehr Wärme aufnehmen und abgeben«, so Motzki.
Zusammen mit Antriebstechnikern wird erforscht, wie die Luftströme idealerweise aussehen, welche Form der Nickel-Titan-Bleche am besten geeignet ist, wie stark diese idealerweise für eine bestimmte Kühl- oder Heizleistung be- und entlastet werden. Dafür wurde auch eine Software entwickelt, mit der sich die Heiz- und Kühltechnik für verschiedene Anwendungen anpassen und Kühlsysteme simulieren und planen lässt. Am Ende geht es um den kompletten Kreislauf von Materialherstellung und Recycling bis zur Produktion.
Zur Vernetzung und mit Blick auf praktische Umsetzung mit Unternehmen wurde die internationale Fachgesellschaft „International Elastocaloric Society“ gegründet. Intelligente Materialsysteme in die Industriepraxis zu bringen ist das Ziel der neuen mateligent GmbH.