Gelegenheit zu Produktabkündigungen

Stagnierende Umsätze – aber kein Totaleinbruch

14. Juli 2020, 12:47 Uhr | Heinz Arnold
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Fortsetzung des Artikels von Teil 2

Lieferzeiten und Preise steigen

Dem stimmt auch Christian Dunger zu. Derzeit würden Waren hauptsächlich gekauft, wenn sie tatsächlich gebraucht würden, mit längerfristigen Liefervereinbarungen hielten sich derzeit fast alle Kunden spürbar zurück. Es wird überwiegend „back to back“ gearbeitet. Bei vielen Kunden und Distributoren hätten sich nach dem Abflachen der Allokation schon Mitte des vergangenen Jahres größere Lagerbestände aufgebaut. Diese Bestände seien über die vergangenen Monate deutlich zurückgegangen. Parallel dazu wird in Asien die Wirtschaft wieder hochgefahren, und die Nachfrage vor allem in China steigt spürbar an. Viele Kunden gingen aber immer noch von hohen Lagerbeständen und einer nahezu grenzenlosen Verfügbarkeit aus.

»Jetzt sind wir in der eher unvermuteten Situation, dass die Lieferzeiten tendenziell steigen, teilweise sogar empfindlich. Bei den Herstellern mag da auch ein wenig Marketing dahinter stecken, aber die Tendenz dazu ist auf jeden Fall da.« Teilweise seien die Lieferzeiten bei einigen Produkten heftig angestiegen; waren es typisch 8, sind es jetzt gerne mal 16 Wochen. Dies hat auch Einfluss auf die Preisentwicklung, die tendenziell anzieht.

Dass die Lieferzeiten steigen, beobachtet auch Roland Petermann, und das schon länger: Bereits im vergangenen Jahr – also lange vor der Corona-Krise – hätte sich abgezeichnet, dass 32,768-kHz-Quarze im 3,2 mm × 1,5 mm großen Keramikgehäuse knapp werden könnten. Vor allem wegen des günstigen Preises für diese Typen hatten sich wohl große Anwender entschlossen, sie verstärkt in ihren Systemen einzusetzen – trotz des Nachteils der etwas größeren Bauform. Das Resultat: Die Nachfrage stieg kräftig und die Liefertermine verlängerten sich zusehends.

Gleichzeitig steigen auch die Kosten in der Lieferkette. Die Lieferketten an sich sind nach Aussagen aller befragten Firmen zwar weitgehend wieder intakt, aber die Logistikkosten seien laut Christian Dunger durch den »Corona-Zuschlag« vieler Transportdienstleister um einen nicht unerheblichen Betrag gestiegen, was selbstverständlich für alle Beteiligten gelte und letztendlich einen Einfluss auf die Preisentwicklung nehmen werde.

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Bernd Neubig, Axtal: »Das dritte Quartal wird wohl noch etwas durchhängen; ab dem vierten sollte es dann wieder aufwärts gehen.« 
© Axtal

Jetzt kommen die Abkündigungen

Überlagert werde die Situation noch von einem weiteren Effekt: Die Hersteller nutzten die Gelegenheit, um ihr Angebotsspektrum gründlich zu durchzuforsten und unrentable oder veraltete Produkte abzukündigen. Das betrifft laut Dunger beispielsweise Quarze im Metallgehäuse wie die immer noch weit verbreiteten HC49-SMD-Bauformen oder auch die altehrwürdigen Quarze im schwarzen SMD-Kunststoffgehäuse. Bei letzteren handele es sich wahrlich um Uraltprodukte, die – obwohl ROHS-konform – nicht bleifrei sind.

»Es gibt immer noch Ausnahmeregelungen, die im Quarz-Umfeld Gang und Gäbe sind. ROHS ist eben nicht gleich bleifrei«, so Dunger. Einige Hersteller wollten diese veralteten Blei-Produkte nun endgültig nicht mehr weiterführen und kündigen diese nun unter Verweis auf eine immer geringere internationale Nachfrage nach und nach ab. Allerdings ließen sich diese Komponenten nicht immer eins zu eins durch Alternativen ersetzen. »Also ist ein Redesign erforderlich, wobei wir wiederum die Anwender unterstützen können«, so Dunger.

Wäre das also ein Beispiel für die vielzierten Chancen, die die Krise auch biete? Schon zu Anfang hatten einige Vertreter der Branche damit gerechnet, dass das Tagesgeschäft zwar zurückgehen werde, dafür aber die Design-in-Aktivitäten anziehen könnten. Das sieht beispielsweise Uwe Schweickert so: Ob in Europa, China und den USA – überall würden Aktivitäten bisher fortgesetzt. Für KVG bedeute dies, dass die Ingenieure vor allem damit beschäftigt sind, die bestehenden Produkte auf die besonderen Anforderungen der jeweiligen Auftraggeber kundenspezifisch zuzuschneiden. Immer wieder werde besseres Phasenrauschen und eine geringere Vibrationsempfindlichkeit verlangt. Die Arbeit sei also nicht weniger geworden, eher im Gegenteil. »Deshalb ist der Ausblick auf dieses Jahr nach wie vor gut, wir liegen im Plan.«

Chancen sieht auch Frank Wolf, eben weil einige weltweit führende Hersteller derzeit bestimmte Produkte nur eingeschränkt liefern könnten, weil sie ihre Werke teilweise monatelang schließen mussten. Deshalb würden sich die Anwender von frequenzgebenden Produkten nun verstärkt danach umschauen, sie von Zweitanbietern beziehen zu können. Es können eben immer wieder unvermutet Krisen auftauchen; dann lohnt es sich, über diese Möglichkeit zu verfügen. »Der Second-Source-Gedanke ist jetzt wieder in den Köpfen drin, das spüren wir«, so Wolf. »Deshalb stehen die Zeichen bei Quarzwerk weiter auf Wachstum.«


  1. Stagnierende Umsätze – aber kein Totaleinbruch
  2. Keine übermäßige Euphorie...
  3. Lieferzeiten und Preise steigen
  4. Die Systemebene lockt

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