Worin sehen Sie neben dem großen Thema der fortschreitenden Digitalisierung die großen Technologie-, Bedarfs- und Umsatztreiber der nächsten Jahre?
Wir sehen für die Zukunft vor allem vier große Bereiche, die in dieser Richtung bestimmend sein dürften: Neben Big Data und dem Thema Energieeffizienz ist das die Urbanisierung unserer Welt und unsere zunehmende elektronische Vernetzung mit dieser Welt. Denken Sie in diesem Zusammenhang an Anwendungen und Möglichkeiten wie Intelligent Assistance, Bild- und Gesichtserkennung, Augmented und Virtual Reality, Autonome Drohnen, Autonomes Fahren, aber auch Computer Assisted Health Care. Dazu kommen dann noch neue technologische Herausforderungen, wie sie etwa durch die Markteinführung neuer Leistungshalbleitertechnologien wie GaN und SiC auf uns als Spezialisten für passive Bauelemente zukommen.
Es gab in den letzten Jahren im Bereich passiver Bauelemente wenig große Übernahmen. Eine der wenigen Ausnahmen war Ihre Akquisition von NEC Tokin. Doch juristische Probleme behindern den Abschluss der Akquisition. Wie ist der aktuelle Stand?
Als wir mit der Übernahme von NEC Tokin begannen, wurde im März 2014 plötzlich bekannt, dass verschiedene staatliche Stellen in Japan und im Ausland wegen Antitrust-Verstößen, die bis ins Jahr 2002 zurückreichen, gegen NEC-Tokin ermitteln. Inzwischen wurden diese Untersuchungen in den USA, Japan, Taiwan und Brasilien bendet. Es sind noch nicht alle Untersuchungen abgeschlossen, aber wir sind heute zuversichtlich, dass wir nur noch einige Monate vom endgültigen Abschluss der Untersuchungen entfernt sind. Darum sind wir optimistisch, unser neues Geschäftsjahr 2018 ab dem 1. April 2017 dann gemeinsam in Angriff nehmen zu können. Wenn das der Fall ist, werden wir von einem Unternehmen sprechen, das eine Umsatzgröße von deutlich über 1 Milliarde Dollar haben wird. Dann endlich werden wir auch beginnen können, die Synergien, die in dieser Akquisition liegen, wirklich zu heben.
Noch liegt der Umsatz von Kemet deutlich unter 1 Milliarde Dollar. Wie ist das Geschäftsjahr 2017 bisher verlaufen?
Wir haben in den ersten beiden Quartalen Umsätze von knapp 185 und etwas über 187 Millionen Dollar erzielt. Damit bewegen wir uns etwas über dem Niveau des Vorjahres. Treten keine unvorhersehbaren Ereignisse auf, dürfte sich diese Entwicklung in der zweiten Jahreshälfte unseres Geschäftsjahres, das am 31. März 2017 endet, fortsetzen. Parallel dazu verbessern wir weiter kontinuierlich unsere Rentabilität und generieren Monat für Monat Cash.
Wie kein anderer Tantal-Kondensatoren-Hersteller engagiert sich Ihr Unternehmen beim Thema konfliktfreies Tantal. Sie scheinen sich dieses Thema fast zu einer persönlichen Aufgabe gemacht zu haben. Funktioniert Ihr Konzept?
Als der weltweit größte Verbraucher von Tantalpulver haben wir bei diesem Thema früh eine Führungsrolle übernommen. Heute können wir sagen, unser “Partnership for Social and Economic Sustainability” ist das erfolgreichste und nachhaltigste Programm dieser Art in der Industrie. Das Erfolgsgeheimnis dieses Programms liegt vielleicht darin, dass es versucht, sowohl die Kurz- als auch die Langzeitinteressen aller Beteiligten entlang der Wertschöpfungs- und Lieferkette im Auge zu haben. Wir können mit Stolz sagen, dass unser Konzept von den Erzminen bis zum Endverbraucher funktioniert. Dass es funktioniert, dafür sorgt eine Balance von Vertrauen und Kontrolle.
Sie waren selbst schon einige Male vor Ort in der Demokratischen Republik Kongo. Was hat Sie dort am meisten beeindruckt?
Es ist in meinen Augen faszinierend, wie diese Menschen die Hilfe zur Selbsthilfe annehmen. Inzwischen wurden dort Krankenhäuser und Schulen gebaut, und die Infrastruktur wird Schritt für Schritt verbessert. Manchmal passiert es auch, dass Dinge zweckentfremdet werden. Wir sehen uns dann an, warum das geschieht, und wenn sich dadurch Bedürfnisse der Einwohner besser befriedigen lassen, dann greifen wir diese „Initiativen“ auf und versuchen, das strukturiert zu lösen. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass ich es zu meinen Lebzeiten nicht mehr erleben werde, dass man in einem Minendorf oder einer Minenstadt in der Demokratischen Republik Kongo ein Loch in den Boden gräbt und dabei auf irgendetwas anderes trifft als auf Staub, Erde oder Mineralien. Bis der Boden dort ähnlich wie bei uns von Kabeln und Schächten durchzogen ist, werden wohl noch Jahrzehnte vergehen.