Der Spezialdistributor Alutronic Bauelemente blickt auf sein 35jähriges Bestehen: Geschäftsführer Christoph Dassau erläutert, warum das Haifischbecken von einst inzwischen eher einem »Orca-Ozean« gleicht – und weshalb Spezialisierung, technische Beratung und Kundennähe wichtiger sind denn je.
Markt&Technik: Alutronic Bauelemente feiert in diesem Jahr sein 35-jähriges Bestehen. Wie viele Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen derzeit, und wie hängen Alutronic und Alutronic Bauelemente konkret zusammen?
Christoph Dassau: Wir sind weiterhin sehr schlank aufgestellt und fallen mit Auszubildenden, Minijobbern, Urlaubsvertretung und eingetragenen Geschäftsführern immer noch in die Kategorie <10 Mitarbeiter. Rechtlich sind die Firmen komplett getrennt zu betrachten. Operativ arbeiten beide Firmen in Hersteller-Distributor-Konstellation sehr eng zusammen. Persönlich, emotional und empathisch arbeiten wir bereits in zweiter Generation zusammen.
Ihr Vater Horst Dassau machte vor 10 Jahren im Interview mit Markt & Technik zum 25-jährigen Firmenjubiläum die prägnante Aussage: »Als Nischendistributor haben wir im Haifischbecken einen guten Platz gefunden. Nur wenn wir Fett anfressen, werden wir als Futter interessant. Wir verstehen uns als Spezialdistributor mit einem klar definierten Portfolio.« – Wie ordnen Sie diese Aussage aus heutiger Sicht ein?
Rückblickend lässt sich sagen: Unsere damalige Ausgangslage im „Haifischbecken“ des Marktes war mitentscheidend dafür, dass wir uns trotz zahlreicher Herausforderungen behaupten konnten – selbst als diese in immer kürzeren Abständen und oft gleichzeitig auftraten.
Die anhaltenden Störungen durch Pandemie, Kriege und schwer vorhersehbare politische Entwicklungen belasten Wirtschaft und Lieferketten bis heute. Zeit zum Innehalten gibt es kaum. Inzwischen bewegen wir uns eher in einem ständig wärmer werdenden „Orca-Ozean“ – ein Umfeld, das noch dynamischer, komplexer und fordernder ist.
Um in diesem Klima erfolgreich zu bleiben, setzen wir auf Spezialisierung, klare Schwerpunkte und ein unverwechselbares Profil. Nur so lassen sich zunehmende Standardisierung, wachsender Preisdruck und die steigenden Anforderungen im Bereich Compliance und Reporting wirksam bewältigen.
Einst Handelsvertretung für den Hersteller Alutronic Kühlkörper und den Lüfterspezialisten Sepa-Europe, hat sich das Service-Spektrum inzwischen weiter vergrößert: Würden Sie uns einen aktuellen Überblick auf Ihre Linecard und die von Ihnen vertretenen Herstellern geben?
Das Handelsvertretungsmodell ist heute für uns sehr schwierig: Auf der einen Seite ist das auf Außendienst basierende „Urmodell“ sehr kostenintensiv. Andererseits hat die Nachfrage der Einkaufs- und Entwicklungsabteilungen nach Musterkoffer und gemeinsamem Kaffeetrinken aus unserer Sicht deutlich abgenommen. Durch vermehrte Homeofficeaktivitäten ist es auch nicht einfacher geworden, Besuchstermine zu planen. Unser Fokus liegt darauf, für unsere Kunden und Partner die bestmögliche Erreichbarkeit und Informationsqualität zu bieten. Und wenn es notwendig ist, fahren wir kurzfristig zum Kunden.
Ist die Spezialdistribution im Sinne eines kleinen Produktspektrums in wirtschaftlich schwierigen Zeiten eher Fluch oder Segen?
Von Anfang an haben wir uns bewusst auf eine überschaubare Zahl an Produktlinien konzentriert. Diese Produkte finden sich jedoch in nahezu jeder elektronischen Baugruppe – branchenübergreifend und in unterschiedlichsten Anwendungen. Entsprechend stark orientiert sich die Nachfrage an der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung.
Als spezialisierter Fachhändler setzen wir auf Fokus, technisches Know-how und enge Kundennähe. Für uns ist Spezialisierung daher kein Fluch, sondern ein klares Erfolgsprinzip.
Ihr Vertriebsgebiet war ursprünglich Norddeutschland. Hat sich der Vertriebsradius inzwischen erweitert bzw. gibt es (regionale) Expansionspläne?
Ursprünglich lag unser Fokus klar auf Norddeutschland – das war das Gebiet unserer Handelsvertretungen, dort haben wir unser Netzwerk aufgebaut und enge Kundenbeziehungen gepflegt. Der Vertriebsradius hat sich deutlich vergrößert, da unsere Kunden nicht nur an einem Standort produzieren, sondern europa- oder sogar weltweit. Und nicht selten fertigen mehrere EMS-Dienstleister für einen Industriekunden an verschiedensten Standorten. Wenn unsere Partner outsourcen und globalisieren, begleiten wir sie dabei in der Lieferkette. Diese Entwicklung kam nicht sprunghaft, sondern organisch – über Empfehlungen, Projektanfragen und das Vertrauen unserer Partner.
Beim Blick auf Ihre Webseite entdeckt man (noch) keinen Online-Shop. Eine bewusste Entscheidung oder eher Zufall?
In unserem Geschäftsmodell hat sich die Frage gar nicht gestellt. Als Spezialdistributor stehen bei uns nicht der schnelle Abverkauf von Standardprodukten ab Lager oder der Preiswettbewerb im Vordergrund, sondern technische Beratung, individuelle Projektunterstützung und maßgeschneiderte Lösungen. Bestenfalls bestellen unsere Kunden Jahresrahmenaufträge, die Verfügbarkeit sicherstellen und Preise stabil halten. Das kann ein digitales Bestellwesen im Online-Shop kaum leisten: Er ersetzt keine Beratung, keine Bemusterung und kein Verständnis für die jeweilige Applikation. Deshalb setzen wir auf den direkten Dialog – sei es telefonisch, per E-Mail oder im persönlichen Gespräch. Bei Bedarf auch vor Ort. Die operative Abwicklung in Einkauf und Compliance ist aber mit vielen Partnern seit Jahren digital, zum Beispiel über entsprechende Portale und Anbindungen.
Kühlkörper sind oft unterschätzte Bauteile. Worauf kommt es aus Ihrer Sicht bei der Wahl des richtigen Kühlkörpers an?
Das ist völlig richtig – die Bedeutung einer effektiven Elektronikkühlung wird häufig unterschätzt, ist jedoch entscheidend für Funktionalität und Lebensdauer elektronischer Systeme. Die Auslegung der Kühlung beeinflusst maßgeblich, ob eine Baugruppe dauerhaft zuverlässig arbeitet oder thermisch überlastet wird.
Ein Kühlkörper darf dabei nicht isoliert betrachtet werden – seine Wirksamkeit hängt immer vom Zusammenspiel mit Faktoren wie Leistungsdichte, Umgebungstemperatur, Gehäusekonstruktion und Luftstromführung ab. Die thermischen Anforderungen sollten sorgfältig analysiert werden. Ob eine Standardlösung ausreicht oder eine individuelle Anfertigung notwendig ist, hängt unter anderem von Bauform und Befestigung ab. Auch das eingesetzte Material und mögliche Beschichtungen der Oberfläche beeinflussen die Wärmeabfuhr erheblich. Nicht zuletzt sollten bei der Auswahl auch Kosten und Verfügbarkeit berücksichtigt werden.
Inwieweit ist der Bedarf nach kundenindividuellen Anfertigungen beim Thema Kühlkörper gestiegen?
Mit dem Trend zu immer kompakteren und leistungsfähigeren Elektroniklösungen steigen auch die thermischen Anforderungen deutlich. Kühlkörper und Lüfter müssen sich dabei optimal in die jeweilige Gehäusestruktur, das Leiterplattenlayout oder bestehende Montagesysteme integrieren lassen. Der Bedarf an kundenspezifischen Geometrien, integrierten Befestigungslösungen und angepasster Luftführung wächst daher kontinuierlich.
Um unerwartete Kostenentwicklungen zu vermeiden, empfehlen wir, uns frühzeitig in die Entwicklungsphase einzubeziehen. Dank moderner Fertigungstechnologien – wie CNC-Bearbeitung, modulare Strangpressprofile oder wirtschaftliche Kleinserien – sind maßgeschneiderte Kühlkörperlösungen heute auch bei geringeren Stückzahlen problemlos realisierbar. Dadurch sind individuelle Designs deutlich attraktiver geworden und haben sich in vielen Anwendungen längst vom Sonderfall zum Standard entwickelt.
Als spezialisierter Distributor mit enger technischer Anbindung an unsere Hersteller verstehen wir uns als aktiver Partner in diesem Wandel – mit dem Ziel, gemeinsam thermisch durchdachte und wirtschaftlich sinnvolle Lösungen zu realisieren.
Welche Beratungsleistungen bieten Sie als Distributor für Ihre Kunden an – Stichwort FAE-Support, Produkt-Support, etc.?
Als spezialisierter Distributor sehen wir uns nicht nur als Lieferant, sondern vor allem als technischer Partner. Unser Fokus liegt auf kompetenter Beratung und praxisnaher Unterstützung – von der ersten Idee bis zur Serienreife.
Unser Service endet nicht beim Produktverkauf. Wir begleiten Sie mit unseren Herstellern durch den gesamten Entwicklungsprozess mit Leistungen wie der Bauteilauswahl und Alternativenvergleich, sowie der Design-in-Beratung für eine nahtlose Integration. Thermische und elektrische Simulationen für mehr Planungssicherheit sind ebenfalls möglich.
Statt nur Datenblätter zu liefern, bringen wir echte Anwendungskompetenz mit: Wir kennen die Produkte und Technologien unserer Hersteller im Detail – und wissen, wann eine Standardlösung passt und wann eine kundenspezifische Ausführung die bessere Wahl ist.
Immer wieder diskutiert wird der Fachkräftemangel in der Elektronik-Industrie. Wie begegnen Sie dieser Herausforderung?
Wir sind ein sehr kleines Unternehmen – und dennoch bilden wir regelmäßig aus. Für uns ist Ausbildung nicht nur ein betrieblicher Beitrag, sondern ein Teil unserer gesellschaftlichen Verantwortung. Diese Verantwortung betrifft nicht nur Unternehmen, sondern ebenso Verbände, Politik – und nicht zuletzt die junge Generation selbst.
Wer heute vor der Entscheidung steht, ob eine Ausbildung der richtige Weg ist, sollte eines bedenken: Produkte kann man weltweit online bestellen – aber jemand muss sie vor Ort fachgerecht einbauen, prüfen und in Betrieb nehmen. Und gute Arbeit verdient auch eine faire Bezahlung.
Ich bin überzeugt: Handwerk und Dienstleistung haben in Deutschland nicht nur eine Tradition – sondern auch eine Zukunft.
Welche Rolle spielt das Thema Nachhaltigkeit für Ihr Unternehmen?
Wir sind kein produzierendes Unternehmen – entsprechend haben wir weder hohe Energie- noch Vormaterialkosten. Auch das Abfallaufkommen im Handel bleibt bei uns überschaubar. Und dennoch haben wir früh damit begonnen, unsere Prozesse konsequent ressourcenschonend auszurichten.
Unsere Solaranlage ist passend dimensioniert, unser Fuhrpark ist elektrisch – ebenso wie die Fahrräder unserer Mitarbeitenden. Bei Verpackungen setzen wir auf Wiederverwendung: Viele der Versandmaterialien unserer Kunden nutzen wir mehrfach. Wegwerfverpackungen aus dem Onlinehandel – oft dünne, bedruckte Kartonagen – sehen wir kritisch, da sie sich kaum sinnvoll recyceln oder erneut einsetzen lassen.
Ein wichtiges Ziel, das wir seit Jahren verfolgen: null Prozent Transportschäden durch clevere Verpackungslösungen. Dafür haben wir intern das Bewusstsein für Qualität und Verantwortung geschärft – und als Team konsequent an besseren Lösungen gearbeitet.
Nachhaltigkeit ist fest in unserer Unternehmensstrategie verankert. Unser Handeln soll ökologisch sinnvoll, wirtschaftlich tragfähig und gesellschaftlich glaubwürdig sein – nicht nur heute, sondern auch morgen.
Immer wieder deutlich kritisiert werden aus dem deutschen Mittelstand die überbordenden Berichtspflichten, die im Lieferkettengesetz gipfelten und den deutschen Mittelstand einiges abverlangen. Wie wirken sich solche Pflichten auf einen KMU wie Alutronic Bauelemente aus?
Der Eindruck verfestigt sich zunehmend: Die wachsende Bürokratie führt dazu, dass sich Unternehmen gegenseitig mit immer neuen, unterschriftspflichtigen Reportings überhäufen. Ob aus Angst vor rechtlichen Konsequenzen, Unsicherheit oder getrieben durch externe Berater, die oft nicht ganz uneigennützig agieren – am Ende steht häufig der Satz: »Das müssen Sie noch erledigen – und wir unterstützen Sie gern dabei.«
Ein konkretes Beispiel: Wenn ein großer Branchenverband der Elektronikindustrie mit Hunderten Mitgliedern einen gemeinsamen Code of Conduct verabschiedet – warum verlangen viele dieser Unternehmen dann trotzdem weiterhin, dass ihre Geschäftspartner zusätzlich ihren firmeneigenen Verhaltenskodex unterzeichnen? Diese Vielzahl an parallelen Anforderungen schafft keine höhere Verbindlichkeit – sie erhöht lediglich den Aufwand und untergräbt das Ziel einheitlicher Standards.
Wir sind kein mittelständisches Unternehmen, sondern ein Kleinstbetrieb – und dennoch müssen wir dieselbe Vielzahl an Formularen, Erklärungen und Reports abgeben wie große Firmen. Der Unterschied: Ein Unternehmen mit 100 Mitarbeitenden kann sich juristische Unterstützung ins Haus holen. Bei uns ist das schlicht nicht möglich.
Täglich stehen wir im Spannungsfeld zwischen Gesetzestreue und Bürokratiebewältigung. Selbstverständlich wollen und müssen wir alle rechtlichen Vorgaben erfüllen. Was fehlt, ist einheitliche Struktur: eine zentrale, digitale Plattform für Unternehmensdaten, Produktinformationen und Standardreportings – etwa bei den IHKs, bei denen wir ohnehin Pflichtbeiträge leisten. Das wäre ein echter Schritt in Richtung Entlastung, Effizienz und Fairness – besonders für kleinere Unternehmen.
Was wäre aus wirtschaftlicher Sicht Ihr Wunsch an die aktuelle Bundesregierung?
Ein echter Fokus auf mittelständische und kleine Unternehmen – nicht nur in Sonntags- und Aschermittwochsreden, sondern konkret in der Wirtschaftspolitik verankert. Das wäre neu und dringend notwendig. Darüber hinaus wünschen wir uns, dass der öffentliche Sektor endlich konsequent digitalisiert wird – mit bundesweit einheitlichen, nutzerfreundlichen Prozessen. Es kann nicht sein, dass im Jahr 2025 jeder Landkreis weiterhin eigene Formulare entwickelt. Digitalisierung muss flächendeckend, praxisnah und verbindlich umgesetzt werden – sonst bleibt sie, was sie leider ist: Stückwerk.