Klopfen die Hersteller inzwischen auch verstärkt bei den Distributoren bzw. besteht die Bereitschaft, das Distributionsnetzwerk zu erweitern? Das hängt nach Ansicht von Roberto Dobrilla, Vertriebsleiter von MSC, vom Hersteller ab und ließe sich nicht verallgemeinern. Vor allem kleinere Hersteller suchten auf diesem Weg den Zugang zum Markt und hofften, sich über die Distribution die Türen zu öffnen. Große Hersteller hingegen haben sich ihr Distributionsnetz normalerweise gut eingerichtet und werden kaum von selbst anklopfen und ihr Distributionsnetz vergrößern. »Es ist bei Weitem nicht so, dass wir als Hersteller bei jedem Distributor auf der Linecard sein wollen, die Katalogdistribution einmal ausgenommen«, stellt Florian Schrott klar, Director Distribution EMEA von Maxim. Führen doch Strategieänderungen im Distributionsmodell immer auch zu negativen Effekten.
Denn, so Dietmar Jäger, Senior Director Sales Distribution, man schneide den Kuchen nur in mehrere Stücke, wenn man mehrere Distributoren ins Boot holt, und verliere an Wichtigkeit bei den anderen Distributoren. Epcos, heute eine Division von TDK-EPC, ist als ehemalige Siemens-Sparte klassisch gewachsen aus keiner Distribution - heute hat der Passiv-Hersteller in Europa drei Volumendistributoren. Und mehr werden es laut Jäger auch bis auf Weiteres nicht werden.
Denn mehr Distributoren bedeuten für den Hersteller auch mehr administrativen Aufwand und Kosten, betont Michael Wohs, Vice President Sales Europe and Emerging Markets von Osram Opto Semiconductors: »Wir haben mit unseren Distributionsparnern eine gute Marktabdeckung. Das Distributionsnetz zu erweitern, ohne die Reichweite verbessern, macht also meines Erachtens keinen Sinn. Ist die Distribution das günstigste Vertriebsmodell für einen Hersteller? Das kommt laut Wohs auf die Kundenbasis an: »Für einen fragmentierten Markt ist es nicht nur das günstigste, sondern meiner Ansicht nach das einzig mögliche. Ein Hersteller kann alleine keine hunderttausend Kunden betreuen.«
Direktkunde ist nicht mehr unbedingt ein Privileg
Nach den Erfahrungen von Florian Schrott, Director EMEA Distriubtion von Maxim, geben aber nicht nur die Hersteller Geschäft ab, sondern zum Teil wollen die Kunden auch von sich aus zum Distributor wechseln. Hat also das Privileg des Direktkunden an Bedeutung verloren?
Direkt kaufen will der Kunde vor allem dann, wenn er meint, dass er billiger kauft, erklären die Hersteller der Diskussionsrunde. Aber die Abnahmemengen sind dann auch entsprechend groß. Arbeitet der Hersteller Back-to-Back, dann muss der Kunde längere Lieferzeiten in Kauf nehmen als beim Distributor. Hinzu kommt der Zeitversatz zwischen Bestelleingang und -ausgang, der beim Hersteller deutlich höher ist als bei den Distributoren: Dort verlässt die Ware oft schon wenige Stunden nach dem Bestelleingang das Lager in Richtung Kunde. Das ist natürlich auch ein positiver Nebeneffekt der Logistik-Expertise, die die Distributoren aller Ausprägungen - vom Katalogdistributor über kleine Spezialisten bis hin zum großen Broadliner - für sich in Anspruch nimmt. Hersteller oder Distributor: Vorteile hat beides. Wer aber Logistikkonzepte und Design-In-Support braucht, ist beim Distributor sicher besser aufgehoben. Außerdem ist die Trennung zwischen Direkt- und Distributionsgeschäft nicht immer kategorisch. Üblich sind auch Mix-Modelle, bei denen der Hersteller die technische und der Distributor die logistische Betreuung des Kunden übernimmt.