In letzter Zeit wurden Spezifikationen, die als Teil der 4G-Mobilfunkstandards eingeführt wurden, wie z.B. Narrow-Band NB-IoT und LTE-M für Machine-to-Machine-Kommunikation, stärker auf die Anforderungen von IoT-Nutzern zugeschnitten. Allerdings sind diese nach wie vor darauf ausgerichtet, Remote-Sensoren zu verbinden, die in der Regel kleine Datenpakete in bestimmten Zeitabständen senden. Sie bieten nicht die notwendige Sicherheit in Bezug auf Latenz und Determinismus, um die Fernsteuerung von Prozessen über zellulare Verbindungen zu ermöglichen.
Die Einführung von 5G könnte nun alles ändern und drahtlos verbundene Anlagen im gesamten Unternehmen in die Lage versetzen, für sämtliche Aufgaben von der drahtlosen E/A- und Sensorvernetzung bis hin zur zeitkritischen vernetzten Steuerung direkt mit dem Netzwerk zu kommunizieren.
5G in der Fabrik- und Prozessautomatisierung
Im Gegensatz zu früheren Mobilfunk-Kommunikationstechnologien umfasst 5G Vorkehrungen für Ultra-Reliable Low-Latency Communications (URLLC) und Massive Machine-Type Communication (mMTC), die industrielle Anwendungen einschließlich der hochdichten Sensorvernetzung und Hochgeschwindigkeitsautomatisierung ermöglichen. Dadurch sind 5G-Verbindungen in der Lage, die Anforderungen von Prozessautomatisierungs- und Fabrikautomatisierungsaufgaben wie Bewegungssteuerung, Controller-to-Controller-Kommunikation, Closed-Loop-Steuerung und Kommunikation mit mobilen Robotern sowie Anlagenverwaltung, Fernüberwachung und -wartung und verteilte Sensorvernetzung in einem bisher unerreichten Umfang zu erfüllen. Die hohe Bandbreite, niedrige Latenz und Zuverlässigkeit von 5G wird auch Augmented-Reality-Anwendungen zur Unterstützung von Produktionspersonal und Servicetechnikern ermöglichen.
5G kann mit kabelgebundenen Technologien auf derselben Maschine oder Produktionslinie integriert werden, und es gibt auch bereits integrierte Sicherheitsvorkehrungen, um Verfügbarkeit, Integrität und Vertraulichkeit zu gewährleisten. Darüber hinaus bieten die 5G-Spezifikationen die Funktionalität, die für die Integration von 5G mit kabelgebundenem Ethernet-TSN für Anwendungen in der Industrieautomatisierung erforderlich ist.
Während das Third-Generation Partnership Project (3GPP) für die Entwicklung der 5G-Standards verantwortlich ist, hat sich die 5G Alliance for Connected Industries and Automation (5G-ACIA) gebildet, um sicherzustellen, dass die Weiterentwicklung der Standards auch weiterhin den Anforderungen der industriellen Anwender gerecht wird.
3GPP hat vier Datenverkehrskategorien für Fabrik- und Prozessautomatisierungs-Anwendungen definiert und jeweils Quality-of-Service- (QoS) Anforderungen festgelegt. Die wichtigsten QoS-Parameter sind die Verfügbarkeit des Dienstes, die Zuverlässigkeit des Dienstes, die Ende-zu-Ende-Latenz und die vom Benutzer erreichte Datenrate. Zu den sekundären Anforderungen zählen Nachrichtengröße, Übertragungsintervall, Lebensdauer, Geschwindigkeit der Benutzergeräte (UE), Anzahl der UEs und Service-Bereich. Zusätzliche Anforderungen wie Datenaktualität, Positions- und Zeitsynchronität sowie allgemeine QoS-Anforderungen gelten für alle Kommunikationsdienste.
Unter den vier Verkehrskategorien unterliegt die periodische, deterministische Kommunikation den strengsten Anforderungen. Für diese gewährleistet 5G eine Ende-zu-Ende-Latenz von bis zu 0,5 ms und eine Zeitsynchronität von besser als 1 µs für Motion-Control-Anwendungen. Die Spezifikationen ermöglichen darüber hinaus Slicing und Isolierung, sodass Benutzer mehrere unabhängige virtuelle Netzwerke für unterschiedliche Kommunikationsaufgaben erstellen können.
Die Einführung von 5G bietet Unternehmen auch die Möglichkeit, private Netzwerke (auch bekannt als Non-Public Networks (NPN)) einzurichten, um öffentliche Dienste wie Sprachanrufe, Video und Internetdatenverkehr QoS für industrielle Anwendungen zu verhindern. Das NPN kann als eigenständiges, privates Netzwerk implementiert werden, das am Standort des Anwenders installiert wird, z.B. in einer Fabrikhalle oder einer Industrieanlage. Zum anderen kann ein NPN auch als virtuelles Netzwerk eingerichtet werden, das in einem öffentlichen Netzwerk gehostet wird. Die Kontinuität von Diensten zwischen nichtöffentlichen und öffentlichen 5G-Netzen sowie die Unterstützung von Mobilität zwischen 5G- und 4G-Kernnetzen sind gegeben.
Während sich 5G auf den Einsatz in industriellen Anwendungen vorbereitet, hat Siemens ein privates, eigenständiges 5G-Netzwerk in einer industriellen Umgebung vorgestellt. Dieses Netz wird genutzt, um verschiedene Aspekte der 5G-Performance im industriellen Kontext zu testen, wie z.B. die Zuverlässigkeit der drahtlosen Kommunikation, das Echtzeitverhalten und die Sicherheit bei Interaktionen zwischen Mensch und Maschine. Das Unternehmen plant, den ersten industriellen 5G-Router, den Scalance MUM856-1, im Frühjahr 2021 auf den Markt zu bringen. Der Router wurde für Anwendungen in anspruchsvollen Industrieumgebungen entwickelt, verfügt über ein IP65-Gehäuse, unterstützt 4G und 5G und kann sowohl in öffentlichen als auch in privaten 5G-Campusnetzen eingesetzt werden.
5G für den standortweiten Einsatz
Da die Fertigung immer intelligenter und autonomer wird und auf Fernsteuerung, -verwaltung und -wartung angewiesen ist, steigen auch die Leistungsanforderungen an drahtlose Verbindungen. Bekannte und etablierte Standards wie Bluetooth und WLAN haben sich weiterentwickelt und erfüllen die Anforderungen an hohe Zuverlässigkeit, schnellen Datendurchsatz und niedrige Latenzzeiten. Auf der anderen Seite bietet 5G nun die Möglichkeit, sich direkt mit einer Vielzahl von industriellen Anlagen zu vernetzen, und liefert die Performance, Skalierbarkeit und Zuverlässigkeit, um Anwendungen von der großflächigen Sensorvernetzung bis zur Hochgeschwindigkeitsautomatisierung zu ermöglichen.