Uwe Rahn, Rutronik Automotive

"Deutschland muss zum Leitmarkt für Elektromobilität werden"

5. August 2024, 11:51 Uhr | Karin Zühlke
Uwe Rahn, Rutronik: »The Next Big Thing« – so bezeichnen wir in der ABU unser nächstes Großprojekt – entwickeln wir speziell für die Region Asien bzw. ASEAN gemeinsam mit unseren Partnern. Es konzentriert sich auf das Thema 48-V-Micromobility für Light Electrical Vehicles.«
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Was ist das Next Big Thing von Rutronik Automotive? Welche Vorteile bringt Siliciumcarbid oder Galliumnitrid für den Automotive-Sektor und warum beim autonomen Fahren eine Toleranz gegenüber Fehlentscheidungen definiert werden muss: Die Antworten hat Uwe Rahn, Rutronik Automotive.

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Was Rutronik dazu beiträgt und was es mit dem »Next Big Thing« von Rutronik Automotive auf sich hat, erklärt er im Markt&Technik-Gespräch.

Markt&Technik: Welche Neuerungen gab es in der Automotive Business Unit von Rutronik in den letzten zwölf Monaten?

Uwe Rahn: In dem Zeitraum stand für uns vor allem der weitere Aufbau unseres ABU-Teams um einige Kollegen in Bangkok im Fokus. Diese sind spezialisiert auf die Region Südostasien. Einen ersten gemeinsamen Auftritt gab es im Mai dieses Jahres auf der Future Mobility Asia in Bangkok, den wir mit unserem langjährigen Partner Peter Gresch und seinem Unternehmen JPW mit Sitz in Singapore erfolgreich absolvierten. Diese Messe ist führend in Südostasien und konzentrierte sich 2024 auf die Bereiche E-Charger, Batteriemanagement und Ladeinfrastruktur in urbanen Bereichen.

Nach dem ersten Auftritt in Bangalore bei der electronica Indien im September 2023 haben wir zudem unsere Kampagnen zum Thema 48-V-Micromobility nach Istanbul gebracht. Aktuell arbeiten wir mit Hochdruck an unserer ersten Automotive Convention in Detroit, die im Oktober 2024 stattfinden wird. Damit wir unsere gesamte Kompetenz um Future Mobility einem amerikanischen Publikum präsentieren können, pausiert in diesem Jahr auch unser Pforzheimer Automotive Congress.

Wie verändert sich derzeit der Automotive-Elektronik-Markt aufgrund des zu erwartenden Zulassungs- bzw. Produktionsendes von Benzin- und Diesel-Fahrzeugen?

Wir erkennen in der Retrospektive des letzten Jahrzehnts die signifikante Zunahme an elektronischen Systemen und Komponenten in der Automobilindustrie speziell für neue e-Plattformen der OEMs. Die Schnittstellen zwischen den verschiedenen Komponenten sind Steuergeräte und Wandler. Diese elektronischen Bauteile steuern die elektrischen Komponenten wie Speicher, Antriebsmotoren, Hilfsaggregate an und machen die energetische Versorgung der Motoren erst möglich.

Auf der Bauteilebene sehen wir, dass bestimmte Sensoren, die speziell für Verbrennungsmotoren entwickelt wurden, wie zum Beispiel Drucksensoren für den Öldruck im Getriebe, nicht mehr im Fokus der Hersteller sind und entsprechend kaum neue Entwicklungen oder Folgegenerationen existieren. Dafür kommen jedoch diverse neue Sensoren auf den Markt wie z. B. Gassensoren zur Überwachung der Batteriezellen.

Mit den Verbrennern verabschieden sich aber auch einige kleine Steuergeräte oder werden in andere ECUs wie z. B. Zonen-Controller integriert. Glühzeit-Steuergeräte oder Elektronik für die Vorheizung eines Katalysators verschwinden ganz.

Die Fahrzeugelektronik wird sich mehr und mehr in einigen großen Steuergeräten konzentrieren. Aufgrund von deren Komplexität werden diese von den Fahrzeugbauern gemeinsam mit Komponentenherstellern oder von großen Tier-Ones im Auftrag von OEMs entwickelt und gefertigt.

Dazu kommt, dass durch regulatorische Vorgaben und Eingriffe in den Markt, sei es durch Zuschüsse, Zölle oder Embargos, die Visibilität und Planbarkeit diffiziler wird. Der globale Markt wird aber auch zunehmend inhomogener, je nach lokalen regulatorischen Vorgaben, aber auch je nach dem Ausbau der Ladeinfrastruktur.

Wann kommt der Elektromobilitätsschub in Deutschland? Momentan überwiegen ja bei Weitem noch die klassischen Fahrzeuge.

Mit der Elektromobilität deutet sich nach weit mehr als 100 Jahren Entwicklungsgeschichte des Verbrennungsmotors im Straßenverkehr eine technologische Zeitenwende im Verkehrsbereich an. Die Elektrifizierung der Antriebe ist eine ganz wesentliche Stellschraube für eine zukunftsfähige Mobilität. Sie bietet die Chance, die Abhängigkeit vom Öl zu reduzieren, Emissionen zu minimieren und die Fahrzeuge besser in ein multimodales Verkehrssystem zu integrieren.

So waren 2020 genau 14 Prozent aller neuen Fahrzeuge elektrisch, 2023 stieg der Anteil auf 18,4 Prozent. Damit ist der europäische Kontinent nach China der zweitgrößte Markt für E-Autos und Plug-in-Hybride. Hier wurden im letzten Jahr insgesamt 15 Prozent mehr abgesetzt als noch in 2022. Damit wir in Deutschland künftig im internationalen Wettbewerb bestehen können, müssen wir zum Leitmarkt für Elektromobilität werden und unsere Führungsrolle sowohl im Bereich Wissenschaft und Entwicklung, als auch der Automobil- und Zulieferindustrie behaupten.

Der Einstieg in die Elektromobilität ist auch noch kurzfristig über Hybridfahrzeuge möglich. Viele Technologien für elektrische Antriebe, Energiespeicher und Netzinfrastruktur sind in ihren Grundlagen entwickelt, bei den Batterien besteht jedoch noch ein hoher Innovations- und Optimierungsbedarf z. B. hin zur Feststoffzelle, um den Anforderungen des Marktes längerfristig zu genügen.

Plug-in-Hybridfahrzeuge und kleine 48-Volt-Elektrofahrzeuge mit Reichweiten für den urbanen Raum werden in kürzester Zeit die Marktreife erlangen. Ein signifikanter Marktanteil der Elektrofahrzeuge wird jedoch in den 2040ern erwartet – denn die noch bestehenden technologischen und wirtschaftlichen Herausforderungen benötigen noch Raum und Zeit.

Der Knackpunkt, um eine breitere Käuferschicht zu überzeugen, liegt in der preislichen Konkurrenzfähigkeit der Elektroautos gegenüber Verbrennerfahrzeugen. Das gilt nicht nur für den Anschaffungspreis, den Werteverfall bei Gebrauchten, sondern auch für die laufenden Kosten inklusive Reparaturen. Bedauerlicherweise muss der Neuwagen für maximal 25.000 Euro in Europa derzeit erst noch gebaut werden. Wir bei Rutronik und ich selbst natürlich auch sind von der Zukunft der Elektromobilität überzeugt. Jedoch erwarten wir hier eine sukzessive Transition der Fahrzeuge und keine steile Flanke.

 

"Auch die beste Maschine wird in einem Umfeld mit irrationalen Teilnehmern, also Menschen, Fehler machen."

 

Wo stehen wir derzeit bei der Entwicklung von autonom fahrenden PKWs?

Für dieses Szenario sind mehrere Aspekte zu beachten: das komplexe Zusammenspiel verschiedener Komponenten und der Sicherheitsaspekt, insbesondere – aber nicht nur – im urbanen Raum. Momentan arbeiten die OEMs an Level-4-Fahrzeugen der nächsten Generation. Ein Beispiel wäre VW mit seinem für China entwickelten ID Code.

Bis jedoch das »echte« autonome Fahren mit Level 5 Realität wird, vergehen noch einige Jahre, zumal meines Erachtens derzeit nur einige wenige hochentwickelte Städte wie Singapur in der Lage sind, die nötige Infrastruktur für solche Vorhaben zu realisieren.

Dieses Thema wurde auch auf der Podiumsdiskussion unseres Rutronik Automotive Congress 2023 heiß diskutiert. Die Teilnehmer wiesen immer wieder auf den nötigen Business-Case hin, damit sich diese bisher sehr kostenintensive Technologie durchsetzen kann. Das Geschäftsmodell zeichnet sich heute eher im gewerblichen Bereich ab, bei Nutz- und Landfahrzeugen, Shuttles und Taxis. Auch muss sich nicht nur die Technologie in den Fahrzeugen weiterentwickeln, sondern auch die Fahrkultur der Menschen. Damit meine ich vor allem die Akzeptanz der Koexistenz von Menschen und Maschinen im Güter- und Straßenverkehr.

Rahn uwe
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Dazu kommt noch die zu definierende und in der Gesellschaft angenommene Toleranz gegenüber Fehlentscheidungen, denn auch die beste Maschine wird in einem Umfeld mit irrationalen Teilnehmern, also Menschen, Fehler machen. Wo ist da die gesellschaftlich akzeptierte Toleranzgrenze? Bei 100 weniger Fehlern als bei einem menschlichen Fahrer oder bei 1 Million?

An welchen Proof-of-Concepts arbeitet die Rutronik Automotive Business Unit derzeit?

»The Next Big Thing« – so bezeichnen wir in der ABU unser nächstes Großprojekt – entwickeln wir speziell für die Region Asien bzw. ASEAN gemeinsam mit unseren Partnern. Es konzentriert sich auf das Thema 48-V-Micromobility für Light Electrical Vehicles (LEV). Denn unsere Marktanalysen zeigen, dass mit 48 Volt betriebene LEVs das größte Segment im Bereich E-Mobility werden, da hier recht schnell ein optimales Preis-Leistungs-Verhältnis erreicht werden kann. LEVs umfassen eine breite Palette von Fahrzeugen, von E-Scootern und E-Bikes bis hin zu drei- und vierrädrigen Versionen, eingeteilt in Kategorien von L1e bis L7e, die sich in Größe, Gewicht, Antriebsleistung und Höchstgeschwindigkeit unterscheiden. Je nach Kategorie können diese Fahrzeuge Geschwindigkeiten von 25 oder 45 km/h und höhere bis zu 100 km/h erreichen.

Von den Vorteilen dieser Fahrzeuge profitieren zum Beispiel Kurzstreckenfahrer in städtischen Gebieten (City-Car) mit begrenztem Parkraum, engen Parkhäusern und Tiefgaragen, oder Menschen mit geringerem Einkommen, die damit eine kostengünstige Mobilitätslösung erhalten. Weitere denkbare Einsatzoptionen wären u. a. persönliche Nutzfahrzeuge für Kleingewerbetreibende, Golf-Carts oder schwere Nutzfahrzeuge mit niedriger Geschwindigkeit, die sich überwiegend in einem kleineren Radius fortbewegen. Aber auch aufstrebende Märkte in Schwellenländern, die über keine oder lediglich geringe Infrastruktur für DC-Schnellladegeräte verfügen, können diese optimal einsetzen.

Diese kostenoptimierte E-Mobility-Lösung ist möglich, da sie generell, bei den Bauteilen angefangen über die Entwicklung bis hin zur Serienproduktion, viel geringere Motorkosten verursacht als Hochvolt-batteriebetriebene Fahrzeuge (HV-BEV) mit 400 V oder 800 V: So betragen die Kosten eines DC-Link-Kondensators für Wechselrichter nur ein Viertel im Vergleich zu entsprechenden Hochspannungskomponenten. Auch die Leistungsendstufe des Traktionsinverters kann mit gängigen diskreten Bauteilen aufgebaut werden. Auch bergen sie kein übermäßiges Risiko durch die hohen Spannungen der HV-BEVs.

Unser Ansatz umfasst die technologischen Bereiche Traktionswechselrichter mit 15 kW Spitze, einen On-Board-Charger für 48-V-Systeme, einen DC/DC-Converter für bis zu 1 kW und die e-Fuse für 48-V-Systeme zur Absicherung des OBC und der Batterie sowie das passende Batteriemanagementsystem (BMC + CMS) mit Samsung-SDI-Zellen. Ergänzend dazu liefern wir natürlich das optimale Systemdesign und nutzen ausschließlich Komponenten, die auf der Rutronik-Linecard zu finden sind.

Welche Rolle spielt Wasserstoff als alternativer Treibstoff in der Zukunft der Automobilindustrie?

Hier wird es noch final zu klären sein, welcher Treibstoff und entsprechend welche Antriebslösung für welchen Anwendungsfall die ökologisch und ökonomisch am sinnvollste ist. Bei PKWs scheinen sich die BEVs durchgesetzt zu haben, hier erwarten wir ab 2026/27 einen Elektromobilitätsschub, da sich bis dahin auch die Ladeinfrastruktur signifikant verbessern wird. Aktuell arbeiten die Tankstellen daran, die entsprechenden Systeme in ihre bestehenden Konzepte zu integrieren, um Kunden weiterhin zu binden, die zu einem E-Fahrzeug gewechselt sind.

Im Bereich der Nutzfahrzeuge sieht dies anders aus. An dieser Stelle muss man unterscheiden, ob diese im Stadt- oder Fernverkehr eingesetzt werden. In urbanen Bereichen, zum Beispiel bei Bussen im öffentlichen Nahverkehr, sind batteriebetriebene Lösungen gesetzt. Im Gegensatz dazu ist eine klare Tendenz im außerstädtischen Transportwesen noch nicht abzusehen. Vielmehr beobachten wir, dass verschiedene Konzepte verfolgt werden und manche Unternehmen eine duale Strategie fahren. So wird einerseits die Forschung an batteriebetriebenen Nutzfahrzeugen vorangetrieben. Es zeigt sich aber, dass hier die vorhandene Ladeinfrastruktur zum Problem wird. Daher wird andererseits auch intensiv an der Entwicklung von Lösungen für LKWs mit Wasserstoff-Brennstoffzellen-Antrieb oder Wasserstoff-Verbrennungsmotoren gearbeitet.

Auf dem Rutronik Automotive Congress 2022 erläuterte Prof. Dr. Karl-Viktor Schaller von der Technischen Universität München, dass der Antrieb mit Wasserstoff-Brennstoffzellen seine Stärken besonders bei LKWs mit hoher Reichweite und hoher Jahresfahrleistung ausspiele. Bei PKWs sehen wir den Einsatz von Wasserstoff nicht vor 2030.

Das zentrale Problem hierbei ist, dass Wasserstoff in der Natur nicht ungebunden vorhanden ist. Er muss unter hohem Energieaufwand per Elektrolyse aus Wassermolekülen extrahiert werden. Das macht den sogenannten grauen Wasserstoff, der derzeit noch einen Großteil des erzeugten Brennstoffes stellt, ökonomisch und ökologisch problematisch. Richtig umweltfreundlich wird er nur bei einer Produktion mit regenerativer grüner Energie.

Wie beeinflussen Umweltauflagen und Emissionsstandards die Entwicklung und Produktion von Autos?

2021 stellte die EU-Kommission das Gesetzespaket »Fit for 55« zur konkreten Umsetzung des European Green Deals vor. Damit möchte man das Ziel erreichen, die Treibhausgasemissionen in der EU bis 2030 um 55 Prozent gegenüber 1990 zu verringern und Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent zu gestalten. Die vorgeschlagenen Maßnahmen in den Bereichen Verkehr, Energieerzeugung, Gebäude und Landnutzung sollen außerdem die Wettbewerbsfähigkeit der EU erhöhen und Länder außerhalb der EU zu einem nachhaltigen Wirtschaften anregen.

Der Verband der Automobilindustrie begrüßt das »Fit for 55«-Paket mit den Zielen und Ambitionen ausdrücklich, wies jedoch auf den längerfristigen Bedarf von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor in einigen Wirtschaftsbereichen und die benötigte Zeit für die vollständige Transformation der Automobilindustrie hin.

Weiterhin würden durch die Euro-7-Vorgaben der EU die daraus resultierenden Kosten dazu führen, dass sich dies nur für Luxusfahrzeuge betriebswirtschaftlich rechnet. Das bedeutet: keine Klein- oder Kleinstfahrzeuge mehr!

Wie verändert sich das elektronische Design von Autos, um den Anforderungen der Nachhaltigkeit gerecht zu werden?

Die Nachfrage nach Technologien, die ein schnelleres Laden und höhere Reichweiten von Elektrofahrzeugen ermöglichen, wächst. Beides ist ausschlaggebend, damit sich E-Autos durchsetzen und sich die »German Reichweiten-Angst« verliert. In neuen, zukünftigen Ladestationen werden neue Halbleiter auf SiC- oder GaN-Basis zum Einsatz kommen, die die Ladezeit auf acht bis zehn Minuten reduzieren können. Innovationen wie das Active Battery-Balancing steigern heute Kapazität, Reichweite und Lebensdauer von Batterien um mehr als zehn Prozent. Um die Wirkkraft von elektrischen Fahrzeugen zu steigern, gibt es weitere Ansatzpunkte. Das gelingt zum Beispiel, wenn die Batterie nur bei konkretem Strombedarf Energie zur Verfügung stellt und wenn Klimaanlage und Heizung so effizient wie möglich konstruiert werden.

Der Einsatz fortschrittlicher Komponenten ermöglicht zudem Vorteile wie die Verkleinerung des benötigten Bauraumes, einhergehend mit reduziertem Gewicht der Baugruppen im Fahrzeug und somit einer weiteren Verringerung der CO2 -Emissionen des Fahrzeugs. Das Thema Nachhaltigkeit beim Elektroauto ist komplex und befindet sich auch noch beständig im Wandel. Dabei werden Studien zur Nachhaltigkeit von Elektroautos immer detaillierter. So betrachtet man heute das moderne Elektrofahrzeug in einem Life-Cycle-Assessment, das den gesamten Entstehungs- und Lebenszyklus berücksichtigt. Am Ende der Studien wird immer klarer: Elektroautos sind bei typischem Nutzungsverhalten nachhaltiger als fossil betriebene PKWs. Und: Dieser Umstand wird sich noch weiter zugunsten von Elektroautos verschieben, je nachhaltiger die Energieversorgung im jeweiligen Land gestaltet wird.

Inwieweit hat sich die Lieferkette für die Elektronik im Automotive-Segment in den letzten Jahren verändert?

Global vernetzte Lieferketten und Wertschöpfungskreisläufe bieten OEMs den Vorteil, sich die Spezialisierung und unterschiedliche Kostenstrukturen weltweiter Produktions- und Entwicklungsstandorte im Portfolio heimischer Unternehmen nutzbar zu machen. Lange Transportwege und intransparente Lieferbeziehungen machen diesen hohen Grad der Globalisierung jedoch ökologisch und sozial bedenklich.

Naturkatastrophen, Extremwetterereignisse und die Folgen der Covid-Pandemie zeigen eindrücklich die Anfälligkeit dieses hohen internationalen Vernetzungsgrades. Die Folgen des Klimawandels, politische Verwerfungen oder Störungen der Welthandelsbeziehungen werden die ökonomische Effizienz mutmaßlich weiter schwächen.

Nach den erhöhten Anforderungen an nachhaltige Produkte und Lieferketten durch das Klimaschutzgesetz und den europäischen Green Deal wird sich der Kostendruck auf die Automobilbranche insgesamt weiter erhöhen. Man wird sich dem sich weiter verschärfenden Fachkräftemangel und dem Eindringen finanzkräftiger globaler Technologiekonzerne in den Mobilitätsmarkt stellen müssen. Zudem müssen wir uns in Europa durch das Aufstreben asiatischer Zulieferer in die Industrie zusätzlich auf ein schwierigeres Umfeld einstellen.

Rutronik ist seit letztem Jahr Logistik-Partner eines süddeutschen OEM und im Rahmen dieser Zusammenarbeit für die Bevorratung von elektronischen Komponenten in z. B. Neuanläufen von Fahrzeugplattformen oder für die Übernahme und Lagerung von Komponentenüberbeständen bei den Tier-One-Partnern des OEM zuständig. Mittlerweile bekommen wir auch von anderen großen Wettbewerbern ähnliche Anfragen zu diesem bislang einzigartigen Dienstleistungsmodell der Firma Rutronik.

Siliciumcarbid und Galliumnitrid

Welche Vorteile verbinden Sie mit Siliciumcarbid oder Galliumnitrid für den Automotive-Sektor?

Mich beeindruckt die rasante Entwicklung der Leistungselektronik im Zusammenhang mit der Elektromobilität. Neue Technologien auf der Basis von Siliziumkarbid und zukünftig Galliumnitrid ermöglichen ganz neue Leistungsdichten und Wirkungsgrade durch Spannungs-Level bis zukünftig 2000 V, kürzere Schaltzeiten und weniger Schaltverluste und somit eine geringere Erwärmung des Bauteils.

Durch die Elektrifizierung und den Einsatz von Hochvolt-Bordnetzen ist es entscheidend, Komponenten im Bordnetz bei Fehlfunktionen oder Unfällen schnell und sicher von der Hochvoltbatterie zu trennen. Alternativen zu mechanischen Lösungen werden immer gefragter, um zum Beispiel die Lebensdauer der Batterie zu erhalten, Verbraucher in anderen Spannungs-Levels zu schützen und die Insassensicherheit zu gewährleisten.

Zusammen mit Vishay haben wir bereits 2022 ein entsprechendes Proof-of-Concept eines HV-Schalters, einer sogenannten eFuse, entwickelt. Mittlerweile befinden sich mehrere dieser Demos bei verschiedenen Tier-One- und OEM-Kunden zum Test in deren Hochvolt-Forschungslaboren. Durch unser PoC gelten wir mit der ABU als einer der Pioniere dieser neuen HV-Topologien und sind natürlich besonders stolz, bereits Lösungsansätze präsentieren zu können, von denen unsere Kunden profitieren. Die Resonanz ist gut und wir stellen fest, dass auf Halbleiter basierende HV-Schalter von vielen Marktteilnehmern gerade durchdacht oder für die nächsten Fahrzeuggenerationen evaluiert werden. Unser Proof-of-Concept demonstriert den Entwicklern, mit welchen Bauelementen und Schaltungen bestimmte Funktionen innerhalb einer HV-eFuse realisiert werden können. Wir stellen dafür die gesamten Unterlagen, also Topologie und BOM, kostenfrei zur Verfügung und verkürzen somit die Time to Market für die Eigenentwicklungen unserer interessierten Kunden.

Und welche allgemeinen Trends sind in der Automobilindustrie in den nächsten fünf Jahren zu erwarten?

Hier sind meines Erachtens nach vier Schwerpunkte zu nennen: Neben den bereits diskutierten Antriebssystemen der Zukunft und intelligenten Hochvolt-Bordnetzen werden neue Technologien im Bereich Fahrassistenzsysteme sowie Licht und Sicht für noch mehr Sicherheit sorgen.

Die Lösungen im Bereich Licht und Sicht erfordern ein Zusammenspiel verschiedener elektronischer Komponenten, das als hochkomplexes Gesamtsystem betrachtet werden muss. So erlaubt die Kombination aus verschiedenen Elementen mittlerweile nicht nur eine flexible Ausleuchtung und eine partielle Steuerung der Lichtleistung. Es können beispielsweise auch Warnhinweise mit neuester MicroLED-Technologie auf die Straße projiziert werden. Damit bieten die Technologien einen echten Mehrwert im Hinblick auf Sicherheit. Auch rückt die emotionalisierende Eigenschaft von Licht häufiger in den Fokus. Automobilhersteller nutzen vermehrt Animationen und eine besondere Lichtsignatur, um sich abzuheben und den Fahrern eine einzigartige Customer-Experience, sowohl im Exterieur als auch im Interieur, anzubieten. Dies gilt derzeit insbesondere für die Kundenklientel in asiatischen Märkten.

Ein weiterer interessanter Ansatz ist das Verschmelzen des Beleuchtungsmarktes mit dem wachsenden Interesse an Lidar-Sensoren für das automatisierte Fahren auf Level 2+.

Die kompakten Lidar-Sensoren der kommenden Fahrzeuggenerationen werden dann in Eckbeleuchtungen und im Dachbereich integriert sein, um so ein noch größeres Sensorfeld abzudecken. Für ein optimales Ergebnis ist es sinnvoll, die für unterschiedliche Distanzen geeigneten Technologien Ultraschall, Radar und Lidar miteinander zu kombinieren.


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