Kommentar

China prescht auf die Überholspur

30. Mai 2018, 13:41 Uhr | Engelbert Hopf Chefreporter • EHopf@markt-technik.de
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Eigentlich dürfte sich die deutsche Wirtschaft ja geschmeichelt fühlen, so gilt in China eine Kopie als Ausdruck größter Wertschätzung gegenüber dem Original. Man sollte also stolz darauf sein, dass Deutschlands Industrie-4.0-Initiative offenbar als Leitfaden für Chinas »Made in China 2025« diente.

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So richtige Freude darüber mag aber nicht aufkommen. Vielmehr wird die Kopie inzwischen als Bedrohung empfunden.

Nun kann man einwenden, dass Deutschlands Industrie-4.0-Initiative auf eine effizientere Vernetzung von Produktionsprozessen zielt, während sich „Made in China 2025“ zum Ziel gesetzt hat, die produzierende Industrie in China auf ein Niveau „Industrie 3.0“ zu heben. „Klasse statt Masse“ heißt darum die Marschrichtung für die Zukunft. Eine Zielsetzung, die dazu geführt hat, dass die angedrohten US-Strafzölle vor allem Chinas High-Tech-Industrie ins Visier nehmen.

Wer heute jedoch versucht, China über Strafzölle einzubremsen, kommt aber vermutlich 20 Jahre zu spät. Kapitalismus und freie Marktwirtschaft mögen viele Vorteile haben; ein entfesselter Kapitalismus an der Leine einer zentral gesteuerten Wirtschafts- und Finanzpolitik dürfte mittelfristig erfolgreicher sein. Ein Erfolg, von dem sich jeder bei einer Tour durch die Boom-Städte des chinesischen Wirtschaftsaufschwungs überzeugen kann.

Anfang 2018 wurde „Made in China 2025“ aktualisiert. Ziel ist es nun unter anderem, bis 2025 zum weltweit führenden Hersteller für Telekommunikations-, Bahn- und Strom­erzeugungsanlagen zu werden. Mittelwertig bis billig, das ist die Position Chinas in vielen Industriebereichen heute noch. Ziel ist es, Nr. 1 in Forschung und Entwicklung und den daraus resultierenden Anwendungen zu werden. Diesem Zweck soll auch die Erhöhung des Anteils von Kernkomponenten, die aus China stammen, dienen. Ihr Anteil an der chinesischen Wirtschaft soll von 40 Prozent im Jahr 2020 auf 70 Prozent bis 2025 ansteigen.

Zu beobachten ist dieses Streben unter anderem im Bereich Leistungselektronik – in den Augen der chinesischen Führung eine Schlüsseltechnologie für die Bereiche Energie- und Automatisierungstechnik, aber auch für das Automotive-Segment. Entsprechend investiert sie in MOSFET-, IGBT- und SiC-Technologie. Es dürfte nur noch eine Frage der Zeit sein, bis die ersten chinesischen Hersteller auf der PCIM in Nürnberg auftauchen. Ihre ersten Produkte werden mit Sicherheit in Planar-Technik gefertigt sein, Trench-Lösungen dürften aber angesichts der Lernkurve in anderen Technologiebereichen nur eine Frage der Zeit sein.

Stellt „Made in China 2025“ also eine elementare Gefährdung für die westlichen Industrienationen dar? Wie intensivem Wettbewerb am besten zu begegnen ist, hat Intel-Mitgründer Andy Grove schon vor langer Zeit beantwortet: »Nur die Paranoiden überleben!«


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