Wenig Planungssicherheit in der Lieferkette

Aus den Lieferengpässen nichts gelernt?

3. März 2011, 11:16 Uhr | Karin Zühlke
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Marktschwankungen sehr genau beobachten

Dass es aber nicht unbedingt für mehr Planungssicherheit sorgt, jede Prognose unreflektiert für bare Münze zu nehmen, haben die Erfahrungen der letzten zwei Jahre gezeigt: Selbst die komplexesten Analysen und Prognosemodelle renommierter Marktforscher lagen teils um die Hälfte daneben. Abfedern können solche Unwägbarkeiten nur eine sehr enge Zusammenarbeit in der Lieferkette und das richtige »Gefühl« für die Prognosen und nicht zuletzt für die Forecasts der Kunden, betonten die Teilnehmer der Forumsrunde. »Wir müssen die Marktschwankungen sehr genau beobachten und erkennen, denn sonst bricht das System zusammen«, gibt Lutz van Remmen, Sales Manager Geography & Distribution, Freescale, zu bedenken. So sei es im letzten Jahr phasenweise einfach nicht mehr möglich gewesen, die Bestellungen zu erfüllen, weil alleine die physikalischen Durchlaufzeiten eines Halbleiterherstellers nicht mit den Wünschen der Kunden in Einklang zu bringen waren.

Nach Ansicht von Hans-Peter von der Borch, Einkaufsleiter von BuS Elektronik, waren die Kunden schlicht und einfach über die letzten zehn Jahre sehr verwöhnt, denn es gab seit 2001 nur wenig bis gar keine Lieferengpässe. Jetzt müssen sie erst mal umdenken. »Wenn wir von unseren Kunden Forecasts einholen wollten, hieß es ’Wozu, Ware gibt es doch?’« Jetzt, da die Lager leergefegt sind, müsse man den Kunden klar machen, dass Forecasts essenziell seien. Aber das, so von der Borch, funktioniere mittlerweile ganz gut.

Dass die Dynamik des Elektronikmarktes insgesamt in den nächsten Jahren weiter zunehmen wird und damit auch die Amplituden zwischen den Hochs und Tiefs extremer werden, davon ist die Runde einhellig überzeugt. Deshalb reicht es nach Auffassung von Waldemar Christen, Leiter Vertrieb und Marketing der BMK Group, auch nicht, sich alleine auf die - zusehends kurzfristigeren - Forecasts zu verlassen, denn »dann wird es immer wieder so laufen wie im letzten Jahr!«

Wer jedoch in der Lieferkette diese zunehmend extremeren Ausschläge abfedern soll, darüber herrscht noch wenig Einigkeit. Da wird einerseits die Forderung nach mehr Liefertreue laut, andererseits fordern einige Teilnehmer auch mehr Risikobereitschaft von den Herstellern: »Wenn die Hersteller erst wieder Kapazitäten aufbauen müssen, kann die Distribution die daraus entstehenden Engpässe jedenfalls nicht mehr abfangen«, gibt Thomas Ulinski, Linemanager von Rutronik Elektronische Bauelemente, zu bedenken. Die Bauelementehersteller müssen ihre Prozesse dynamischer gestalten, fordert Christen, schließlich werde auch von einem EMS-Dienstleister erwartet, dass er in Vorleistung gehe, um die Dynamik des Marktes mitmachen zu können. Andernfalls, so Christen, »wird sich der Markt helfen, indem er sich Alternativen schafft, um die Abhängigkeiten zu reduzieren.«

Liegt der Schwarze Peter also bei den Herstellern? Zumindest helfen die besten Forecasts nichts, wenn am Ende Lieferzusagen nicht eingehalten werden, weil der eine oder andere Hersteller bereits zugesagte Lieferungen vom Distributor an den OEM umleitet oder von vorne herein einen Großteil seiner Kapazitäten für große OEMs »reserviert«. Dieses Top-down-Prinzip mag einerseits aus Sicht der Hersteller verständlich erscheinen, andererseits sind dadurch die Handlungsmöglichkeiten der restlichen Lieferkette - da kann das Vertrauen und die Zusammenarbeit noch so gut sein - von vorne herein erheblich eingeschränkt.


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