Thomas Gerhardt, Geschäftsführer von Glyn: »Wer schlau ist, teilt jetzt schon mal ein wenig im Voraus ein«
Aktuell ist die Lage nicht so toll. Wir zahlen alle noch die Vorzieheffekte der Allokation zurück. Die Rekordumsätze in der ganzen Kette nützen ja nichts, wenn man danach zwei Jahre lang keine Bestellungen bekommt, weil schon alles am Lager liegt. Alle müssen bei der nächsten Massenpanik ihre Rückstände besser im Auge behalten und rechtzeitig maßvoll runter managen. Nur dann würde so etwas nicht mehr passieren. Dazu kommt noch eine generelle Kater- und Bedrohungsstimmung in Deutschland. Die missglückte Ampelregierung, der neue russische Imperialismus, die De-Globalisierung und die Auflösungserscheinungen der westlichen Welt sind psychologisch nicht die besten Voraussetzungen für eine brummende Wirtschaft.
Wie ist die Liefersituation bzw. Verfügbarkeitssituation derzeit?
Aktuell ist die Verfügbarkeit gut. Aber wenn nichts bestellt wird, baut die Lieferkette von der Rohstoffmine bis zum eigenen Lieferanten – und das sind viele, viele Stationen – Lager ab, und danach auch Kapazitäten. Wenn man die eigenen Bestände aus Liquiditätsgründen zu weit reduziert hat und schnell etwas benötigt, wird man feststellen, dass die Kette davor schon schneller war. Diese Welle läuft durch die Lieferkette. Also, auf Lagerbestände oder Einteilungen mit Lieferzeit plus einen Tag würde ich als Einkaufsverantwortlicher nicht mehr lange spekulieren. Wer schlau ist, teilt auch jetzt schon mal ein wenig im Voraus ein. Vielleicht wenigstens Lieferzeit plus drei bis sechs Monate. Denn wenn alle gleichzeitig die Lager leer haben und nachbestellen, wird es etwas länger dauern. Diejenigen, die dann bereits Einteilungen im System haben, bekommen ihre Ware wie benötigt, die anderen müssen warten. Viele meinen ja sogar, dass dann wieder eine große Allokation entsteht. Ich persönlich glaube das nicht – und wenn, dann nur kurz. Die Situation ist heute eine andere als im Jahr 2021. Seitdem wurden viele neue Kapazitäten geschaffen. Selbst wenn Vorräte sowie Mitarbeitende abgebaut und Plastikfolie über die Maschinen gelegt wurden, sind Letztere ja in der Regel noch da. Es ist tendenziell schneller möglich, eine temporär stillgelegte Produktion wieder hochzufahren als eine komplett neu aufzubauen; allerdings auch nicht von heute auf morgen, das sollte schon allen klar sein.