Trend zu höheren Motorraumtemperaturen fordert neue Kabel

Spezialleitungen für hohe Temperaturen

25. November 2008, 11:25 Uhr | Klaus Merklein
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Fortsetzung des Artikels von Teil 2

„105 °C“ reicht nicht mehr

Häufig steht die Temperaturbeständigkeit der Isoliermaterialien im Vordergrund. Bei heutigen Anforderungen wählen die Hersteller oft für motornahe Anwendungen Kabel, die bis 105 °C geeignet sind. Erste Unternehmen in Deutschland stellen bereits auf Leitungen der Temperaturklasse C um, die bis zu 125 °C aushalten. Beispiele hierfür sind der Motorkabelsatz oder der Getriebeanschluss.

Bereits für Temperaturklasse C gibt es verschiedene Isoliermaterialien, die den Leitungen ein sehr unterschiedliches Eigenschaftsprofil geben (Bild 2). Preiswert und leicht zu verarbeiten sind PVC-Materialien (Polyvenylchlorid). Sie wurden aus den bisherigen Materialien (bis 105 °C) weiterentwickelt, wodurch die Hersteller reichhaltige Erfahrungen einbringen konnten. PVC-Leitungen entwickeln allerdings im Brandfall korrosive und giftige Gase und sind kaum überlastfähig, d.h., sie halten auch ein kurzfristiges Überschreiten der Grenztemperatur nur schwer aus. Polypropylen (PP) ist thermoplastisch und daher ebenfalls nicht geeignet, dauerhaft mehr als die spezifizierte Temperatur zu überstehen. Die Rauchentwicklung bei PP hängt vom konkreten Material ab. Pluspunkte von PP sind das gute Preis-Leistungs-Verhältnis und seine mechanische Beständigkeit.

Ein Bündel positiver Eigenschaften bringen vernetzte Isolationen mit, beispielsweise aus XPE (vernetztes Polyethylen). Sie sind mechanisch belastbar, medienbeständig und überlastfähig. Im Test haben sich auf 125 °C ausgelegte Leitungen bereits bei Temperaturen von 150 °C bewährt, sogar über 1000 Stunden hinweg. Allerdings hat XPE seinen Preis. Dieser ist in der Vernetzung begründet, denn erst durch Bestrahlen, einen chemischen Prozess oder Vulkanisation wird das Vernetzen der Moleküle hervorgerufen. Dabei werden Moleküle untereinander verbunden, so dass quasi ein Riesenmolekül entsteht. Je nach Vernetzungsverfahren fallen die Kosten unterschiedlich aus. Die chemische Silan-Vernetzung ist bereits zu Kosten möglich, die XPE-Leitungen in die Preisregionen von PP-Lösungen rücken. Teurer – aber auf dem deutschen Markt aufgrund der hohen Qualität und Prozesssicherheit gefragt – ist die Strahlungsvernetzung. Beide Verfahren eignen sich für Leitungen, die halogenfrei sind und daher im Fall eines Brandes weder giftige Gase noch eine hohe Rauchentwicklung verursachen.

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Bild 2. Eignungsprofil der Isoliermaterialien PVC, PP und XPE für Leitungen bis 125 °C.

Welcher dieser drei (oder weiterer) Leitungstypen der Klasse C den jeweiligen Anforderungen gerecht wird, ist sorgfältig abzuwägen, damit Kundenzufriedenheit und Preis in Einklang sind.

In höheren Temperaturklassen stellen sich die Unterschiede der Leitungseigenschaften noch ausgeprägter dar. In der Temperaturklasse D (bis 150 °C), die in kommenden Fahrzeuggenerationen häufiger gefordert sein könnte, bieten sich unter anderem die Werkstoffe ETFE (Ethylen-Tetrafluorethylen-Copolymer) und vernetzte Polyolefincompounds an (Bild 3).

ETFE verfügt über eine sehr gute Beständigkeit gegenüber Chemikalien und gute mechanische Beständigkeit bei geringem Gewicht. Daher ist das Material prädestiniert für den Einsatz bei Getriebeleitungen und wird dort heute schon verwendet. Auch an besonders heißen Stellen im Motorraum kommt ETFE bereits zum Einsatz. Die hohen Kosten und das Verhalten im Brandfall, bei dem korrosive Rauchgase entstehen, schränken die Verwendung von ETFE allerdings ein.

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Bild 3. Eignungsprofil der Isoliermaterialien ETFE und XPE für Leitungen bis 150 °C.

Vernetzte Moleküle schützen bei Überlast

Bis 150 °C beständige XPE-Polyolefincompounds wiederum sind preiswert herzustellen, sind aufgrund ihrer vernetzten Moleküle toleranter gegenüber einem Überschreiten der Grenztemperatur und lassen sich halogenfrei herstellen, was wiederum positiv im Falle eines Brandes ist (verminderte Rauchentwicklung, giftige Gase entfallen). Dass die Leitungen höhere als die spezifizierten Temperaturen aushalten, haben sie im Labor bewiesen: In der Testkammer waren sie selbst nach sieben Tagen bei 190 °C noch intakt. Allerdings sind chemische und mechanische Eigenschaften schlechter als bei ETFE. Anwender müssen sich also einer Entweder-oder-Entscheidung stellen. Dennoch haben beide Isoliermaterialien ihre Berechtigung, denn die Anwendungsgebiete (z.B. motornahe Installation oder Getriebeleitung) können unterschiedlich sein und den Ausschlag für ETFE oder XPE geben.


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