Kompatibilitätsorientierte Entwicklungsmethodik für mechatronische Systeme

„Big Brother is watching you!“

9. April 2008, 13:48 Uhr | Dr. Benno Stützel und Dr. Hendrik Dettmering
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Fortsetzung des Artikels von Teil 5

„Big Brother is watching you!“

Die eben beschriebene Kooperation von verteilten Software-Funktionen im Fahrzeug setzt zwingend ihre Kompatibilität voraus. Diese sichert ein Fahrzeughersteller heute durch aufwendige Testaufbauten (z.B. Hardware-in-the-Loop-Tests) ab, sobald die Zulieferer ihre Steuergeräte an ihn übergeben haben. Diese auch in Zukunft notwendigen Tests haben deutliche Vorteile gegenüber Tests im Fahrzeug. Weil allerdings hierfür reale Steuergeräte eingesetzt werden, können die Untersuchungen erst zu einem sehr späten Zeitpunkt im Entwicklungsprozess durchgeführt werden. Notwendige Änderungen ziehen einen nicht unerheblichen Zeit- und Kostenaufwand nach sich. Abhilfe sollen modellbasierte Entwicklungsverfahren für Fahrzeug-Software schaffen. Diese zielen aber nicht vorrangig auf die Kompatibilität ab, sondern sie verfolgen das Ziel, die Software-Implementierung mit Hilfe von leicht verständlichen, grafischen Entwicklungssprachen optimal vorzubereiten bzw. automatisch den Software-Code zu erstellen. Die Kompatibilität kann zwar prinzipiell auch mit solchen Modellen nachgewiesen werden, jedoch müssen dann alle notwendigen Funktionen – im Zweifelsfall alle software-basierten Fahrzeugfunktionen – als ausgearbeitetes Modell vorliegen. Da diese jedoch erst kurz vor bzw. zum Zeitpunkt der Implementierung zur Verfügung stehen, erfolgt auch dies sehr spät im Entwicklungsprozess.

An diesem Punkt setzen die folgenden Erläuterungen an, welche die Erkenntnisse der Dissertation „Kompatibilitätsorientierte Entwicklungsmethodik für software-intensive mechatronische Systeme“ [4] wiedergeben. Letztere entwickelt ein Konzept, mit dem der Gesamtkomplex Kompatibilität in handhabbare Teile zergliedert wird. Dadurch ist die Möglichkeit gegeben, die Kompatibilität von Software-Funktionen schrittweise und strukturiert von Beginn des Entwicklungsprozesses an zu erarbeiten und das erlangte Wissen für Folgeprojekte zu nutzen. Ebenso soll die verteilte Entwicklung von Fahrzeugfunktionen so unterstützt werden, dass Referenzen für die Kompatibilität von Funktionen aufgebaut werden können, die in dem gesamten System „Fahrzeug“ Gültigkeit haben.

Die Konstruktionsmethodik der Mechanik als Vorbild

Kompatibilität von Systemen ist keine Herausforderung, die ausschließlich für Software-Systeme existiert. Denn Kompatibilität bedeutet im allgemeinen Sinne die Vereinbarkeit eines Systems mit seiner Umgebung. Dies spielt in der Konstruktion von mechanischen Teilen ebenso eine Rolle wie bei der Entwicklung von verteilten Software-Funktionen. Die Betrachtung der Kompatibilität ist in der Konstruktionsmethodik seit jeher eine Selbstverständlichkeit. Hier werden für aneinander angrenzende Teile Referenzen aufgebaut, die ein einwandfreies Zusammenwirken gewährleisten. Der Aufbau der Referenzen ist der Ausgangspunkt der Konstruktionstätigkeiten. Es werden Schnittstellen festgelegt sowie jene relevanten Eigenschaften der Konstruktionsteile bestimmt, welche Auswirkungen auf benachbarte Teile haben können. Darunter fallen zum Beispiel kinematische Eigenschaften. Erst nach Festlegung der Referenzen beginnen die Entwickler mit der eigentlichen Konstruktion. Durch die eindeutige Referenz wird eine verteilte Entwicklung von Konstruktionsteilen erst ermöglicht.

Eine vergleichbare Methodik ist auch für die Entwicklung von verteilten, miteinander kommunizierenden Software-Funktionen anzustreben. Dabei werfen sich folgenden Fragen auf:

  • Für welche Arten von Entwicklungseinheiten müssen Referenzen für die Kompatibilität (aus Software-Sicht) definiert werden?
  • Welche Software-Eigenschaften sind für die Festlegung der Kompatibilität relevant?
  • Wann im Entwicklungsprozess müssen diese zur Verfügung stehen?
  • Wie wird das Konzept bei einer auf mehrere Partner verteilten Entwicklung eingesetzt?

Kompatibilität softwaredominierter Systeme

Kompatibilität aus Software-Sicht ist immer dann relevant, wenn zwischen Entwicklungseinheiten Informationsflüsse vorhanden sind, also Daten ausgetauscht werden (Bild 1). Informationsflüsse bestehen nicht nur zwischen Software-Funktionen, sondern werden auch von mechatronischen Systemen ausgetauscht. So sollten Referenzen für die Kompatibilität (aus Software-Sicht) vor allem auch für mechatronische Systeme im Fahrzeug definiert werden. Dies sind typischerweise Einzelsysteme wie Motor oder Getriebe, aber auch ganze Fahrzeugdomänen wie Antrieb oder Fahrwerk. Neben den mechatronischen Systemen sind selbstredend auch ihre informationstechnischen Bestandteile „Steuergerät“ sowie „Software-Funktionen“ von der Kompatibilität betroffen. Referenzen sollten demnach auch für diese Arten von Entwicklungseinheiten erstellt werden.

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Bild 1. Flüsse in und zwischen mechatronischen Systemen.

  1. „Big Brother is watching you!“
  2. „Big Brother is watching you!“
  3. „Big Brother is watching you!“
  4. Modellbasierter Ansatz
  5. „Big Brother is watching you!“
  6. „Big Brother is watching you!“

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