Optische Datenübertragung über Glasfaserbündel mit einem Gigabit pro Sekunde

Schnell, biegsam, hitzefest

17. September 2008, 9:05 Uhr | Prof. Dr. Olaf Ziemann, Juri Vinogradov, Ondrej Lednicky, Banias Konstantinos, Dr. Werner Sklarek und Dr. Burkhard Danielzik
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Fortsetzung des Artikels von Teil 2

Schnell, biegsam, hitzefest

Automatisierungstechnik

Seit eineinhalb Jahrzehnten werden 1-mm-Polymerfasern erfolgreich in der Automatisierungstechnik eingesetzt. Ältere Feldbussysteme erreichten bis zu 12 Mbit/s Geschwindigkeit; heute werden auch immer mehr Systeme mit 100-Mbit/s-Ethernet verwendet. Reicht der Einsatz-Temperaturbereich der POF von max. +85°C nicht aus, werden hier auch deutlich dünnere Quarzglasfasern eingesetzt. Hauptgründe für optische Verbindungen sind die Trennung der elektrischen Potentiale und die Unempfindlichkeit gegenüber elektromagnetischen Feldern.

Heimnetze

Immer mehr Haushalte in Deutschland sind an Breitbandnetze angeschlossen – Ende 2008 waren es ca. 19 Millionen. Schon in wenigen Jahren werden dabei die Bitraten pro Teilnehmer 100 Mbit/s und mehr erreichen. Nur mit WLAN und Powerline wird die Vernetzung der Geräte nicht mehr möglich sein, insbesondere in Mehrfamilienhäusern mit vielen Nutzern (in Deutschland ca. 70% der Bevölkerung). Netze auf Basis dicker optischer Fasern ermöglichen neben ausreichender Kapazität im Bereich bis zu 100 m Verbindungslänge vor allem extrem einfache Montage, Unempfindlichkeit gegenüber Störungen und z.B. die Möglichkeit der Verlegung in bestehenden Stromkanälen. Eine Vielzahl von POF-Produkten ist in den letzten zwei Jahren auf den Markt gekommen (siehe www.pof-atlas.de).

„Plastik“ oder Glas?

Die meisten der heute verwendeten Polymerfasern bestehen aus PMMA (Polymethylmethacrylat). Bei einem Kerndurchmesser von 1 mm beträgt die Numerische Apertur NA = 0,50 (dies entspricht einem maximalen Einkoppelwinkel von ±30°).

Kerndurchmesser und NA ergeben einen minimalen Biegeradius von etwa 20 mm. Eine Glasfaser des gleichen Durchmessers wäre erheblich unflexibler und könnte praktisch nicht gebogen werden.

Die Lösung liegt in der Aufteilung der Faser in viele Einzelkerne. Bei den hier beschriebenen MC-GOF werden knapp 400 Einzelkerne mit je 53 μm Kerndurchmesser in einem losen Bündel zusammengefasst (Bild 1).

Bei Biegen des Kabels können sich die einzelnen Fasern frei bewegen, so dass kaum Zugbelastungen auftreten. Biegeradien von wenigen Millimetern sind ohne spürbare optische Zusatzverluste möglich.

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Bild 1. Vielkern-Glasfaser: In einem stabilen PA-Schlauch liegen lose mehrere 100 Glasfasern mit je 50 μm Kerndurchmesser.

Dank der Kombination von Glasfasern und Polyamid-Schutzmantel sind Dauer-Einsatztemperaturen bis +125 °C möglich. Die NA entspricht der POF. Damit können diese Glasfaserbündel mit den gleichen Sendern und Empfängern betrieben werden wie POF. Bild 2 zeigt ein mögliches Beispiel für die Kombination von POF und MC-GOF in einem Fahrzeugnetzwerk.

Ein weiterer Vorteil der Glasfaser gegenüber POF ist die niedrigere Dämpfung im nahen Infrarot. Für die heute bei MOST genutzte Wellenlänge von 650 nm (rot) sind nur LEDs und so genannte kantenemittierende Laser verfügbar. Bei 780 nm und 850 nm gibt es auch so genannte vertikal emittierende Laserdioden (VCSEL). Diese sind nicht nur sehr schnell (bis mehrere Gbit/s), sondern sind auch sehr effizient und arbeiten schon bei wenigen Milliampere Arbeitsstrom.

1 Gigabit/s und dicke Fasern?

Lange Zeit galt der Einsatz von Fasern mit mehr als 0,2 mm Kerndurchmesser bei Datenraten von 1 Gbit/s als nicht möglich. Die Grundlage dieser Annahme ist die große Photodiodenkapazität. Die Geschwindigkeit eines optischen Empfängers wird ganz wesentlich von der RC-Zeitkonstante gebildet. Diese ergibt sich aus dem Eingangswiderstand des Empfängers (je größer dieser ist, umso empfindlicher ist der Empfänger) und der elektrischen Kapazität der Photodiode. Dicke Fasern erfordern naturgemäß große Photodioden, die dann auch große Sperrschichtkapazitäten aufweisen.

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Bild 2. Mögliche Kombination von POF und MC-GOF in einem Fahrzeugnetzwerk. Im Motorraum kommt wegen der höheren Temperaturen Glasfaser zum Einsatz. Im Fahrgastraum reicht die einfachere Kunststofffaser.

In einem gemeinsamen Projekt der Schott AG Mainz, dem Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen Erlangen, DieMount Wernigerode und dem POF Application Center Nürnberg wurde in den letzten Jahren umfassend untersucht, welche Datenraten tatsächlich über 1 mm dicke Fasern übertragen werden können.

Bei geeigneter Wahl der Photodioden und der verwendeten Verstärkerschaltungen kann der Einfluss der RC-Zeitkonstante zum großen Teil unterdrückt werden. Inzwischen wurde eine maximale Bitrate von 2500 Mbit/s über 10 m POF fehlerfrei übertragen.

Das ist immerhin das 100-fache der aktuellen Bitrate bei MOST.

Bild 3 zeigt die höchsten im Labor erreichten Bitraten für unterschiedliche Längen von MCGOF bei drei verschiedenen Laserwellenlängen (siehe auch [1] und [2]).

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Bild 3. Maximal mögliche Bitraten über MC-GOF. Die Messungen fanden im POF-Application Center statt.

Selbst bei 20 bis 30 m Faserlänge sind noch deutlich über 1000 Mbit/s erreichbar. In praktischen Systemen kommen aber eine Reihe weiterer Einflussfaktoren hinzu. Neben Verlusten an Steckverbindungen, Biegungen und dem Einfluss der Alterung muss vor allem die Wirkung von Temperaturschwankungen untersucht werden. Um das Verhalten des Systems über den angestrebten Temperaturbereich zu untersuchen, wurde das gesamte System (Sender, Faser und Empfänger) in einer Klimakammer getestet.

Als Sender wurden temperaturoptimierte VCSEL mit 850 nm Wellenlänge verwendet, hergestellt bei Philips Technologie GmbH Ulm Photonics [3]. Bild 4 zeigt die Augendiagramme für –40 °C, +20 °C und +125 °C. Über jeweils 24 Stunden war im Versuch die Übertragung fehlerfrei (BER < 1×10–12).

Andersartige Verbindungstechnik für Vielkern-Glasfasern

Der größte Unterschied der MC-GOF im Vergleich zur PMMA-POF besteht in der andersartigen Verbindungstechnik. Für den Einsatz in Fahrzeugnetzen werden POF glatt abgesägt, anschließend wird ein Kunststoffstecker per Laser angeschweißt. Das dauert insgesamt weniger als zwei Sekunden. Bei der MC-GOF werden Metallhülsen verwendet. Das Faserbündel und die Hülse werden so heiß verpresst, dass der Bündeldurchmesser nur noch 1 mm beträgt und die Lücken zwischen den Einzelkernen fast verschwunden sind (Bild 5). Die Verluste bei der Kopplung zweier MC-GOF sind dabei kaum noch höher als zwischen zwei POF. Allerdings dauert dieser Vorgang länger und eine Vor-Ort-Montage per Hand ist nur sehr eingeschränkt möglich.

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Bild 4. Augendiagramme bei 1,25 Gbit/s für –40 °C, +20 °C und +125 °C. Die Änderungen im Pegel kommen durch die leichte Temperaturabhängigkeit des VCSEL und der Empfindlichkeit der Photodiode zustande. In einem kompletten System werden sie durch eine

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  2. Literatur
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