Mit UPnP AV können mobile Geräte und deren Medien dem Fahrzeug zur Verfügung gestellt werden. Die Medienformate sind dabei keineswegs auf Audio beschränkt: Auch Videos und Bilder können mittels UPnP AV übertragen werden. Die Medien können vom Fahrer über seine gewohnte Bedienoberfläche genutzt werden. Umgekehrt können aber auch Medien des Fahrzeugs, etwa das DVD-Laufwerk oder ein DAB-Tuner, den mobilen Geräten zur Verfügung gestellt werden. Der Zugriff auf diese Dienste erfolgt dann mittels UPnP-fähiger Applikationen oder über den Browser des mobilen Geräts.
Mobile Geräte und Medien, die für Unterhaltung im Wohnzimmer sorgen, können so nahtlos mit ins Fahrzeug übernommen und per „Plug and Play“ genutzt werden. Das Fahrzeug wird damit gleichberechtigter Teilnehmer im persönlichen Unterhaltungsnetzwerk.
IP für Echtzeit-Anwendungen
Die bisher genannten Anwendungsgebiete zeigen, dass das Internet Protocol mit vielen Vorteilen im Infotainment-Bereich genutzt werden kann. Ergänzend dazu bietet IP allerdings auch ein hohes Potential für den Echtzeit-Bereich, der heutzutage Bussystemen wie CAN oder FlexRay vorbehalten ist. Das heißt, nicht nur Multimedia-Informationen, sondern auch zeitkritische Steuernachrichten, zum Beispiel von Fahrdynamikregelungen oder Fahrerassistenzsystemen, können über das IP-basierte Bordnetz übertragen werden.
Eine Konsequenz daraus ist, dass das Bordnetz in der Lage sein muss, die Auslieferung der Daten innerhalb einer fest vorgegebenen Zeit zu garantieren. Solche Echtzeit-Mechanismen sind aktuell weder im IP- noch im Ethernet-Standard definiert. Jedoch können durch eine geeignete Netzdimensionierung in Kombination mit einer Priorisierung der Daten und einem Traffic Shaping die benötigten Echtzeit-Bedingungen garantiert eingehalten werden, ohne eine Modifikation des Standards durchzuführen. Das garantierte Echtzeit-Verhalten konnte sowohl analytisch als auch in realen Testund Evaluierungssystemen sowie im Prototypenfahrzeug nachgewiesen werden.
Um die Steuergeräte zeitlich zu synchronisieren, wird das aus der Industrieautomatisierung bekannte Precision Time Protocol (PTP) eingesetzt. Mit PTP ist es möglich, allen am Netz angeschlossenen Geräten eine gemeinsame Zeitbasis mit sehr hoher Genauigkeit zu geben. Dadurch wird es möglich, netzweit eindeutige Zeitstempel, etwa bei der Messdatenerfassung, zu verwenden und zu vorgegebenen, diskreten Zeitpunkten Daten zu übertragen.
Ähnliche Ansätze bei der IP-Echtzeit-Kommunikation werden auch in der Automatisierungstechnik und der Luftfahrt verfolgt. Das „Avionics Full Duplex Switched Ethernet“ (AFDX) wird bei Airbus für die zeit- und sicherheitskritische Datenkommunikation im neuen A380 eingesetzt. Boeing greift mit dem Common Data Network (CDN) im Dreamliner (Boeing 787) auf ein ähnliches Verfahren zurück.
Für IP im Echtzeit-Bereich müssen nicht zwangsläufig alle Steuergeräte sofort auf das Internet Protocol umgestellt werden, sondern sie können Schritt für Schritt über ein Gateway an das neue Bussystem angekoppelt werden.
Realisierung eines IP-basierten Fahrzeugs
Dass die IP-Technik nicht nur in der Theorie und im Labor, sondern auch real im Fahrzeug funktionieren kann, wurde mit Hilfe eines Versuchsträgers nachgewiesen. Hierfür wurde ein prototypisches IP-Bordnetz in einem aktuellen BMW 530d implementiert (Bild 2), mit dem im Wesentlichen drei Anwendungsdomänen abgedeckt werden: Infotainment/Multimedia und Internet-Anwendungen sowie die echtzeit-kritische Übertragung von Steuerdaten.
Eine eigens implementierte IP-basierte Headunit-Software ist die Basis für die meisten der dargestellten Anwendungsszenarien. Die Software kann wie gewohnt per iDrive gesteuert werden. Über UPnP erfolgt der Zugriff auf den fahrzeuginternen Medienserver, der sowohl Audio- als auch Videoströme übertragen kann. UPnP-fähige Unterhaltungselektronik kann per WLAN mit dem Bordnetz Kontakt aufbauen und sowohl auf den internen Medienserver zugreifen als auch dem Fahrzeug eigene Inhalte anbieten. Der Versuchsträger nimmt wahlweise über UMTS oder WLAN Kontakt mit der Außenwelt und somit mit dem Internet auf. Dadurch konnten Anwendungen wie zum Beispiel IP-TV (Bild 3), Internet-Radio und ein videobasierter Assistenzdienst realisiert werden. Bereits im Versuchsträger wurden Sicherheitsaspekte implementiert, die wichtige Fahrzeugfunktionen von der Unterhaltungselektronik und dem Internet abschotten.
Um die Flexibilität weiter zu unterstreichen, wurde ein „Rear Seat Entertainment System“ aufgebaut, das aus zwei Tablet PCs besteht und über WLAN an das Bordnetz angebunden wird. Auf den Tablet PCs läuft dieselbe Software wie auf der Headunit; diese verfügen somit über den identischen Funktionsumfang. Dadurch kann auf der Headunit das Bild der Rückfahrkamera angezeigt werden, während gleichzeitig zwei unterschiedliche Videos auf das „Rear Seat Entertainment System“ übertragen werden.