Die hohe Datenraten erfordernde Audio- und Videoübertragung mit Hilfe von IP-Paketen wurde im dynamischen FlexRay-Segment umgesetzt. Eine parallele Übertragung von Echtzeit- und Nicht-Echtzeit-Verkehr ist dabei problemlos möglich.
Die Anwendungsmöglichkeiten für diese Technologie sind vielfältig. So können mit Hilfe von „IP over FlexRay“ erstmals Steuergeräte, die nicht an einem Ethernet-Segment angeschlossen sind, über IP adressiert werden. Bestehende Steuergeräte, die über eine FlexRay-Anbindung verfügen (vorwiegend in der Fahrwerksund Antriebsdomäne), könnten nun per IP-Kommunikation direkt und somit zeitsparend geflasht werden. Außerdem könnte die Technologie als ein Migrationsschritt hin zu einem homogenen IP-basierten Kommunikationsnetz angesehen werden.
FlexRay als Alternative zum Ethernet Physical Layer
Die Idee bei dieser Lösung ist es, den FlexRay Physical Layer als Alternative zum Ethernet Physical Layer zu verwenden. Auf die Mechanismen des FlexRay Controllers, wie Übertragung im Zeitschlitz-Verfahren und Zeitsynchronität, wird vollständig verzichtet. Ausschließlich die physikalische Übertragungstechnik von FlexRay wird verwendet.
Die meisten Ethernet-Transceiver (Physical Layer) verfügen über eine MII-Schnittstelle (Medium Independent Interface). Dabei handelt es sich um eine standardisierte Schnittstelle, mit der die Ethernet-Transceiver an einen Prozessor, einen Mikrocontroller oder einen Switch angeschlossen werden können. Eine elegante Möglichkeit, FlexRay als Alternative zu Ethernet einzusetzen, ist, den FlexRay Physical Layer um eine MII-Schnittstelle zu erweitern. Dadurch ist es denkbar, einen Ethernet-Transceiver einfach durch die FlexRay-Lösung zu ersetzen, ohne weitere Änderungen an der Software oder Hardware des Mikrocontrollers durchführen zu müssen (Bild 3).
Die Erweiterung des FlexRay-Transceivers um eine MII-Schnittstelle wurde prototypisch in einem FPGA umgesetzt. Die Aufgabe des Bausteins ist es, eine standardkonforme MIISchnittstelle inklusive Management-Funktionen für den FlexRay-Transceiver bereitzustellen. Beim Senden werden über die MII-Schnittstelle die Daten kurzfristig auf dem FPGA gepuffert und für die Übertragung auf dem FlexRay-Transceiver codiert. Dabei wird automatisch eine Geschwindigkeitsanpassung zwischen der MII-Schnittstelle und dem FlexRay-Bustakt durchgeführt. Beim Empfang von Daten funktioniert der Mechanismus analog.
Das realisierte System kann an jedem beliebigen Mikroprozessor angeschlossen werden, der über eine MII-Schnittstelle verfügt. Weder der Mikroprozessor noch die Applikationen bemerken dabei, dass sie nun über den FlexRay-Transceiver anstelle des Ethernet-Transceivers kommunizieren. Das FlexRay-System verhält sich gegenüber dem Mikroprozessor wie ein Standard-Ethernet-Baustein. Der Unterschied liegt lediglich in der physikalischen Übertragungstechnik. Anstelle von geschirmten Leitungen und aufwendigen Steckverbindern, wie sie bei Standard-Ethernet notwendig sind, können nun für die Kommunikation ungeschirmte verdrillte Doppeladern und einfache Stecker genutzt werden. Die Verwendung von zertifizierten FlexRay-Transceiver-Bausteinen garantiert dabei die Einhaltung der Automotive-Anforderungen (EMV, Störsicherheit).
Der Einsatz des FlexRay-Transceivers hat zur Folge, dass Nachrichten mit einer Datenrate von maximal 10 Mbit/s übertragen werden können. Dabei liegt es in der Natur von FlexRay, dass sich alle an einer FlexRay-Leitung angeschlossenen Steuergeräte diese Datenrate teilen müssen. Die Kommunikation erfolgt dabei stets im Halbduplex-Modus. Das bedeutet, dass ein Steuergerät entweder senden oder empfangen kann; beides gleichzeitig ist jedoch nicht möglich. Möchte man eine Vollduplex-Kommunikation durchführen, also gleichzeitiges Senden und Empfangen, werden zwei getrennte FlexRay-Transceiver und zwei verdrillte Doppeladern benötigt. Bild 4 zeigt einen Überblick über die möglichen Topologie-Varianten. Links ist der Halbduplex-Betrieb als Linientopologie dargestellt. Dabei können mehrerer Steuergeräte über eine einzige FlexRay-Leitung miteinander verbunden werden. Alle an diesem Bussystem angeschlossenen Steuergeräte teilen sich die Gesamtbandbreite untereinander auf. Über ein CSMA-Verfahren wird darauf geachtet, dass jeweils immer nur ein Steuergerät aktiv auf das Bussystem schreibend zugreift und es zu keinen Kollisionen kommt.