Dr. Schleuter: Bei der Elektronik im Fahrzeug, speziell im Hinblick auf die Halbleiterbausteine, ist die Hochintegration immer ein wichtiges Thema. Dadurch werden sich die Einzelkosten auf Systemebene reduzieren. Gleichzeitig kommen aber immer mehr Systeme ins Fahrzeug, was einen gegenläufigen Effekt hat. In Summe werden damit, das ist meine persönliche Einschätzung, die Gesamt-Elektronikkosten eher steigen. Der Software-Anteil wird ebenfalls weiter steigen. Zudem wird der Anteil der Software-Eigenentwicklungen der OEMs weiter zunehmen. Strategisch wichtige Funktionen, etwa Software für die Vernetzung verschiedener Subsysteme, werden inhouse entwickelt, um Synergieeffekte zwischen den verschiedenen Modulen zu nutzen.
Dr. Schleuter: Die Elektronik war früher das Sinnbild für Unzuverlässigkeit. Das hat sich aber dramatisch geändert. In den letzten Jahren konnten wir, trotz steigenden Elektronik-Gehalts, die Anzahl der Liegenbleiber um 88 Prozent und die Anzahl der Schadensfälle um 74 Prozent reduzieren. Trotz dieser Erfolgsgeschichte, die auch wieder mannschaftsgetragen ist, wollen wir uns noch weiter verbessern. Bei Audi ist man sich des prinzipiellen Problempotentials bewusst. „Job rotation“ zwischen Entwicklung, Produktion und Service war eine der Maßnahmen, um Probleme zu verhindern. Als positiven Nebeneffekt kann man reduzierte Fertigungszeiten und -kosten verbuchen, die durch das damit verbesserte Elektronik-Verständnis speziell in der Produktion erreicht wurden. Damit tragen auch wir Elektroniker maßgeblich zum Erfolg des Unternehmens bei.
Dr. Schleuter: Gerade dort, wo man bereichsübergreifend denkt und handelt, haben Firmen deutliche Vorteile. Ich propagiere zudem nicht einen automatischen Jobwechsel, etwa im 3-Jahresrhythmus. Jobrotation hat dazu beigetragen, Entwicklungskompetenz in andere Bereiche zu bringen. Dieses Konzept findet mittlerweile übergreifend Anwendung und ist einer von Audis Schlüsseln zum Erfolg. Für uns hat sich ein gewisses Maß an internen Wechseln bewährt, wobei ein Wechsel nicht immer einen kompletten Bereichswechsel, etwa von der Entwicklung zur Produktion bedeutet. Auch ein Wechsel zu einer anderen Domäne, etwa vom Infotainment zum Komfortbereich kann helfen, die eigenen Erfahrungen in einen anderen Bereich zu bringen.
Dr. Schleuter: Ich bin ein Vernetzer, der gern bereichsübergreifend arbeitet und Zäune einreißt. Ziele müssen gemeinsam gesetzt und angegangen werden, dann hat man die größten Erfolgschancen, stärker zu sein als der Wettbewerb. Was im Sport gilt, gilt auch für die Karriere: Man muss die richtigen Leute mit hoher Kompetenz und Teamfähigkeit an der richtigen Stelle zusammenbringen und sie entsprechend einstimmen und motivieren. Das ist mein Job und das macht mir großen Spaß.
Dr. Schleuter: Zum 1.1.2009 werde ich mich aus dem operativen Geschäft zurückziehen. Ich habe vor, ein Buch zu schreiben, welches die Themen Veränderungsmanagement, Netzwerke in Unternehmen und die erfolgreiche Zusammenarbeit von Menschen behandeln wird. Dazu wurde ich unter anderem von Zulieferern aufgefordert, die verstehen wollen, wie die erfolgreiche Entwicklung der Audi-Elektronik in den letzten zehn Jahren verlaufen ist. Damit sollen diese nachvollziehen können, was wir wie umgesetzt haben und wie sie es vielleicht selbst in einer ähnlichen Form realisieren können.
In einigen Themen, bei denen meine Erfahrung relevant ist, werde ich aber sicher noch mit dem Hause Audi verbunden bleiben. Danach kommt der Zeitpunkt, etwas an meine Familie zurückzugeben. Ich habe drei Kinder und vier Enkelkinder, die mich und meine Frau in der Vergangenheit viel zu selten gesehen haben. Dafür werde ich mir jetzt verstärkt Zeit nehmen.
Das Interview führte Stephan Janouch
Zur Person: Dr.-Ing. Willibert Schleuter
Dr. Willibert Schleuter begann seine Karriere als Starkstromelektriker bei den Rheinischen Braunkohlewerken in Köln. Danach besuchte er die Ingenieurschule Köln und erwarb den Titel grad.-Ing. Im Anschluss daran studierte er Allgemeine Elektrotechnik an der RWTH Aachen und promovierte dort zum Thema „Elektrisches Verhalten von Akkumulatoren für Elektrofahrzeuge“. Ab 1984 arbeitete er für die Robert Bosch GmbH in Stuttgart und leitete dort verschiedene Abteilungen, bevor er im April 1996 zur Audi AG in Ingolstadt wechselte, wo er den Bereich Entwicklung Elektrik/Elektronik verantwortet. Am 14. Februar 2009 wird Dr. Schleuter 62 Jahre alt.