Hitzebeständige Hochtemperaturelektronik für Anwendungen im Kraftfahrzeug und in anderen rauhen Umgebungen

Chips im Fegefeuer

5. Juni 2007, 14:16 Uhr | Claus Mochel, Thierry Corbiere, Dr. Stefan Schwantes und Rainer Böhringer
Diesen Artikel anhören

Fortsetzung des Artikels von Teil 2

Qualifiziert nach AEC-Q100 Grade 0

Zusätzlich bietet die AVR-Familie eine große Anzahl an Zusatzfunktionen wie zum Beispiel Analog/Digital- Wandler, Analogverstärker oder Komparatoren, aber auch intern kalibrierte RC-Oszillatoren und digitale Schnittstellen zur Kommunikation sowie diverse Timer. Die Qualifikation dieser Bauelemente erfolgte nach „AEC Q100 Grade 0“ für den Einsatz von –40 bis +150 °C. Atmel bietet neben verschiedenen Mikrocontrollern, die für den Hochtemperaturbereich qualifiziert sind, auch Treiberschaltkreise und Systembasis-Chips für diesen Temperaturbereich, wie in den beiden folgenden Applikationsbeispielen für die Motoransteuerung zu sehen ist.

Bürstenloses 3-Phasen- DC-Motor-System

Mit dem ATmega88, dem Treiberbaustein ATA6832 und dem LIN-System- Basis-Chip ATA6624 lässt sich eine einfache Hochtemperaturlösung für 3-Phasen-Motorsysteme aufbauen (Bild 9). Im Treiberbaustein sind drei Halbbrücken integriert, an die ein bürstenloser Motor direkt angeschlossen werden kann. Zur optimalen Überwachung der maximalen Sperrschichttemperatur des ATA6832 ist im Zentrum jedes integrierten Ausgangstransistors ein Temperatursensor platziert. Eine Temperatur-Warn- und eine Temperatur- Abschaltschwelle, jeweils mit Hysterese ausgestattet, ermöglichen einen zerstörungsfreien Betrieb bei hohen Temperaturen.

Die Ausgänge werden ab einer Sperrschichttemperatur von 200 °C deaktiviert. Die Ausgänge sind vollständig geschützt. Lastabriss, Überstrom und Unterspannung werden dem Mikrocontroller durch eine serielle Schnittstelle zurückgemeldet. Über diese Schnittstelle findet auch die Aktivierung der Endstufen des Treiberbausteins statt. Der direkte PWM-Eingang des Treibers lässt sich flexibel mit den sechs Ausgängen verknüpfen. Dies ermöglicht eine intelligente Bewegungssteuerung für beliebige Beschleunigungs- und Bremsprofile.

7060607_tm_03.jpg
Bild 7. Flächenersparnis durch den Einsatz von SOI-Material bei gleicher Strukturgröße.

Die Rückmeldung der Rotorstellung des Motors an den Mikrocontroller wird durch Hallsensoren realisiert. Die Kommutierung bewerkstelligt der ATmega88. Neben der Motorsteuerung hat dieser Mikrocontroller ausreichend Flash-Speicher zur Verfügung, um zum Beispiel eine LIN-Schnittstelle (Local Interconnect Network) zu bedienen, die die Kommunikation mit dem Fahrzeug übernimmt. Hierzu wird die Baugruppe an das Fahrzeugsystem über den LINTransceiver des System-Basis-Chips ATA6624 angekoppelt. Dieser Schaltkreis liefert auch die Versorgungsspannung von 5 V des gesamten Systems.

Um die maximale Sperrschichttemperatur des Schaltkreises nicht zu überschreiten, wird ein externer Bipolartransistor als Längsregler eingesetzt. Solche Transistoren mit einer zulässigen Sperrschichttemperatur bis zu 175 °C sind problemlos am Markt erhältlich. Des Weiteren bietet der Schaltkreis einen für automobile Anwendungen unbedingt erforderlichen, vom Mikrocontroller unabhängig arbeitenden Watchdog zur Überwachung des Systems.

Der Mikrocontroller ATmega88 und der Treiber ATA6832 sind spezifiziert für Umgebungstemperaturen bis zu 150 °C. Der System-Basis-Chip ATA6624 ist mit einer maximalen Sperrschichttemperatur von 150 °C spezifiziert. Die Sperrschicht des Schaltkreises wird durch Eigenstromaufnahme und die LIN-Kommunikation um ca. 3 K erwärmt, die maximale Umgebungstemperatur für die dargestellte Applikation liegt also bei 147 °C.

7060608_tm_03.jpg
Bild 8. Ausfall-Histogramm für Flash-Zellen bei einer Umgebungstemperatur von 150 °C.

Neben den eingangs erwähnten Treiberbausteinen werden in Hochtemperatur- Anwendungen natürlich auch Mikroprozessoren benötigt. Hierbei werden existierende Prozessoren durch entsprechende Design- und Qualifikationsmaßnahmen für den Einsatz im Bereich von 125 bis 150 °C gerüstet.

Die zum Einsatz kommenden Bauteile müssen eine sehr geringe Verlustleistung aufweisen, so dass die entstehende Eigenerwärmung vernachlässigbar ist und die maximal zulässige Sperrschichttemperatur nahezu vollständig durch die Umgebungstemperatur bestimmt wird.

Die sehr geringe Eigenerwärmung der Mikroprozessoren ermöglicht dann unter anderem auch die monolithische Integration des Flash-Speichers bei Umgebungstemperaturen von 150 °C.

Wenn es um Anwendungen im Hochtemperaturbereich geht, gehören Flash- und EEPROM-Speicherblöcke zu den empfindlichsten Elementen, da der in der Struktur verwendete grundlegende Mechanismus darin besteht, dass Ladung in einem Floating-Gate gespeichert wird.

7060605_tm_04.jpg
Bild 5. Schematische Darstellung der Oxid- Isolation in einem SOI-CMOS-Prozess.

Wenn die Temperatur ansteigt, bewirkt die Bewegung der Atome eine Ladungsableitung, und die eingeschlossenen Ladungen tendieren dazu, sich auszugleichen, wodurch die Lebensdauer der Speicherzellen begrenzt wird. Bei handelsüblichen Mikroprozessoren werden in aller Regel kostengünstige Ein-Transistor-Zellen für diese Speicher verwendet.

Dies ist im Bereich Hochtemperatur nicht mehr ausreichend. Hier kommen so genannte Zwei-Transistor-Zellen zum Einsatz, die sich durch eine wesentlich höhere Robustheit bei hohen Temperaturen auszeichnen. Dies sieht man sehr gut am Beispiel des ATmega88, eines 8-bit-Mikrocontrollers aus Atmels AVR-Familie. Wie in Bild 8 zu erkennen ist, tritt der erste Ausfall im Hochtemperaturbereich (bei 150 °C) nach 50 000 Zyklen auf.

Die 8-bit-AVRMikrokontroller basieren auf einer RISC-Architektur, die dahingehend optimiert wurde, dass pro Taktzyklus eine Instruktion ausgeführt wird. Der zur Herstellung verwendete Prozess für nichtflüchtige Embedded-Speicher erlaubt es, auf dem Chip sowohl Flash- Speicher als auch EEPROM unterzubringen, die durch ein lokales SRAM zur Zwischenspeicherung von Daten ergänzt werden.

7060606_tm_04.jpg
Bild 6. TLP-Kennlinie eines Hochvolt-ESD-Schutzes, der die Anforderung von 6 kV auf Systemebene erfüllt.

Die Abhängigkeit des Leckstroms von der Temperatur ist in Bild 2 für einen Hoch-Volt-Transistor in SOI- und Bulk-Technologie gezeigt. Bei gleicher Geometrie sind die Leckströme bei SOI bis um den Faktor 50 geringer. Beim Bulk-Silizium hingegen nehmen die Leckströme bei hohen Temperaturen ein nicht tolerierbares Maß an.

Wie schon erwähnt, steigt neben der Leckstromproblematik zusätzlich das Risiko einer Zerstörung des Schaltkreises durch „Latch-up“ bei hohen Temperaturen signifikant an.

„Latch-up“ wird durch parasitäre Bipolartransistoren verursacht, die sich zwangsweise durch den Schichtaufbau der einzelnen Dotierungen von n- und p-Kanal-MOS-Transistoren in einem gemeinsamen Substrat ergeben (schematisch in Bild 3 dargestellt).

Diese parasitären Bipolartransistoren können einen Thyristor bilden. Die äquivalente Schaltung dazu zeigt Bild 4.

7060603_tm_05.jpg
Bild 3. Schematische Darstellung der parasitären Bipolartransistoren in Bulk-Silizium.

  1. Chips im Fegefeuer
  2. Autoren:
  3. Qualifiziert nach AEC-Q100 Grade 0

Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!