XML – quo vadis?

14. November 2007, 8:41 Uhr | Dr. Annerose Braune, Prof. Dr. Martin Wollschlaeger
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Erste Ansätze in Richtung übergreifende Modellierung

Ein solcher Ansatz für die übergreifende Modellierung ist das Metamodell von CAEX. Dieses maßgeblich von ABB und der RWTH Aachen entwickelte und inzwischen in der IEC 62424 als CDV im Standardisierungsprozess befindliche Beschreibungskonzept besitzt in der aktuellen Version 2.0 eine durchgängige Objektstruktur mit Identifiern und Namen zur Objektidentifikation. Im Gegensatz zu anderen Modellierungsvarianten, die konkrete Anlagenteile beziehungsweise Komponenten wie Pumpen oder Tanks mit ihren Eigenschaften beschreiben, definiert der CAEXAnsatz eine formale Beschreibungssprache, um beliebige Anlagenmodelle mit beliebigen Eigenschaften zu definieren. Mit anderen Worten: Das CAEX-Datenmodell abstrahiert von konkreten Anlagen-Entitäten und definiert wenige abstrakte Oberklassen, die es erlauben, Anlagen-Hierarchien, Anlagen-Elemente und deren Beziehungen untereinander zu beschreiben. Es unterstützt die Verteilung des Inhalts auf verschiedene Dokumente und besitzt die dafür notwendigen Referenzierungsmöglichkeiten.

Die Anwendung von CAEX könnte auf mindestens zwei Ebenen erfolgen: Zunächst ließen sich Elemente des Informationsmodells in CAEX-Bausteine und Bibliotheken umsetzen. Neben den Anlagen-Elementen selbst könnten das etwa die Geräte und deren Funktionen, die Bestellinformationen, oder auch die Konfigurationsdaten zur Inbetriebnahme sein. Denkbar wäre aber auch, bereits auf XMLbasierte Beschreibungssprachen aufzusetzen, die ja letztendlich ebenso „nur“ eine Repräsentation von Informationsmodellen darstellen. Insoweit wird CAEX erst durch weitergehende konkrete Modellierung und solche Bausteine in Werkzeugen nutzbar, jedoch ist es auch als Beschreibung auf der Meta-Ebene geeignet. Dabei ist noch zu evaluieren, inwieweit CAEX sich zur Beschreibung der Relationen zwischen verschiedenen XML-Lösungen nutzen lässt. In jedem Fall ist der praktische Einsatz als Austauschformat zwischen Werkzeugen an die Verfügbarkeit geeigneter Bibliotheken gebunden, die derzeit von einer Reihe von Anwendern aus dem Industriebereich und von diversen Forschungseinrichtungen entwickelt werden.

Ein weiterer übergreifender Ansatz ist im Bereich der Gerätemodellierung und -beschreibung mit dem Konzept „Field Device Integration“ – kurz FDI – erkennbar,  einer durch die FDT-Group und das EDDCooperation Team getriebenen Initiative. FDI hat zum Ziel, die zum Großteil firmenpolitisch motivierten Heterogenitäten der aktuellen Geräte-Integrationslösungen mit Gerätebeschreibungen wie EDD und Softwarekomponenten wie FDT/DTM zu überwinden. Eine wesentliche Rolle bei dieser Aktivität wird die Einbettung eigener Modelle in das Konzept der Informationsmodelle von OPC UA spielen.

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Verknüpfung verschiedener XMLSchemata mit Hilfe semantischer Annotationen: Die Sprachelemente werden mit Hilfe eines Glossars über ihre Bedeutung in Beziehung gesetzt. Diese Beziehungen lassen sich dann mit Werkzeugen automatisiert in Abbildungen und

Was anfangen mit den Freiheiten?

Heterogenität kennzeichnet nicht nur die Anwendungen von XML im Automatisierungsumfeld, sondern gleichermaßen die Rollen, die die einzelnen Unternehmen in diesem Umfeld einnehmen. Viele Firmen sehen sich rein als Anwender von XML-basierten Lösungen, deren primäre  Aufgabe darin besteht, eine automatisierungstechnischeAufgabe zu lösen, und nicht einer Technologie wie XML zu huldigen. Nichtsdestotrotz werden insbesondere die Werkzeugentwickler, aber zunehmend auch Gerätehersteller und Integratoren an der Entwicklung eigener XML-Lösungen kaum vorbei kommen.

Ihnen stellt sich die Frage, wie mit der Vielfalt der Freiheitsgrade, die XML bietet, umzugehen ist. Bis heute fehlen klare Anforderungskataloge an XML-basierte Lösungen, die aus der Anwendung in der Automation resultieren. Gerade neutrale Gremien und die diversen Nutzerorganisationen sind daher aufgerufen, diesbezüglich intensiv tätig zu werden. Zugegeben: Angesichts der Dynamik in der Entwicklung von ITTechnologien ist es sicher schwierig, die klassischen Standardisierungsmethoden mit ihren typischen Zeithorizonten von mehreren Jahren im Umfeld von XML anzuwenden. Dies entlastet die Community jedoch nicht von der Aufgabe, die beschriebenen  Abstimmungenvorzunehmen.

Was die Sache nicht einfacher macht, ist die Tatsache, dass viele der kommerziellen Werkzeuge aus dem IT-Bereich trotz langer Entwicklungshistorie immer noch fehlerhaft sind oder in verschiedenen Versionen und Sichten inkonsistente Aussagen bei der Prüfung von Dokumenten liefern. Andere Lösungen unterstützen nicht den aktuellen Stand der Spezifikationen bei W3C. Als sinnvolle Lösung dieser Probleme ist es ratsam, die erstellten Schemata und Dokumente mit mehreren Lösungen zu prüfen – etwa mit den Parsern in Apache Xerces, Microsofts MSXML und .NET. Für den Entwickler XML-basierter Lösungen stellen solche Werkzeuge eine unverzichtbare Grundlage dar; für die Anwender hingegen sind diese nur bedingt geeignet. Hier sind spezifische Editoren gefragt, zum Beispiel für die Erstellung von Gerätebeschreibungen. Entsprechende Angebote finden sich bis dato nur partiell im Markt – nicht zuletzt aus Kosten- und Aufwandsgründen in der Entwicklung. Über einheitliche Konzepte bei der Modellierung ließen sich auch diese Aufwände senken.

Dr. Annerose Braune
ist Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Automatisierungstechnik der TU Dresden, Fakultät Elektrotechnik und Informationstechnik.
Prof. Dr. Martin Wollschlaeger
ist Inhaber der Professur Prozesskommunikation an der Fakultät Informatik der TU Dresden. Er leitet den Arbeitskreis „XML in automatisierungstechnischen Anwendungen“.


  1. XML – quo vadis?
  2. Erste Ansätze in Richtung übergreifende Modellierung
  3. Vertikale Integration

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