Ziel der Automobilbranche ist es, auch Steuerungsaufgaben und Anwendungen, die die funktionale Sicherheit betreffen, über Ethernet abzuwickeln. Dafür sind Zykluszeiten im Echtzeitbereich und ein deterministisches Netzwerkverhalten Grundvoraussetzung. Genau diese Anforderungen sind es auch, die wir in der Linienautomatisierung moderner Produktionsanlagen haben. Daher haben wir uns gemeinsam mit anderen Automatisierungsfirmen dazu entschieden, OPC UA mit TSN echtzeitfähig zu machen.
Thomas Brandl, Programmleiter Communication Solutions bei Bosch Rexroth: TSN stellt sicher, dass auf der Datentransportebene Echtzeitanforderungen erfüllt werden können. Im Unterschied zu den klassischen Industrial-Ethernet-Systemen ermöglicht TSN dies ohne spezifische Erweiterungen des Ethernet-Standards. OPC UA stellt für alle Anwendungen einheitliche Zugriffsmechanismen auf Informationen zur Verfügung. Companion Standards erweitern die Zugriffsmechanismen um eine gemeinsame Semantik. Ich rechne damit, dass diese Vorteile zunächst in der Kommunikation von Steuerung zu Steuerung angewendet werden, wo heute eine Vielfalt untereinander nicht kompatibler Lösungen anzutreffen ist.
Heinrich Munz, Lead Architect Industry 4.0 bei Kuka: OPC UA ist längst nicht nur ein Kommunikationsprotokoll. Vielmehr umfasst OPC UA auch Mechanismen wie die für Service-orientierte Architekturen so wichtigen semantischen Service- oder auch Selbstbeschreibungen, Companion Specifications genannt. Damit kann sich eine bestimmte Art von Automatisierungsgerät vollständig selbst beschreiben, auch und vor allem maschinenlesbar. Dies ist die Voraussetzung für eine weitestgehend automatisierte M2M-Kommunikation – ohne Konfigurationsarbeiten, auch Self Configuration bzw. Zero Touch genannt. Deterministische Echtzeitkommunikation wird mit der Erweiterung von OPC UA um Pub/Sub-Mechanismen und TSN gewährleistet.
Rahman Jamal, Global Technology & Marketing Director bei National Instruments: TSN und OPC UA arbeiten auf verschiedenen (sich ergänzenden) Ebenen des Kommunikations-Stacks. TSN stellt Netzwerkdienste zur Verfügung und sorgt so für Zeitsynchronisation und die deterministische Zustellung von Datenpaketen. Um die Nutzdaten kümmert es sich allerdings nicht. OPC UA wiederum arbeitet auf der Applikationsebene. Es stellt sicher, dass die Nutzdaten des Pakets ein gängiges Format haben, das sowohl der Sender als auch der Empfänger verstehen. Wenn man es mit einem Telefonat vergleichen würde, wäre das in etwa so, als wäre TSN dafür zuständig, dass eine Verbindung zwischen den beiden Parteien hergestellt werden kann, deren Qualität hoch genug ist, damit die Parteien in Echtzeit hören können, was gesagt wird. OPC UA hingegen würde sich darum kümmern, dass für die Übermittlung der Botschaft dieselbe Sprache verwendet wird.
Georg Stöger, Director Presales Industrial IoT bei TTTech Computertechnik: OPC UA ist ein herstellerunabhängiger Standard für die Repräsentation der Maschinendaten und der Funktionen zur Verwaltung dieser Daten – von gesichertem Lesezugriff bis hin zur aktiven Konfiguration von Maschinen. Mit OPC UA wird es Diagnosesystemen, aber vor allem auch Lösungen auf Cloud-Basis möglich, auf Maschinen und Industriesysteme unterschiedlicher Hersteller zuzugreifen und die betriebsrelevanten Daten der Systeme zu „sammeln“, um dann beispielsweise Optimierungspotenzial der Funktionen zu identifizieren. OPC UA ist also geeignet, um unabhängig von einzelnen Herstellern oder Techniken die „Big-Data“-Cloud von Systembetreibern zu bedienen.
TSN ist ein Sammelbegriff für eine ganze Reihe von Erweiterungen des weltweit bekannten Ethernet-Standards. Die Erweiterungen adressieren primär die Anforderungen maschinennaher Datenkommunikation wie Robustheit, Echtzeit und Safety. Mit TSN lassen sich erstmals herstellerunabhängig Netzwerke realisieren, in denen die Konvergenz von IT- und Cloud-Verbindungen mit industrieller Datenkommunikation wie M2M-Anwendungen möglich ist.
Durch die Verbindung von OPC UA und TSN werden die Funktionen der beiden Standards kombiniert, um herstellerunabhängig Datenverbindungen von Cloud-Diensten mit einzelnen Elementen in industriellen Steuerungssystemen in konvergenten Netzwerken anbieten zu können, ohne dabei zeitgleich ablaufende echtzeitkritische Steuerungsfunktionen zu beeinflussen.