Die Weiterentwicklung eines einfachen Entwurfs zu einem komplexen System ist nichts Ungewöhnliches, dennoch ist es für Systementwickler oft schwierig, diese Komplexität zu handhaben und gleichzeitig eigene Innovationen zu beschleunigen. Die Kosten für den Entwurf einer Komponente übersteigen oft die Kosten für deren Integration in ein größeres System. Diese Herausforderung beim Entwurf von CPS verstärkt sich weiter, wenn zudem Software, Netzwerke und physikalische Prozesse berücksichtigt werden müssen. Entwickler konzentrieren sich also weniger auf neue Entwürfe, als auf die Integration von Cyber- und physikalischen Komponenten – und das oft mit nur wenig Wissen über das tatsächliche Verhalten einer Komponente, wenn sie mit anderen integriert ist. Systeme werden somit unflexibel und schlecht wartbar. Der Entwicklungsaufwand verlagert sich von Fachkenntnissen zur Systemintegration und von Innovation zur Standardisierung.
Cyber-Physical Systems sind zu komplex, als dass sie mit mehreren verschiedenen Werkzeugen und Techniken entwickelt werden können. Dr. Vijay Kumar, Assistant Director for Robotics and Cyber-Physical Systems im Weißen Haus, unterstreicht diesen wichtigen Punkt. Er gibt an, dass es »dringend notwendig ist, Entwurfsmethoden zu entwickeln, die eine garantierte Echtzeitleistung in CPS bieten.« Ingenieure benötigen also Werkzeuge für einen ganzheitlichen Entwurf des Systems und dessen Interaktionen mit der physikalischen Welt. Hier setzt National Instruments mit seinem Konzept des Graphical System Design an.
Ein Beispiel: Im Jahr 2003 waren 55 Millionen Menschen im Nordosten der USA von einem dreitägigen Stromausfall betroffen. Die Modellierungswerkzeuge für den Stromfluss zur Analyse der physikalischen Eigenschaften des Stromnetzes modellierten weder das Verhalten des automatischen Steuer- und Regelsystems, noch die Auswirkung auf das Netzwerk durch nachfolgende Abschaltungen. An diesem Beispiel wird der Bedarf eines ganzheitlichen Entwurfs bei Cyber-Physical Systems deutlich. Verschiedene Entwurfsmethoden für CPS ermöglichen es, die Interaktionen zwischen der Cyberwelt und der physikalischen Welt zu modellieren und zu erforschen. Nur so lassen sich diese und andere Fehler künftig frühzeitig erkennen und verhindern.
Plattformbasierter Entwurf von CPS
Eine bewährte Entwurfsmethode für Cyber-Physical Systems ist der plattformbasierte Entwurf. Nun kann man sich die Frage stellen: »Warum gerade plattformbasiert?« Plattformen sind erforderlich, um auf der Grundlage von vorhandener leistungsfähiger Hardware immer wieder Neues zu erschaffen. Man blicke etwas in den Rückspiegel: Mit dem PC beispielsweise wurde eine Standardrechnerplattform geschaffen, die eine Vielzahl von Anwendungen verdrängte, die auf eigens dafür entwickelten Geräten basierten. Mit dem Web war es dasselbe: Es schaffte eine standardisierte Möglichkeit des Informationsaustauschs und eröffnete eine völlig neue Welt der Verknüpfung von Informationen. Nichts anderes passiert momentan bei den mobilen Geräten: iOS und Android brachten eindrucksvolle Plattformen hervor, die sich nicht nur als disruptive Technologien für Smartphones erwiesen, sondern buchstäblich hunderte anderer Märkte massiv beeinflusst haben. Im Bereich mobiler Geräte wird entweder eine neue Plattform entwickelt oder auf einer bereits existierenden Plattform aufgebaut – benutzerdefiniertes Hardware-Design gibt es nicht mehr. Und auch im Bereich der Mess-, Steuer-, Regel- und Embedded-Systeme ist der plattformzentrierte Systemdesignansatz nicht zu übersehen.
Der Plattformansatz bei National Instruments heißt »Graphical System Design« und ermöglicht genau dies: Auf der Grundlage vorhandener modularer rekonfigurierbarer Hardware, gepaart mit einer einheitlichen Softwareumgebung und der Möglichkeit der nahtlosen Integration von COTS (Commercial-off-the-Shelf-Werkzeugen) immer wieder Neues zu erschaffen. Unzählige Anwendungen in den unterschiedlichsten Gebieten wie Automobilindustrie oder in der Luft- und Raumfahrt basieren bereits auf diesem Ansatz. Eine Plattform kann als Abstraktionsschicht verwendet werden, so dass man sich mit der Abstraktionsebene beschäftigen kann, ohne sich in Implementierungsdetails zu verlieren. Das Ergebnis sind Entwürfe, die in viele Komponenten unterteilt, kombiniert und modularisiert sind. Klare Verknüpfungen erlauben das Ersetzen oder Aktualisieren von Plattformelementen durch einsatzfertige Standardhardware, um Entwicklungskosten zu senken und das Life-Cycle-Management zu vereinfachen. Plattformelemente können für Test-Frameworks, das Requirement Tracking, Verifizierung und Dokumentation erneut verwendet, mit neuen Werkzeugen ausgestattet oder genutzt werden.
Dr. Alberto Sangiovanni-Vincentelli, eine Koryphäe auf dem Gebiet Cyber-Physical Systems an der University of California, Berkeley, bringt es auf den Punkt: Das Entwickeln von Cyber-Physical Systems gleicht der Zähmung des Dr. Frankenstein. Entscheidend beim Design von Cyber-Physical Systems ist die Möglichkeit, auf Systemebene entwickeln zu können und sich nicht mit den Einzelheiten der Implementierung auseinandersetzen zu müssen. Richtig effektiv ist das Entwickeln eines CPS erst dann, wenn das Design, das Prototyping und der Serieneinsatz auf Basis einer Plattform umgesetzt werden.