Aufgrund der Bandbreite und der Übertragungsdistanz eignet sich die G.hn-Technologie für Anwendungen mit hohem Datenaufkommen, wie es etwa in Videoüberwachungsanlagen der Fall ist. Die Kameras erfordern wegen ihrer hohen Auflösung in HD, Full HD oder 4K zur Weiterleitung der Bilder eine entsprechende Bandbreite. Bei professionellen Videoüberwachungsanlagen sind oft erhebliche Distanzen zwischen den Kameras und den am nächsten verbauten Netzwerkkomponenten zu überbrücken. In solchen Fällen reichen die beim Standard-Ethernet verfügbaren 100 m Kabellänge meist nicht aus. An dieser Stelle kann G.hn Abhilfe schaffen und auch weit entfernt montierte Kameras mit hohem Bandbreitenbedarf in das Netzwerk integrieren und mit Energie beliefern.
Bei älteren Überwachungsanlagen werden analoge Kameras genutzt, die über Koaxialkabel an die Zentrale angekoppelt sind. Daraus ergibt sich der Vorteil, dass die Entfernung zwischen Kamera und Rekorder bis zu 400 m betragen darf. Findet eine Modernisierung der Anlagen statt, ermöglicht G.hn die Beibehaltung der vorhandenen Verkabelung. Lediglich die analoge ist gegen eine IP-Kamera zu tauschen. Der Anwender muss somit nicht auf eine hohe Auflösung der Videobilder verzichten (Bild 4).
Verglichen mit dem ISO/OSI-Referenzmodell beschreibt G.hn nicht nur den Physical Layer (erste Schicht), sondern auch den Data Layer (zweite Schicht), was den Standard deutlich von anderen Technologien wie SPE, SHDSL und VDSL abhebt. Auf diese Weise eröffnet G.hn die Option, komplexere Netzwerktopologien aufzubauen und zu managen.
Mit den Gigabit Ethernet Extendern von Phoenix Contact lassen sich Netzwerkteilnehmer in verschiedenen Topologien miteinander vernetzen. Über die einfache Punkt-zu-Punkt-Verbindung hinaus unterstützen die Geräte Linien-, Stern- und Baumstrukturen. Der Aufbau von Ringstrukturen ist ebenso realisierbar, sodass eine Redundanzfunktion umgesetzt werden kann. Dazu sind alle teilnehmenden Extender parallel miteinander verbunden. Bei der Twisted-Pair-Variante erfolgt dies über die Push-in-Klemme, dagegen werden bei der Koax-Variante die üblichen BNC-T-Stücke eingesetzt. Das integrierte G.hn-Management erlaubt die Verwaltung von maximal 15 Geräten, an denen keine Einstellungen vorgenommen werden müssen: Die Gigabit Ethernet Extender lassen sich per Plug-and-play installieren. Anwender sollten jedoch beachten, dass sich die maximale Datenrate von 1 Gbit/s mit der zunehmenden Anzahl von Extendern verringern kann (Bild 5).
Die G.hn-Technologie hat ihren Weg aus dem Home-Networking-Bereich in die industrielle Applikation gefunden. Sämtliche Vorteile von G.hn werden von den neuen Gigabit Ethernet Extendern von Phoenix Contact zur Verfügung gestellt. Die Geräte ermöglichen eine flexible breitbandige Anwendung bis 1 Gbit/s über beliebige Zweidrahtleitungen und Koaxialkabel. Durch die Nutzung bestehender bis zu 1 km langer Leitungen sparen Anwender Investitionskosten ein. Mit der Funktion Power-over-Link (PoL) können sich die Extender untereinander versorgen, durch Power-over-Ethernet (PoE) werden angeschlossene PoE-Teilnehmer über die Datenleitung mit Spannung beliefert. Aufgrund der Plug-and-play-Installation der Geräte ist eine flexible Netzwerkgestaltung von einer Punkt-zu-Punkt- und Linienstruktur bis zur Stern- und Ringtopologie realisierbar.
Die Gigabit Ethernet Extender eignen sich besonders für die Videoüberwachung, weil moderne Videotechnik hohe Anforderungen an die teilweise ausgedehnte Netzwerkinfrastruktur stellt. G.hn erweist sich also nicht als einzige Technologie in ihrem industriellen Anwendungsbereich, markiert aber einen weiteren Schritt in der Evolution der Ethernet-Übertragung.
Die G.hn-Technologie der Gigabit Ethernet Extender ermöglicht die Stromversorgung der Geräte untereinander sowie der angeschlossenen Netzwerkteilnehmer über die Datenleitungen. Alle Geräte bieten eine Funktion, die ähnlich wie bei Power over Ethernet (PoE) arbeitet. Dabei wird der zweite angebundene Extender vom ersten Extender über die G.hn-Datenverbindung zusätzlich mit Strom beliefert. Die Funktion, Power over Link (PoL) genannt, lässt sich wahlweise aktivieren, etwa wenn keine Versorgungsmöglichkeit im Feld besteht. Darüber hinaus werden durch das Wegfallen von Netzteilen und deren Montage weitere Kosten eingespart.
Außerdem kann der per PoL belieferte Gigabit Ethernet Extender beispielsweise eine angekoppelte PoEfähige Kamera gemäß 802.3at bis 30 W versorgen. Aufgrund des Gesamtleistungsbudgets des einspeisenden Geräts lassen sich nicht alle im Netzwerk installierte Extender mit PoL beliefern. Ein Mischbetrieb ist jedoch möglich: Weitere an das Netzwerk angeschlossene Extender können lokal versorgt werden und PoE an ihre angebundenen Endteilnehmer ausgeben. Auf diese Weise lassen sich Endgeräte direkt über die Datenleitung beliefern, ohne ein zusätzliches Netzteil montieren zu müssen (Bild 6).
Der Autor
Bernd Rosenbaum
ist Produktmanager im Bereich Automation Infrastructure bei Phoenix Contact Electronics in Bad Pyrmont.