»Die DFP-Funktion wird sich nur dann in der Automatisierungstechnik etablieren, wenn sie kompatibel zu den Betriebsarten RT und IRT in das Netzwerk einfügbar ist und die bekannten Vorteile der Profinet-Technik erhalten bleiben«, betont Wilmes. In einem Profinet-System mit DFP-Funktion müssen die Teilnehmer also ohne zusätzliche Maßnahmen über das TCP/IP-Protokoll Daten austauschen können. Alle Komponenten verfügen über eine IP-Adresse. Webserver und weitere Ethernet-gestützte Techniken lassen sich bis an jedes Endgerät führen. Außerdem kann der Anwender zusätzliche Teilnehmer wie Scanner, Anzeige-Displays oder Bedienstationen auf PC-Basis an beliebiger Stelle in das Kommunikationssystem einbinden. »Die Anwendersicht auf das Netzwerk bleibt also mit der DFP-Funktion gleich«, fasst Wilmes zusammen. »Das gilt ebenso für Adressierung, Diagnosemechanismen und Kommunikationsprofile sowie die Topologieerkennung und den automatischen Gerätetausch – alles Leistungsmerkmale, die der Anwender unverändert nutzen kann.«
Was bringt die DFP-Funktion?
Die DFP-Funktion umfasst unterschiedliche Maßnahmen, die aus dem 2007/08 durchgeführten Forschungsprojekt »Echtzeit-Ethernet in der Sensor/Aktorvernetzung« am Institut Industrial IT der Hochschule Ostwestfalen-Lippe (inIT) resultieren. »Die inIT-Studie analysiert die Potenziale von Echtzeit-Ethernet-Systemen und zeigt auf, welche Parameter verändert werden müssen, um Profinet zum schnellsten Echtzeit-Ethernet-Protokoll zu machen«, verdeutlicht Wilmes. Entsprechende Ansätze flossen in eine Test-Implementierung ein und wurden mittels einer realen Hardware auf FPGA-Basis in Echtzeit verifiziert. Der Fokus lag dabei auf den Durchleitezeiten, der Telegramm-Effektivität und der Reduzierung der Taktrate.
Um den kritischen Faktor »Durchlaufzeit« in jedem Gerät zu verbessern, ist die Switch-Funktion näher untersucht worden. Ein Standard-Profinet-Telegramm kann erst dann im Switch weitergeleitet werden, wenn der komplette Ethernet-Header durchlaufen ist. Deshalb wurde der Entscheidungszeitraum des Switches durch die Umstellung auf Multicast-Adressen mit integrierter Profinet-Kennung nahezu halbiert. »Dies entspricht einer Optimierung von weniger als 1 µs pro Gerät, was in einer langen Gerätekette große Auswirkungen auf die Synchronität hat«, betont Wilmes.
Weil Profinet konform zum Standard-Ethernet-Protokoll ist, wird jedes Telegramm bis zu einer Länge von 64 Byte aufgefüllt. Viele kurze Telegramme mit wenigen E/A-Informationen nutzen die vorhandene Bandbreite ineffektiv. Um dies zu umgehen, fasst die DFP-Funktion die Daten, welche an die in einer Linie angeordneten Geräte verschickt werden sollen, zu einem virtuellen Teilnehmer zusammen. »Das Telegramm mit den Informationen für alle Geräte verletzt dabei das Standard-Ethernet-Protokoll nicht«, stellt Wilmes klar. Um die Effektivität der Kommunikation weiter zu verbessern, entnimmt jeder Teilnehmer der Linie von der SPS ausgehend seine E/A-Informationen aus dem Gesamt-Telegramm, das sich dabei stetig verkürzt, so dass es nicht mehr in voller Länge durch alle Geräte geleitet werden muss. In Eingangsrichtung zur Steuerung startet der letzte Teilnehmer der Linie das Telegramm, das sich auf seinem Weg durch die Gerätekette wieder aufbaut.
»Wird bei der Kommunikation, die von der SPS ausgeht, der letzte Teilnehmer der Linie zuerst in das Summentelegramm gepackt, lässt sich ein zusätzlicher Windschatteneffekt erzielen«, ergänzt Wilmes. »Das bedeutet, dass mit dem letzten Gerät der Linie alle Teilnehmer ihre Daten erhalten haben, so dass der Ausgangszyklus abgeschlossen ist.«
Eine andere Maßnahme trägt zur Reduzierung der Taktzeiten für die Datenübertragung auf bis zu 32 µs bei. Damit trotz dieser Erweiterung eine TCP/IP-Kommunikation möglich ist, werden die Non-Realtime-Telegramme der DFP-Linie in kleineren Einheiten verschickt.
»Empfängt ein Teilnehmer beispielsweise an einem offenen Port ein längeres Ethernet-Telegramm von einem Fremdgerät, zerlegt er das Telegramm in mehrere Bestandteile, die vom letzten Teilnehmer, bei dem es die DFP-Linie wieder verlässt, automatisch zusammengesetzt werden«, erklärt Wilmes. »Das Zerlegen ist ab einer Update-Rate von weniger als 250 µs nötig, weil ein langes Ethernet-Telegramm dann nicht mehr in einem Zyklus übertragbar ist.«
Die maximale Ethernet-Telegrammlänge einer DFP-Linie ist auf 1400 Byte begrenzt. Weil neben den zu addierenden E/A-Daten pro Teilnehmer der Kette weitere je 6 Byte für Statusinformationen und die Checksumme zu berücksichtigen sind, lässt sich die Telegramm-Durchleitezeit auf dem Medium leicht berechnen. »Durch die DFP-Funktion erhöht sich die Teilnehmerzahl im IRT-Netz erheblich«, hebt Wilmes hervor. »Bei gleicher Teilnehmerzahl ergibt sich also andersherum eine mögliche Verringerung der Update-Rate. Andere Eckwerte des IRT-Netzes wie der maximale Jitter von weniger als 1 µs verändern sich nicht.« Die IRT-Funktion beruhe weiterhin auf 100-MBit-Fullduplex-Netzen, die die Geschwindigkeits-Anforderungen aktueller Anwendungen in jedem Fall erfüllen.
Umfassende Spezifizierung
Die beschriebenen Optimierungsmaßnahmen werden derzeit in den Arbeitsgremien der Profibus-Nutzerorganisation (PNO) herstellerübergreifend spezifiziert. Alle wichtigen Techniklieferanten für Chipsätze und Stacks arbeiten den Standard gemeinsam weiter aus, wobei der Prozess Ende 2009 beendet sein soll. »Basis für die Tätigkeiten ist dabei die erwähnte Test-Implementierung«, berichtet Wilmes.
Als nächster Schritt werden die Conformance-Klassen angepasst, so dass die DFP-Funktion auch hier fest verankert ist. »Ab 2010 wird dann jedes Gerät, das auf entsprechenden Chipsätzen beruht, automatisch DFP enthalten«, stellt Wilmes klar. »Wann die Funktion flächendeckend in allen Steuerungen und E/A-Stationen zur Verfügung stehen wird, lässt sich allerdings schwer abschätzen.«
Erst wenn alle Steuerungs- und Gerätehersteller die DFP-Funktion als Standard in ihre Komponenten integrieren, lassen sich bestehende Anlagenkonzepte oder neue Applikationen auf Basis von Profinet mit DFP optimieren. »Damit sich DFP schnell verbreitet, wird der ab Anfang 2010 erhältliche neue Profinet-ASIC TPS1 des Phoenix-Contact-Tochterunternehmens KW-Software die Funktion unterstützen«, kündigt Wilmes an. »Der TPS1 ist preislich und funktional unterhalb der bestehenden Profinet-ASICs angesiedelt und daher besonders für einfache E/A-Geräte interessant. Hier vereinfacht er die Entwicklung eines Profinet-Geräts erheblich – und das auf dem Preisniveau heutiger Feldbus-Anschaltungen.« Darüber hinaus werde die DFP-Technik in den Controller-Stack von KW-Software einfließen.
»Als Zusatzfunktion des Profinet-Standards ist DFP nicht zwingend nötig - bereits jetzt lassen sich mit Profinet IO-RT und -IRT fast alle Anwendungen realisieren«, resümiert Wilmes. »Wenn jedoch einzelne zusätzliche Anforderungen wie größere Datenmengen oder Condition Monitoring über das Bussystem umzusetzen sind, ist die DFP-Erweiterung explizit nötig.« (ak)