Die Automatisierungsbranche wird auch in den beiden kommenden Jahren ein beachtliches Wachstum erzielen. Treibende Faktoren sind die günstige konjunkturelle Lage, der Übergang zur energieeffizienten Produktion, die Erzeugung und Verteilung von Energie aus erneuerbaren Quellen, das Vordringen der IT in die Produktion und die integrierte Sicherheitstechnik. Auch öffentliche Infrastrukturprojekte werden eine gewisse Rolle spielen.
Ein Konjunkturzyklus dauert im Durchschnitt sieben Jahre. Das heißt in anderen Worten: Ökonomen und Analysten stellen sich alle sieben Jahre die Frage, ob man wieder dort sei, wo man vor sieben Jahren schon war. Wenn ja, würde die Automatisierungsbranche in wenigen Jahren einen Boom erleben. Wiederholt sich also das Geschehene?
Wo waren wir?
Von Zeit zu Zeit muss man über das Vergangene reden, um seinen Standpunkt zu bestimmen. Das gilt besonders für die Konjunkturforschung. Die Grafiken 1 und 2 zeigen die Entwicklung des europäischen Automatisierungsindex von ARC, der die Entwicklung des Umsatzes der europäischen Automatisierungstechnik-Anbieter auf Quartalsebene widerspiegelt. Die grünen Säulen zeigen dabei das Wachstum zur Vorjahresperiode, die rote Linie den Absolutwert des Index.
2003 bis 2005: In diesen Jahren verlief der Umsatz stabil, und die Branche stagnierte de facto während der Erholung nach der 2000/2001-Rezession, die durch das Platzen der New-Economy-Blase ausgelöst wurde. Schon in dieser Krise zeigten die Kapitalmärkte, dass sie für die Realwirtschaft nicht nur Allokator von Risiken sein können, sondern auch Verursacher schwerer Verwerfungen.
2006 bis 2007: In diesen Jahren erlebte der europäische Automatisierungsmarkt das stärkste Wachstum seit Erfindung der SPS. Bei Maschinenherstellern wie Systemintegratoren übertrafen die Auftragseingänge die Umsätze, und es baute sich langsam ein großes Backlog auf, das gerade in den Prozessindustrien den Fall dämpfen sollte. Während die Automatisierungsbranche jubelte, gerieten zu dieser Zeit schon die ersten Finanzinsitute in Schieflage, Northern Rock ging pleite, und die Immobilienkrise begann langsam aber sicher in Finanzkreisen für Unruhe zu sorgen.
2008: In diesem Jahr drehte der Wind, die Weltwirtschaft rutschte in eine Rezession, weil die Verwerfungen im Bankensektor einen Rückgang der Konsumenten-Nachfrage bewirkten. Die Nachfrage ging im Wesentlichen bei privaten Investitionsgütern wie Möbeln, Automobilen und elektronischen Geräten zurück. Vor allem die Automobilindustrie zog gleich mehrere Industrien, darunter vor allem die chemische Industrie, mit in den Abgrund. Weil die betroffenen Industrien einen eher kurzen Investitionszyklus haben, sahen sich Automatisierungstechnik-Anbieter mit der prekären Lage konfrontiert, dass die Nachfrage auf breiter Front einbrach und gleichzeitig die Banken nicht in der Lage waren, mit günstigen Krediten über die Durststrecke hinwegzuhelfen.
Die Investitionen waren bereits Anfang 2008 negativ, die Automatisierungsbranche schrumpfte, erstmals seit Jahrzehnten, im dritten Quartal 2008 gegenüber dem Vorquartal. Im vierten Quartal war auch das Wachstum zum Vorjahrswert negativ.
2009: Die Automatisierungsbranche reagierte unterschiedlich auf diesen Schock. Gerade in Deutschland, wo die Erfahrung des Ingenieurmangels vielen noch in den Knochen steckte, wurden Mitarbeiter eher gehalten als entlassen. Die Kurzarbeit erleichterte dies den Unternehmen.
Besonders stark litten Automatisierer, die primär auf kurzfristiges Produktgeschäft eingestellt sind, etwa die Sensorikbranche. Sick musste 2009 einen Umsatzrückgang von 19 Prozent verkraften und führte im Dezember 2008 Kurzarbeit ein. Balluff folgte mit der Kurzarbeit im Frühjahr 2009 und Leuze Electronic im Sommer. Bei Wenglor waren insgesamt rund 360 Mitarbeiter von der Kurzarbeit betroffen, bei ifm waren es 550. Laut dem AMA Fachverband für Sensorik wurden in Deutschland aber nur 3 Prozent der Arbeitsplätze in der Sensorikbranche abgebaut.
Insgesamt, schaut man auf die Kurven, entwickelten sich in dieser Krise, zumindest in Europa, Investitionen, BIP, Konsumnachfrage und Automatisierungsmärkte parallel. Das früher postulierte Nachhinken der Automatisierungsmärkte ist nicht zu erkennen.
2010: In diesem Jahr fand das große Aufatmen statt. Das Wachstum zum Vorquartal drehte schon im vierten Quartal 2009 in den positiven Bereich zurück, der Vergleich zum Vorjahr erst im ersten Quartal 2010. Die rasche Erholung, die im Index zu sehen ist, vollzog sich auf breiter Front. Bis auf wenige Ausnahmen haben viele Firmen bereits wieder einen Umsatz erreicht, der identisch ist mit dem der frühen Boomjahre.
Wo sind wir?
Eine Frage, die oft zu Streitigkeiten führt, ist die der Standortbestimmung. In welcher Phase des Konjunkturzyklus wir uns befinden, ist nämlich nicht immer klar zu definieren. Die ARC Advisory Group ist der Meinung, dass sich die Automatisierungsmärkte in starkem Aufschwung befinden. Die anfangs aufgeworfene Frage, ob die Situation nun eine Wiederholung von 2003 sei, kann mit einem entschiedenen Nein beantwortet werden. Hier die entsprechenden Gründe:
1. Die Automatisierungsmärkte erlebten einen solchen Einbruch um das Jahr 2000 herum nicht.
2. Die Dynamik veränderte sich, und der Automatisierungsmarkt reagierte parallel zu den großen wirtschaftlichen Kenngrößen.
3. Die Krise von 2007/2009 ist kaum mit der von 2000/2001 zu vergleichen, sie war in jeder Hinsicht globaler und schwerwiegender.
4. Die Automatisierungsmärkte sind stärker von China und anderen Schwellenländern abhängig.