Bei den klassischen Industrie-PC-Formfaktoren gehören nach wie vor ATX, microATX und Mini-ITX zum Standard. Generell setzt die Industrie hauptsächlich standardisierte 19-Zoll-Gehäuse in unterschiedlicher Höhe und Tiefe mit sieben oder mehr Kartensteckplätzen, Box-PCs für bis zu vier PCI- oder PCI-Express-Karten oder Mini-IPCs zur Hutschienenmontage ein. Für industrielle Anwender wird dabei immer wichtiger, dass die Gehäusetechnik über Jahre oder gar Jahrzehnte unverändert bleibt. Die Elektronik - also das »Innenleben« - kann und soll dabei durchaus mit den technischen Anforderungen mitwachsen.
Preisgünstige Stereo- oder Multikamera-Anwendungen mit Gigabit-Ethernet- oder USB-2.0-Kameras begnügen sich mit sogenannten Kompakt- oder Embedded-Systemen der Intel-Atom-Klasse. Bildverarbeitungs-PCs etwa für anspruchsvolle Stereo-Anwendungen mit hoher Bandbreite pro Gigabit-Ethernet-Port und großen Distanzen zwischen PC und Kameras erfordern eine Mehrkern-CPU-Technik, wie sie Intel etwa in den Prozessorfamilien i3, i5 und i7 bietet. So eignen sich Box-PCs der Serie »CamCube 3.0« von Pyramid Computer mit acht USB-3.0- und zwei oder mehr Gigabit-Ethernet-Anschlüssen wegen ihres i7-Prozessors für rechenintensive Aufgaben der IBV oder der Videoüberwachung. Peripherie-Geräte lassen sich zentral steuern. Der Vierkernprozessor hat bei einer Leistungsaufnahme von 77 W eine Taktfrequenz bis 3,5 GHz. Optional ist auch ein i5-, i3- oder Celeron-Prozessor einsetzbar. Der Box-PC lässt sich bei einer Umgebungstemperatur von 0 bis +50 °C betreiben.
Weil die Bildverarbeitungstechnik immer feinere Strukturen und Details in immer kürzerer Zeit prüfen muss, wachsen auch Auflösung und Geschwindigkeit der Kameras konsequent an. Für möglichst viel Rechenleistung und Datendurchsatz kommen hier High Performance Computer (HPC) zum Einsatz. Dabei spielen Performance und Integration eventuell benötigter Erfassungs- und Beschleunigungs-Boards eine wichtige Rolle. Zudem muss das PC-System in der Lage sein, die erforderliche Datenbandbreite zwischen allen Erweiterungskarten zu garantieren.
Intelligente Kameras versus PC-gestützte Bildverarbeitungssysteme
Das Angebot intelligenter Kameras und Vision-Sensoren nimmt derzeit stark zu, und die Hersteller bringen kontinuierlich neue Produkte auf den Markt. Die intelligenten Systeme nehmen Bilder nicht nur auf und übertragen sie, sondern führen auch die gesamte Bildverarbeitung und -interpretation durch. Viele Branchenkenner vermuten, dass sie PC-gestützte Bildverarbeitungssysteme verdrängen könnten. Laut aktuellen VDMA-Zahlen ist dies jedoch nicht eingetreten: Hoch integrierte Kompaktsysteme haben demnach in den vergangenen Jahren überdurchschnittliche Zuwächse verbucht, doch 2011 wuchs der Markt für komplexe Systeme auf PC-Basis mit einem Plus von 30 Prozent deutlich schneller als der für Kompaktsysteme (plus 17 Prozent). Zudem liegt der Anteil der komplexen PC-gestützten Systeme am Branchenumsatz laut VDMA mit 38 Prozent weit vor dem Anteil der Kompaktsysteme (8 Prozent). Als Gründe dafür nennt der Verband weiterhin steigende Anforderungen an die Leistungsfähigkeit, die in vielen Fällen nur von komplexen, PC-gestützten Systemen erfüllt werden können.
Der Markt wird spannend bleiben, und es bleibt abzuwarten, ob sich intelligente Kameras in naher Zukunft durchsetzen können. Derzeit scheint dies aber nicht der Fall zu sein. Zu bezweifeln ist vor allem, ob die Anwender bereit sind, ihre bestehenden komplexen Systeme durch intelligente Kameras und Vision-Sensoren zu ersetzen und so ihre bereits getätigten Investitionen in Frage zu stellen und den Investitionsschutz aufzugeben. Vieles spricht dafür, dass beide Lösungsansätze noch für eine ganze Weile koexistieren werden.
Sebastian Wagner ist Manager Business Development Industry bei Pyramid Computer.