Kapazitätsmärkte fehlen

dena: Versorgungssicherheit 2022 nicht gewährleistet

21. November 2013, 14:28 Uhr | Hagen Lang
Damit die schon leicht deformierte Energiewende nicht den Weg aller Seifenblasen geht, muss sich die Politik etwas einfallen lassen

Unzureichend sind für Stephan Kohler, Vorsitzender der dena-Geschäftsführung, die Maßnahmen der Bundesregierung, nach dem Atomausstieg 2022 Versorgungssicherheit herzustellen. Der derzeitige Zustand, dass sämtliche Kraftwerksbetreiber Verluste machen, sei unhaltbar.

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Durch den erheblichen Rückstand beim Aufbau von Offshore-Windparks ergibt sich zum Atomausstiegs-Termin 2022 ein enormes Defizit an Kraftwerksleistung (Energie&Technik berichtete). Auf die wegbrechende Versorgungssicherheit macht jetzt Stephan Kohler, Vorsitzender der Geschäftsführung der Deutschen Energie Agentur (dena) die Bundesregierung aufmerksam. »Die Brisanz des Themas ist offenbar vielen nicht klar«, sagt er. »Der Atomausstieg ist richtig, der Ausbau der erneuerbaren Energien auch. Aber die Erneuerbaren müssen sinnvoll integriert und durch fossile Kraftwerke, Speicher und abschaltbare industrielle Anlagen ergänzt werden – und zwar in enger Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn. Nur so kann die Energiewende ein Erfolg werden.«

Die dena weist darauf hin, dass die vorhandenen Kraftwerkskapazitäten mittelfristig nicht ausreichen, um die Energiewende sicher, bezahlbar und nachhaltig zu realisieren. Durch das Abschalten der Atomkraftwerke bis 2022 ergibt sich ein akuter Bedarf an neuen, effizienten Gas- und Kohlekraftwerken. »Deutschland braucht eine Stromversorgung, auf die es sich verlassen kann«, sagt Stephan Kohler. „Strom aus Wind- oder Sonnenkraft ist nicht jederzeit verfügbar. Deshalb werden wir auf absehbare Zeit auch bei einem hohen Anteil an regenerativen Energien auf eine beträchtliche Leistung auf fossiler Basis als Ausgleich angewiesen sein. Im Moment machen aber alle Kraftwerksbetreiber Verluste, vom großen Energieversorger bis zum kommunalen Stadtwerk. Denn bezahlt wird nur der gelieferte Strom, nicht die zur Verfügung gestellte Leistung. So kann es nicht weitergehen.«

In der gegenwärtigen Marktsituation wird nichts mehr in Kraftwerksinfrastruktur investiert, obwohl dies zur Vermeidung der Kraftwerkslücke 2022 dringend nötig wäre. »Die bisherigen Pläne der Koalitionsparteien, die Einführung eines Marktes für gesicherte Kraftwerksleistung lediglich prüfen zu lassen, greifen noch zu kurz«, kritisiert Kohler. »Wir brauchen die verbindliche Einführung von Kapazitätsmärkten«.

»Kapazitätsmärkte« bezeichnen ein Energiemarktdesign, in dem die Kraftwerksbetreiber nicht nur für den tatsächlich gelieferten Strom entlohnt werden, sondern auch für die Bereitstellung der Betriebsbereitschaft der Kraftwerke und damit der Stabilität des Energieversorgungssystems insgesamt. Die Finanzierung könnte durch eine zusätzliche »Umverteilung« geschehen, die entweder vom Stromkunden oder Steuerzahler zu entrichten wäre, das Angebot könnte, wie die dena vorschlägt, über einen »Kapazitätsmarkt« eingeholt werden, der über europaweite Ausschreibungen die kostengünstigste Leistung ermittelt, die zur Wahrung der Versorgungssicherheit notwendig ist. Die Ausschreibung sollte technologieoffen sein, aber Obergrenzen für die CO2-Emissionen von Kraftwerken festlegen. Das von der dena vorgeschlagene Marktmodell beinhaltet auch Speichertechnologien und Industriebetriebe, die zu bestimmten Zeiten ihren Stromverbrauch gezielt herunterfahren können und so der Stabilisierung des Stromsystems dienen.

Der befürchtete Kraftwerksmangel wird vor allem Süddeutschland treffen, wo zwei Drittel der geplanten Kraftwerksstillegungen erfolgen. Selbst bei planmäßigem (und unrealistischem) Offshore-Ausbau würde wohl »zivilgesellschaftlicher« Widerstand gegen neue Stromtrassen Süddeutschland erst einmal vom Nordsee-Strom abschneiden.


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