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Smart Grid und Gebäudeautomatisierung zusammenführen

12. November 2012, 16:10 Uhr | Andreas Knoll
Hans Symanczik, Kieback&Peter: »Ein Großteil des Datenverkehrs wird auch künftig per Draht fließen, schon allein deshalb, weil jeder Bau weiterhin mit Vorrichtungen für Verkabelungen ausgestattet sein wird und dann dort auch ein Buskabel gezogen werden kann.«
© Kieback&Peter

Die Integration von Gebäudeautomatisierung und Smart Grid ist eine der Herausforderungen, die der Wandel hin zu erneuerbaren Energiequellen mit sich bringt. Es gilt dabei, Kommunikationsstrukturen und Protokolle zu harmonisieren. Welche technischen Grundlagen bestehen dafür auf der Gebäudeautomatisierungs-Seite?

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Eine Voraussetzung für das Gelingen der Energiewende ist, dass das Stromnetz vom größten Erzeuger bis zum kleinsten Verbraucher »smart« wird. Die Automatisierungssysteme der einzelnen Gebäude sind folglich ins Smart Grid einzubeziehen: »Gebäude sind Teile des Smart Grid, als Verbraucher ebenso wie als Erzeuger«, verdeutlicht Karl-Heinz Sanders, Leiter Market Management Gebäudeautomation bei Wago Kontakttechnik. »Die optimale Synchronisation der Teilnehmer dieses komplexen Geflechts muss sichergestellt werden. Hierzu bedarf es weltweit gesetzlicher Vorgaben für Protokolle ebenso wie für deren Einhaltung. Ohne eine solche internationale Harmonisierung wäre das Zusammenwirken von Energieerzeugern (Plus-Energiehäuser), Verbrauchern (Smart Meters) und Speichern (Autos an der häuslichen Ladestation) auf der einen Seite und den Netzbetreibern auf der anderen Seite kaum umsetzbar.« Gebäudeautomatisierung und Smart Grid müssten noch viel näher zueinander gebracht werden, um die nachhaltige Ressourcenschonung fossiler Brennstoffe zu erreichen und den schwierigen Wechsel auf regenerative Energien zu schaffen.

Die Gebäudeautomatisierungs-Komponenten als solche sind dabei aber nicht das Problem: »Technisch gesehen sind die derzeit am Markt erhältlichen Automatisierungskomponenten längst für Smart-Grid-Anwendungen geeignet«, erläutert Sanders. »Einzig die noch nicht vereinheitlichte Kommunikationsstruktur verhindert ihren reibungslosen Einsatz in solchen Applikationen.«

Laut Thomas Elsner, Geschäftsführer von Elsner Elektronik, bietet sich für die Integration von Gebäudeautomatisierung und Smart Grid »ein etabliertes System an, das offen ist für die neuen Techniken und Geräte, die für das Energie-Management erforderlich sind«. Das Bussystem KNX sei dafür gut geeignet, »weil es schon heute fast alle Geräte und technischen Gewerke im Haus vernetzen kann«. Was fehle, seien »die aktuellen Daten aus dem Stromnetz, also Tarifinformationen bei Fremdanbietern oder Verfügbarkeit bei eigenen Anlagen.«

Aus Sicht von Ralf Wohlschläger, Senior General Manager im Bereich Sales & Product Management und Sales Planning & Controlling - Control & Drives - bei Panasonic Electric Works Europe, steht die Zusammenführung von Gebäudeautomatisierung und Smart Grid noch nicht wirklich auf der Tagesordnung: »Smart Grid ist ein Begriff, hinter dem sich viel verbirgt, und derzeit laufen gerade einmal erste Pilotprojekte an«, sagt er. »Die Standardisierung ist hier noch in der Entstehungsphase. Für unsere Kunden ist derzeit die Kommunikation nach der IEC-Norm 60870 wichtig und ausreichend. Dieses Protokoll bieten wir als Zusatzpaket in unserem ‚FP-Web-Server‘ an. In Zukunft wird hier sicherlich einiges weiterentwickelt, und die IEC-Norm 61850 wird vermutlich eine wichtige Rolle übernehmen.«

Auch Hans Symanczik, Vertriebs & Marketing Management/OEM bei Kieback&Peter, sieht noch keinen akuten Handlungsbedarf: »Smart Grid ist erst einmal ein Thema der Unternehmen, die Strom erzeugen und über Netze verteilen«, führt er aus. »Sie müssen es schaffen, die verschiedenen Stromerzeuger so zu integrieren, dass die Stromerzeugung und -verteilung optimiert wird und das Netz stabil bleibt. Die Gebäudeautomatisierung kann unabhängig davon arbeiten, auf ein Thema wie Heizung hat das so gut wie keinen Einfluss.« Anders sei es, wenn im Gebäude selbst Strom erzeugt werde: »Dann kann die Gebäudeautomatisierung entscheiden, ob es günstiger ist, den Strom im Gebäude selbst zu verbrauchen oder ins Netz einzuspeisen«, sagt er. »Smart Grid bedeutet aber, dass der Stromversorger Daten aus dem Gebäude haben will und eventuell auch Zugriff auf Verbraucher im Gebäude, um den Netzbetrieb zu optimieren. Die Gebäudeautomatisierung kann diese Daten liefern - sie sind im System vorhanden. Auch entsprechende Schnittstellen gibt es.«

Das Problem liegt Symanczik zufolge darin, »dass zwar viel über Smart Grids geredet und geschrieben wird, es aber in der Realität kaum mehr als ein paar Pilotprojekte gibt. Hier sind die Politik und die Versorgungsunternehmen gefordert.« Mehr noch: »Ich behaupte mal, dass die Anforderungen noch gar nicht so klar definiert sind«, betont er. »Im Prinzip ist es aber so, dass die Gebäudeautomatisierungs-Komponenten, die für Smart Grids relevant sind, aus meiner Sicht diese Anforderungen sehr schnell erfüllen können. Ein Gebäude, in dem ein Gebäude-Management- und ein Energie-Management-System installiert sind und arbeiten, ist auf diese Anforderungen gut vorbereitet.«


  1. Smart Grid und Gebäudeautomatisierung zusammenführen
  2. Energie-Management in der Gebäudeautomatisierung
  3. Welches Gebäudeautomatisierungs-Bussystem für welche Anwendung?
  4. Eignen sich Fabrik-Bussysteme auch für Gebäude?
  5. Datenübertragung der Zukunft: per Draht oder drahtlos?
  6. Energy Harvesting & Drahtlose Sensornetzwerke
  7. Security in der Gebäudeautomatisierung

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