Elektromobilität

Herausforderungen an ein Hochvolt-Bordnetz

15. April 2011, 12:45 Uhr | Iris Stroh
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Deutliche Unterschiede zwischen 12-V- und HV-Bordnetz

Beim Vergleich zwischen dem 12-V-Bordnetz und dem HV-Bordnetz zeigen sich deutliche Unterschiede. So weisen beim 12-V-Bordnetz 75 Prozent aller Leitungen einen Leitungsquerschnitt von unter 1 mm2 auf (0,35 mm2 bis 85 mm2). Beim HV-Bordnetz sind die Leitungen deutlich dicker, laut Schoester liegen hier die typischen Leitungsquerschnitte zwischen 2,5 und 35 mm2. Beim 12 V Bordnetz wiederum sind 80 Prozent aller Leitungen einadrig, 10 Prozent verdrillt und nur 10 Prozent geschirmt. Beim HV-Bordnetz müssen alle Leitungen geschirmt sein. Und auch bei der Anzahl der Leitungen und der Komplexität des Kabelbaums sind große Unterschiede zwischen 12 V und HV festzustellen. Das HV-Bordnetz on Top verlängert die Leitungslängen zwar nur um 1 Prozent, aber: »Die Elektrifizierung des Antriebs führt zu einer signifikanten Gewichtszunahme des Bordnetzes. Das gerechnete Beispiel ergibt eine Erhöhung des Leitungsgewichts um 23 Prozent«, so Schoester. Und das wiederum widerspricht den in der Automobilindustrie immer herrschenden Forderungen, das Gewicht zu reduzieren und die Größe zu minimieren. Hinzu kommt aber noch ein anderes Problem: Bei 12 V können sich die Entwickler aus einem Bauteilekatalog mit getesteten und validierten Komponenten bedienen, das gibt es aber für HV nicht. Schoester konkretisiert: »Die aktuelle Herausforderung liegt in der Verfügbarkeit, Verarbeitbarkeit und Prozesssicherheit der HV-Komponenten.« Und nachdem am SOP (Start of Production) niemals gerüttelt wird, werden die Hersteller wohl nicht umhinkommen, hier ein höheres Risiko eingehen zu müssen.

Mit Blick auf das Leitungsmaterial erklärt Schoester, dass Aluminium in vielerlei Hinsicht das eigentlich bevorzugte Material sei. Dazu macht Schoester folgende Rechnung auf: Die Leitfähigkeit und Zugfestigkeit von Kupfer sind deutlich höher als von Aluminium (Aluminium hat nur 60 Prozent der Leitfähigkeit von Kupfer; Aluminium kommt auf maximal 40 Prozent der Zugfestigkeit von Kupfer), dafür ist aber das spezifische Gewicht von Aluminium deutlich niedriger als das von Kupfer (Aluminium: 30 Prozent des spezifischen Gewichts von Cu). Um mit Aluminium also den gleichen zulässigen Spannungsabfall zu erreichen wie bei Kupfer, muss der Querschnitt von Aluminiumleitungen im Vergleich zu Kupfer um 70 Prozent erhöht werden, was aber »dennoch zu einer Gewichtsreduzierung von 50 Prozent gegenüber Kupfer führt«, so Schoester weiter. Mit Blick auf die Kosten schneidet Aluminium ebenfalls besser als Kupfer ab. Denn im Januar 2011 lag die Notierung von Kupfer bei 740 Euro/100 kg, Aluminium dagegen lag bei 216 Euro/100 kg. Schoester: »Die Substitution von Kupfer durch Aluminium reduziert im gerechneten Beispiel eines aktuellen HV-Bordnetzes die Metallkosten der Leitungen um 85 Prozent.« Bei all diesen Vorteilen stellt sich natürlich die Frage, warum nicht jeder auf Aluminium setzt? Schoester: »Weil die Verarbeitung mit Aluminium deutlich aufwändiger und damit teurer ist.« Da reichen noch nicht einmal die knapp 16 Euro Einsparung bei den Bordnetzkosten, die eine Umstellung von Kupfer auf Aluminium zur Folge hätte. Und hinzu kommt ja noch, dass der benötigte Bauraum bei Aluminium deutlich größer - 70 Prozent mehr als bei Kupfer - ausfällt.

Geht es um die Produktionsmethodik dann stellen die HV-Bordnetze ebenfalls eine große Herausforderung dar. Denn die geschirmten Leitungen bedingen laut Schoester einen deutlich niedrigeren Automatisierungsgrad bei der Fertigung. So Schoester abschließend: »Die Herstellung von HV-Leitungssätzen bedeutet einen höheren manuellen Produktionsaufwand und einen deutlich umfangreicheren Prüfaufwand.«


  1. Herausforderungen an ein Hochvolt-Bordnetz
  2. Deutliche Unterschiede zwischen 12-V- und HV-Bordnetz
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