Wie schon auf der Hannover Messe im April stand das Thema Industrie 4.0 jetzt auch auf der Messe SPS IPC Drives hoch im Kurs. Eine Industrieproduktion 4.0 erfordert allerdings auch eine Industriekommunikation 4.0. Wie wird diese aussehen, und mit welchen Techniken, Standards und Protokollen wird sie funktionieren?
In der Automatisierung spricht man von Industrie 4.0 und Cyber-Physical Systems (CPS). Die IKT-Branche sieht die M2M-Kommunikation vor dem Durchbruch und beschäftigt sich mit dem Internet of Things (IoT). Energietechniker, Informatiker und Gebäudeautomatisierer diskutieren über das Internet der Energie, Energieinformationsnetze, Smart Home und Smart Energy. Stadtplaner träumen von der Smart City. Was bedeutet das alles für die Zukunft der industriellen Kommunikation? Steht hier ein erneuter Paradigmenwechsel bevor? Es wäre der vierte Lösungsansatz.
Am Anfang einer ernstzunehmenden industriellen Kommunikation standen asynchrone und synchrone serielle Schnittstellen für Punkt-zu-Punkt-Verbindungen. Sie benötigten sternförmige Verkabelungssysteme. Erste allgemein anerkannte Standards spezifizierten lediglich physikalische Schnittstellen, Zeichendarstellung, Bitraten usw., aber keine Protokolle. Unzählige Anbieter orientierten sich an der IT und entwickelten daher eigene, herstellerspezifische Kommunikationsprotokolle, um Kunden zu binden und Marktanteile zu sichern. Der Begriff der »Interoperabilität« war noch unbekannt.
Es folgte die Phase der seriellen Bussysteme. Ein einfaches Buskabel, an das die einzelnen Teilnehmer angeschlossen wurden, ersetzte nun die sternförmigen Verkabelungslösungen. Der Buszugriff wurde durch Master-Slave-Konzepte und später durch Listen-Before-Talk-, Token-Passing- bzw. CSMA-Verfahren (Carrier Sense Multiple Access) gesteuert. Jeder Automatisierungstechnik-Anbieter entwickelte seinen eigenen (Feld-)Bus für die dezentrale Automatisierung. Es gab im Wettrennen um die Marktanteile zeitweise einen regelrechten »Feldbuskrieg«. Interoperabilität war auch diesmal kein Entwicklungsziel.
In der IT-Welt hatte sich zwischenzeitlich das Ethernet-LAN durchgesetzt. Es war somit nur eine Frage der Zeit, bis die Industriekommunikation diese Technik als das dritte Paradigma aufgriff. Anfangs wurde Ethernet in industriellen Anwendungen jedoch nur für alles genutzt, was nicht zeitkritisch war. Dafür wurde erstmals eine bedingte Interoperabilität entwickelt, aus der Techniken wie etwa OPC hervorgegangen sind.
Allerdings nehmen Automatisierer die Dinge selten so, wie sie in IT-Standards festgeschrieben sind. Die Folge war eine kaum überschaubare Anzahl von Ansätzen für ein »echtzeitfähiges Ethernet«. Inzwischen sind aber auch hier die Fronten geklärt: Es existieren verschiedene Industrial-Ethernet-Lösungen, hinter denen jeweils ein Anbieter mit entsprechenden Marktanteilen steht, der fast immer auch noch ein Konsortium zur Verbreitung der eigenen (Ethernet-)Lösung gegründet oder auf den Weg gebracht hat. Durch Ethernet hat sich auch TCP/IP mit zahlreichen Applikationsprotokollen - inklusive VPN-Techniken für den weltweiten Fernzugriff - im industriellen Umfeld verbreitet. Ansonsten ist Ruhe eingekehrt. Kleinere Innovationen sind im Wireless-Bereich zu beobachten, etwa industrielle WLAN-Access-Points mit allen erdenklichen Zusatzfunktionen oder Wireless-HART-Sensornetze. Aufgeschreckt wurde die Branche lediglich durch die Cyberwaffe »Stuxnet«, die allen Beteiligten vor Augen führte, wie anfällig industrielle Kommunikationssysteme doch sein können, wenn der Angreifer kein einzelner Hacker, sondern eine mächtige Organisation ist.