Bahntechnik

Wandler beurteilen und qualifizieren

14. März 2016, 10:43 Uhr | Ralf Higgelke
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Ausfallwahrscheinlichkeit berechnen

Was bedeutet nun eine MTBF von zum Beispiel 250.000 Stunden bei einer Umgebungstemperatur TU von +40 °C sowie Nennbedingungen für Eingangsspannung und Ausgangsstrom? Bei statistischen Betrachtungen sind immer größere Mengen beziehungsweise Stückzahlen zu betrachten, ansonsten lassen sich keine sinnvollen Vergleiche anstellen.

Die Wahrscheinlichkeit, beim Würfeln eine 6 zu erhalten beträgt 1/6. Wenn man lange genug würfelt (zum Beispiel n = 1000) wird sich auch ein Wert zwischen 160 und 174 einstellen (1000/6 ? 167). Ähnlich verhält es sich mit der Betrachtung von Ausfallwahrscheinlichkeiten bei elektronischen Geräten: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Gerät nach 25 Jahren noch funktioniert, beträgt für einen spezifizierten MTBF-Wert von 250.000 Stunden (350 Tage à 18 Stunden Einsatzdauer) nach Gleichung (1) etwa 53 Prozent. Dies setzt allerdings voraus, es herrschen über diesen Zeitraum stets die zuvor festgelegten Umgebungsbedingungen. Realistisch?

Sind von diesem Gerät hundert Einheiten im Feld, dürften also 47 Einheiten in 25 Jahren rein statistisch betrachtet ausfallen. Bezogen auf die Ausfahrt einer Lokomotive mit Batterieladegerät auf der Strecke Berlin - Moskau - Berlin (circa 3600 km Entfernung) und einer mittleren Geschwindigkeit von 80 km/h, liegt die Ausfallwahrscheinlichkeit des Ladegeräts bei 47 Prozent. Bezogen auf ein Jahr sind es 0,0188 Ausfälle, bezogen auf einen Tag 5,37 · 10-5 und bezogen auf die Fahrzeit von 45 Stunden nun 1,34 · 10-4 für die Fahrstrecke von 3600 km. Bei einer Flotte von hundert Loks bestünde ein Ausfallrisiko von 1,4 Prozent pro Ausfahrt und Lok. Das bedeutet, statistisch gesehen, ist für jede Ausfahrt innerhalb der Brauchbarkeitsdauer mit ein- bis zweiprozentiger Wahrscheinlichkeit mit einem Geräteausfall zu rechnen. Der Ausfall kann zu jedem beliebigen Zeitpunkt innerhalb der Brauchbarkeitszeit erfolgen - siehe Badewannenkurve!

Um nun die Verfügbarkeit zu erhöhen, beziehungsweise die Ausfallwahrscheinlichkeit zu reduzieren, wäre zum Beispiel ein redundanter Aufbau zu realisieren. Bei zwei redundant ausgeführten Wandlern fällt das Gesamtsystem nur dann aus, wenn beide Stromversorgungen gleichzeitig ausfallen. Nehmen wir an, die Ausfallwahrscheinlichkeit eines Wandlers bezogen auf 25 Jahre betrage wie oben 0,47. Dann beträgt die Gesamtausfallwahrscheinlichkeit bei zwei redundanten Stromversorgungen 0,22 (= 0,47 · 0,47). Bei sonst gleichen Annahmen wie oben mit einer MTBF von 250.000 Stunden und 25 Jahre Betriebszeit fällt die Ausfallwahrscheinlichkeit auf 8,8 · 10-3 pro Jahr, auf 2,51 · 10-5 pro Tag (bei 350 Tagen pro Jahr) und auf 4,71 · 10-5 bezogen auf 45 Stunden Fahrzeit für die Strecke Berlin - Moskau - Berlin. Bei einer Flotte von hundert Loks läge das Ausfallrisiko bei nur noch 0,47 Prozent pro Ausfahrt und Lok.

Felderfahrung ist unersetzlich

Aus dem bislang Gesagten ist jetzt auch ersichtlich, dass mit solchen Prognosen für die Zukunft sorgsam und vorsichtig umgegangen werden muss. Nichts geht über Felderfahrung. Eine hohe Zuverlässigkeit bei den Versorgungen lässt sich nur mit dem sorgfältigen Abgleich zur Verfügung stehender Herstellerangaben mit tatsächlichen Felderfahrungen ableiten, um fortlaufend Verbesserungen umzusetzen.

Um eine zuverlässige und auch verfügbare Stromversorgung zu planen, zu entwickeln und zu bauen, spielt die Erfahrung eine dominierende Rolle. Der MTBF-Wert alleine gibt keine Garantie für die ordentliche Funktion eines Gerätes, da noch einige andere Faktoren eine wichtige Rolle spielen. So kann es auch zu Systemstörungen führen, wenn die Wandler keine definierte Strombegrenzungsfunktion haben oder regelungstechnisch unsauber agieren (Regelschwingungen bei wechselnden Last- und Eingangsspannungen).

Zusammenfassend kann man sagen, dass die MTBF-Werte nur unter ganz bestimmten Voraussetzung ihre Berechtigung haben: Saubere und ausreichende Dimensionierung (statisch und dynamisch), ordentlicher Verarbeitungs- und Prüfprozess, qualitativ einwandfreie Bauelemente und Materialien, realistische Bestimmung der FIT-Werte unter realistischen Einsatzbedingungen und Einteilung der Ausfallteile in Funktionsblöcke. Vorsicht auch mit FIT- beziehungsweise MTBF-Angaben bei Wandlern, die in sehr großen Stückzahlen auf dem Markt gebracht werden. Oft stehen diese für längere Zeit in irgendwelchen Lagern von Distributoren und werden dann als Ausfallrate Null in die Herstellerangaben mit eingearbeitet.


  1. Wandler beurteilen und qualifizieren
  2. MTBF richtig interpretiert
  3. Ausfallwahrscheinlichkeit berechnen

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