Resistive Sensoren

Zeit oder Spannung?

8. Dezember 2015, 14:56 Uhr | von Norbert Breyer, Jan Lotichius und Stefan Wagner
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Zeitbasierte Auswertung resistiver Messungen

Varianten der Wheatstoneschen Messbrücke
Bild 3: Varianten der Wheatstoneschen Messbrücke (von links: Viertel-, Halb- und Vollbrücke).
© Stefan Wagner, Masterarbeit TU Darmstadt

Die Auswertung resistiver Sensoren für physikalische Größen wie Druck, Kraft oder Temperatur mit Instrumentierungsverstärker und Analog-Digital-Umsetzer (ADC) als Primärelektronik ist Stand der Technik. Oft wird dabei zusätzlich die Wheatstonesche Brückenschaltung genutzt, um auch sehr kleine Widerstandsänderungen zu detektieren, wie sie z.B. bei Dehnungsmessstreifen (DMS) auftreten. Dabei wird die Viertel-, Halb- und Vollbrückenschaltung genutzt (Bild 3).

In Anwendungen, bei denen eine hohe Messgenauigkeit verlangt wird, werden an die Primärelektronik besondere Anforderungen gestellt. Um diese zu erfüllen, werden zum Beispiel für höherwertige industrielle Waagen hochauflösende Delta-Sigma-Wandler benötigt. Im Gegensatz dazu ist wiederum bei batteriebetriebenen Geräten eine Lösung mit geringer Stromaufnahme gefordert. Die Acam-Messelectronic hat sich im Jahr 2002 das Picostrain-Verfahren zur Auswertung resistiver Sensoren patentieren lassen, das von der klassischen Signalkette abweicht.

In Anwendungen, bei denen eine hohe Messgenauigkeit verlangt wird, werden an die Primärelektronik besondere Anforderungen gestellt. Um diese zu erfüllen, werden zum Beispiel für höherwertige industrielle Waagen hochauflösende Delta-Sigma-Wandler benötigt. Im Gegensatz dazu ist wiederum bei batteriebetriebenen Geräten eine Lösung mit geringer Stromaufnahme gefordert. Die Acam-Messelectronic hat sich im Jahr 2002 das Picostrain-Verfahren zur Auswertung resistiver Sensoren patentieren lassen, das von der klassischen Signalkette abweicht.
Schaltung der zeitbasierten Auswertung
Bild 4: Schaltung der zeitbasierten Auswertung.
© Stefan Wagner, Masterarbeit TU Darmstadt

Hierbei wird zur Auswertung der Widerstandsänderung keine Spannung als Zwischengröße verwendet, sondern die Zeit. Dazu wird ein Kondensator mit dem resistiven Sensorelement als RC-Glied geschaltet. Der aufgeladene Kondensator wird bis zu einer festgelegten Schaltschwelle eines Komparators entladen. Die Zeit, bis diese Schwelle erreicht wird, wird mit einem TDC gemessen und als digitales Signal ausgegeben. Die Prinzipschaltung ist in Bild 4 dargestellt. Die Grundlage des Verfahrens bildet die Entladung eines Kondensators mit der Kapazität C über mindestens zwei Messwiderstände R1 und R2 (Bild 5).

Prinzip der Entladezeitmessung
Bild 5: Prinzip der Entladezeitmessung
© Stefan Wagner, Masterarbeit TU Darmstadt

Die Entladezeit ist definiert über die Zeitkon­stante τ = R × C. Durch diesen Zusammenhang kann eine Widerstandsänderung ΔR detektiert und somit auf die zu messende physikalische Größe rückgeschlossen werden. Zuerst wird Schalter S0 geschlossen und S1 und S2 sind geöffnet. Dadurch wird der Kondensator auf die Versorgungsspannung U0 aufgeladen. Anschließend erfolgt die Zeitmessung über den Widerstand R1. Dazu wird nun S0 geöffnet und somit der Kondensator von der Versorgungsspannung getrennt. S1 wird geschlossen und der Kondensator beginnt sich zu entladen. Die Spannung am Kondensator wird dabei durch einen Komparator mit einer Schwellwertspannung Uth verglichen. Sobald sich der Kondensator bis zu Uth entladen hat, schaltet der Ausgang des Komparators und S1 wird wieder geöffnet, S0 geschlossen und der Kondensator wird wieder aufgeladen. Derselbe Vorgang wird mit Schalter S2 wiederholt und dadurch die Entladezeit über R2 bestimmt. Die beiden Messwiderstände müssen für die Messung gegensinnig angeordnet sein, also zum Beispiel R1 = R + ΔR und R = R0 – ΔR. Um aus den beiden gemessenen Zeiten t1 und t2 die Widerstandsänderung ΔR bestimmen zu können, wird deren Verhältnis aus Differenz und Summe gebildet. Dadurch kürzen sich die Kapazität sowie Schwellwert- und Versorgungsspannung und es ergibt sich folgender Zusammenhang:

fraction numerator t subscript 1 minus t subscript space 2 end subscript over denominator t subscript 1 space plus t space subscript 2 space end subscript end fraction equals space fraction numerator R subscript 1 space minus R space subscript 2 over denominator R subscript 1 space plus R space subscript 2 end fraction equals space fraction numerator increment R over denominator R end fraction equals space r

Die Gleichung zeigt, dass sich aus dem Verhältnis der Entladezeiten die relative Widerstandsänderung r bestimmen lässt und somit auch die physikalische Messgröße.

Das Picostrain-Messprinzip

Die Entladezeit bis zu einer beliebigen Schaltschwelle wird mit sehr hoher Genauigkeit mit Hilfe eines TDC gemessen. Die Entladezeit liegt bei typisch 50 µs bis 100 µs. Die verwendete TDC-Einheit hat eine Auflösung der Einzelmessung von unter 20 ps. Durch die Verhältnisbildung fallen die Absolutwerte und Temperaturabhängigkeiten von Kondensator und Komparator aus dem Messergebnis heraus. Im Picostrain sind patentierte Schaltungen und Algorithmen enthalten, die weitere Störeinflüsse wie den Innenwiderstand der Treiberschaltungen und die Laufzeit des Komparators beseitigen. Insgesamt werden pro Messwert mehrere Entlade-/Ladezyklen gefahren. Das Ergebnis ist präzise, praktisch frei von Verstärkungsfehlern und sehr temperaturstabil.

Verfahrensbedingt benötigt Picostrain keine Vollbrücke, sondern nur eine Halbbrücke, wobei ein Controller bis zu vier Halbbrücken messen kann. Vorhandene Vollbrücken sind trotzdem weiter verwendbar. Die Halbbrücke wird direkt versorgt, es ist also keine separate Versorgung zum Beispiel eines DMS notwendig. Ebenso entfällt die Referenzspannung. Durch die Pulsansteuerung der DMS kann der Gesamtstrom des Systems mit dem Messverfahren einfach kontrolliert und deutlich unter den vergleichbarer ADC-Systeme gebracht werden. Das Sensor-Interface PS09 ist das jüngste Mitglied der Picostrain-Familie. Messrate (bis 10 kHz), Auflösung (bis 28 bit ENOB/RMS) und Stromaufnahme (typisch <15 µA) sind einstellbar. Der Offset kann über einen Bereich von ±500 mV/V ohne Verlust der Auflösung kompensiert werden. Alle notwendigen Berechnungen werden vom internen 24-bit-Mikrocontroller durchgeführt.

 


  1. Zeit oder Spannung?
  2. Zeitbasierte Auswertung resistiver Messungen
  3. Vergleich von zeit- und spannungsbasierten Auswerteverfahren

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