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»Im Haifischbecken der großen Firmen hätte ich nicht überlebt«

15. Juli 2016, 15:34 Uhr | Nicole Wörner
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Wie bist du mit Existenzängsten umgegangen?

Meine Existenzängste waren ganz allein bei mir und zum Teil sehr belastend. Wenn du gerade die Firma aufziehst, und es geht äußerst unsicher voran, dann fragst du dich, ob du mit 50 Jahren noch in der Lage bist, das zu betreiben. Was passiert, wenn eine Krise kommt? Ich habe zu Beginn meiner Selbstständigkeit keine Arbeitslosenversicherung und keine Rentenversicherung gehabt. Ich konnte es nicht bezahlen. Was die Zukunftssicherung angeht, habe ich aus heutiger Sicht etwas fahrlässig gehandelt.

Du bist als Vertriebsmann jahrzehntelang durch ganz Deutschland, auch Europa, USA und Asien gereist. Dabei sind langjährige Kundenbeziehungen entstanden – auch die eine oder andere Freundschaft?  

Aus Kundenbeziehungen hat sich bisher Zuneigung, aber keine Freundschaft entwickelt. Mit manchen Kunden konnte ich mich richtig gut unterhalten. Es gab Leute, da ist man mit Schweißperlen aufgelaufen. Im Vertrieb habe ich immer gesagt: Eigentlich müsste man vorher durchs Fenster gucken und schauen, ob der Mann eine Lederhose oder einen Anzug trägt. Und dann muss man selbst ebenfalls Anzug oder Lederhose anziehen, damit man mit ihm warm wird. Das habe ich dann natürlich nicht gemacht, sondern eine unauffällige Allerweltskleidung getragen. Mir waren Kunden immer am liebsten, die sich für technische Zusammenhänge interessiert haben. Das ist eines meiner Talente: Dass ich Sachverhalte gut und originell erklären kann. In dem Punkte war ich kreativ: Für einen bekannten Zusammenhang habe ich einen scheinbar neuen Blickwinkel aufgetan, und das hat die Leute interessiert.

Wie gewinnt man schwankende Kunden doch noch für sich?

Das Wichtigste ist, dass man von dem, was man macht, überzeugt ist. Wenn man zweifelt, spürt der Kunde das sofort. Ich kann mich entsinnen, wie mein Chef am Institut für Werkzeugmaschinen und Fabrikbetrieb (IWF) an der Technischen Universität Berlin, Prof. Spur sagte: „Wenn Sie verkaufen, nehmen Sie nie einen Ingenieur mit.“ Die Ingenieure kennen die Probleme, sie wissen, dass man bei einer technischen Entwicklung Kompromisse eingeht. Aus dem Grund sind sie ein bisschen belastet. Der Vertrieb muss immer strahlend auftreten, das beste Produkt haben und keine Probleme machen. Als Vertriebsmann habe ich nicht gelogen. Ich habe den Leuten ehrlich gesagt, wo Nutzen und Grenzen des Produkts sind. Das kann man sich nur leisten, wenn man sein eigenes Produkt verkauft. Wenn du beispielsweise bei einer namhaften Firma arbeitest und musst eine Steuerung verkaufen, deren Schwächen du kennst – die es natürlich gibt. Dann musst du Kompromisse mit dir selbst machen. Der Vertriebler wird nun einmal nach verkauften Produkten bezahlt. Und noch etwas: Man muss seinen Kunden lieben. Er spürt sofort, wenn du ihn ablehnst. Man kann aber bestimmte Techniken entwickeln, um negative Eigenschaften auszublenden.

Wie hast du dich getröstet, wenn ein Kundengespräch mal richtig schlecht gelaufen ist?
 
Das war schrecklich. Ich habe das zu Zeiten der Werkzeugüberwachung erlebt, als wir Wettbewerber bekommen haben. Dann hat irgendein Kunde gesagt: Stellen Sie doch mal Ihr Produkt vor. Man kommt hin, und dann sitzen da ein paar Leute gelangweilt vor einem. Es ist klar: Die Entscheidung für ein anderes Produkt ist längst gefallen. Das habe ich ein paar Mal erlebt. Du bekommst auch nicht heraus, warum sie dich überhaupt eingeladen haben. Das ist wirklich niederschmetternd, wenn man merkt, keine Resonanz, kein Interesse, Ablehnung. Das macht einen restlos fertig. Der Verkauf ist dagegen das größte Erfolgserlebnis. Zum Beispiel als wir bei einem KFZ-Hersteller das erste Mal angetreten waren, um elektromechanische Presse zu verkaufen. Da haben die Mitarbeiter auf den Keller verwiesen, wo ausrangierte Pressen lagerten. Und ich wollte ihnen nun genau solche Presse verkaufen. Da wird man begierig, den Kunden klarzumachen, dass es an der technischen Auslegung liegt, nicht an den Pressen. Dann merkt man so langsam, die werden weich, denn die Pressen von PROMESS sind größer und stabiler. Schließlich haben wir den ersten Auftrag bekommen, und das Eis war gebrochen. Die Mitarbeiter des KFZ-Herstellers haben sich ihre schlechten technischen Erfahrungen mit den anderen elektromechanischen Pressen endlich erklären können.

Du arbeitest immer noch über 40 Stunden in der Woche. Was treibt dich an, früh aufzustehen und deinen Tag straff durchzutakten?  

Es ist eben nach wie vor so, dass ich meine Stunden nicht zähle, sondern danach gehe, ob es etwas zu tun gibt oder nicht – allerdings mit dem zunehmenden Bedürfnis, es auf dem Schreibtisch nach hinten zu schieben. Das ist sicherlich irgendwann normal. Nach wie vor gilt aber der Grundsatz: Arbeit strukturiert den Tagesablauf. Arbeit gibt dem Leben Sinn, und dagegen kann man nichts haben. 

Das Interview führte Katrin Lechler.
 


  1. »Im Haifischbecken der großen Firmen hätte ich nicht überlebt«
  2. Wie bist du mit Existenzängsten umgegangen?

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