Präzisions-Leistungsmesstechnik

Ist genau wirklich genau?

27. September 2016, 15:53 Uhr | von Matthias Schöberle (Yokogawa)
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Mit Nennwertdefinition einfach rechnen

Am präzisesten misst ein Leistungsmessgerät mit der breitbandigen Messmethode. Sie differenziert nicht zwischen unterschiedlichen Frequenzen. Dennoch beziehen sich Genauigkeitsangaben immer auf sinusförmige Signale. Die häufig formulierte Frage nach der Messunsicherheit bei einer spezifischen Frequenz lässt sich sehr einfach für verschiedene Bereichsaussteuerungen beantworten, wenn die Nennwerte der Bereiche als Bezug verwendet werden (Tabelle).

Bereichsaussteuerung

Messunsicherheit bei Definition

x % Messwert + y % Bereichsnennwert

Messunsicherheit, Zahlenbeispiel

0,01 % Mehrwert + 0,03 % Bereichsnennwert

100 %(x+y) % vom Messwert0,04 % (Grundgenauigkeit)
50 %(x+2y) % vom Messwert0,07 %
33 %(x+3y) % vom Messwert0,1 %
25 %(x+4y) % vom Messwert0,13 %
10 %(x+10y) % vom Messwert0,31 %

 

Messunsicherheit des Yokogawa WT3000E bei verschiedenen Bereichsaussteuerungen, Messbereichsnennwert als Bezug.


Hier besteht also ein einfacher Zusammenhang zwischen dem eingestellten Bereich und der Messunsicherheit. Die Grundgenauigkeit ist die Messunsicherheit bei 100 % Bereichsaussteuerung.

Wird stattdessen der Messbereichsendwert als Bezug verwendet, muss man sich zunächst vergewissern, wie groß dieser Wert ist. Abhängig vom Hardware Design kann man keinesfalls davon ausgehen, dass das Verhältnis von Nennwert zu Messbereichsendwert für alle Bereiche gleich ist.

Die Vorteile der Bereichsnennwertdefinition zeigen sich noch deutlicher bei der Betrachtung der Genauigkeitsspezifikationen einer Harmonischenanalyse. Schließlich handelt es sich bei den Ergebnissen einer Harmonischenanalyse prinzipbedingt um Amplituden einzelner Sinusschwingungen mit einem Crestfaktor von 1,414. Hier sind die Effektivwerte und auch die Spitzenwerte immer weit von der Spitzenaussteuerbarkeit der Bereiche entfernt. Auf die Spitzenaussteuerbarkeit bezogene Prozentangaben haben deshalb vor der Umrechnung auf den jeweiligen Messwert praktisch keine Aussagekraft.

YokogawaWT3000E
Die Grundgenauigkeit des Präzisionsleistungsanalysators WT3000E von Yokogawa ist 0,01 % vom Messwert + 0,03 % vom Messbereichsnennwert = 0,04 %. Dieser Wert gilt für die Wirkleistungsmessung bei nominaler Aussteuerung der Spannungs- und Strombereiche, obwohl die Genauigkeitsspezifikationen auch für Effektivwerte von 130 % noch garantiert sind. Der WT3000E gilt als das am umfassendsten spezifizierte und präziseste Leistungsmessgerät auf dem Weltmarkt.
© Yokogawa

Grundgenauigkeit bei Messbereichs­endwertdefinition

Nehmen wir an, der Hersteller eines Leistungsmessgerätes definiert seine Messunsicherheit bei Netzfrequenz mit »0,02 % vom Messwert + 0,01 % vom Messbereich« und verwendet den Messbereichsendwert als Bezug:

  • Eingestellter Spannungsbereich 300 V, Strombereich 2 A, das heißt Nennwert des Leistungsmessbereichs 600 W.
  • Die Spezifikationen gelten für Effektivwerte bis 110 % der nominalen Strom- und Spannungsbereiche.
  • Die Bereichs-Crestfaktoren seien jeweils 2,5 für den Strom- und Spannungsbereich. Daraus resultieren die Messbereichsendwerte 750 V, 5 A, 3750 W (300 V × 2,5 × 2 A × 2,5).

Unter diesen Bedingungen beträgt die maximal messbare Wirkleistung 300 V × 1,1 × 2 A × 1,1 = 726 W. Der Messbereichsendwert ist mit 3750 W also ein Mehrfaches des größten durch die Spezifikation abgedeckten Leistungsmesswertes.

Wenn man hier die Prozentangaben »0,02 % vom Messwert + 0,01 % vom Messbereich« zu einer Genauigkeit von 0,03 % addieren würde, wäre dies mathematisch inkorrekt, da die Bezugsgrößen für die Prozentwerte unterschiedlich sind: 0,02 % von 726 W + 0,01 % von 3750 W ergeben nicht 0,03 %!
Rechnet man korrekt, ist die auf den Messwert bezogene Genauigkeit 0,02 % + 0,01 % × (3750/726) = 0,072 %.

Da nirgends vorgeschrieben ist, wie Grundgenauigkeiten zu definieren sind, ist ein Vergleich praktisch nicht möglich. Wirklich aussagekräftig und praxisgerecht sind garantierte Messunsicherheiten, die Ablese- und Bereichskomponente berücksichtigen. Berechnet man Messunsicherheiten auch für Teilaussteuerung, so lässt sich beurteilen, ob Ablese- oder Bereichskomponente dominieren.

Matthias Schöberle

ist Business Development Manager Leistungsmesstechnik bei Yokogawa Deutschland. Nach seinem Studium der Nachrichtentechnik hat er seine berufliche Laufbahn bei einem führenden Hersteller von Telekommunikationsmesstechnik begonnen. Seit 2008 gehört er zum Vertriebsteam von Yokogawa.

 


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