Distributed-Ledger-Technologie

Der digitale Patient muss nicht gläsern sein

31. Mai 2019, 16:00 Uhr | Markus Soppa (Accessec)
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Anwendungsfälle in der Medizin

Mit dem IOTA-Tangle lassen sich viele Anwendungsfälle und Funktionen abbilden, da das Protokoll jederzeit erweitert werden kann. Eine vielversprechende Funktion existiert bereits zum Zweck der sicheren Datenübermittlung- und verwaltung. Durch sie gelingt es, Daten beziehungsweise Datenströme sogar auf Feldebene eines Geräts verschlüsselt an den DAG zu senden und dort sicher abzulegen. Der Datenzugriff erfolgt mittels der Funktion »Masked Authenticated Messaging (MAM)«, bei dem ein Authentifizierungsschlüssel für den Datenstrom notwendig ist. Auf diese Weise sind nicht nur jegliche Daten steuerbar, sondern sicherheitskritische Faktoren wie Datenzugriffsmanagement, Vertraulichkeit, Datenschutz und Integrität vereint. Die Datenhoheit könnte so dem Endanwender obliegen, der beliebig viele Authentifizierungsschlüssel an interessierte Parteien vergibt.

Die IOTA-Foundation hat es sich zum Ziel gesetzt, die klassische Verwaltung von Daten in Silos ohne jeden Mehrwert aufzubrechen. Beispielsweise sollen Sensordaten von nahezu jedem im Unternehmen oder in der Institution genutzt werden, um datengestützte Anwendungen umzusetzen, eine höhere Effizienz zu erreichen oder gar neue Innovationen entstehen zu lassen – und zwar ohne den Verlust von Vertrauen und Datenhoheit. Aktuell arbeitet IOTA daran, mit dem »Qubic«-Protokoll dieses Ziel weiterhin zu erreichen. Qubic soll die Grundlage für Dienste wie Smart Contracts oder Outsourced Computing schaffen, die künftig auch von IoT-Geräten genutzt werden können [3].

Für die eHealth- und Medizinbranche kann die DLT grundsätzlich bei einer der größten Herausforderungen nützlich sein, nämlich Interoperabilität und Sicherheit zu schaffen. Der momentane Austausch zwischen verschiedenen Institutionen hat sich operativ häufig als schwierig erwiesen. Vereinbarungen über die gemeinsame Nutzung von Daten, komplexe Algorithmen für die Patientenzuordnung, Verarbeitungsverfahren und Governance-Regeln sind Punkte, die aufwendig abgestimmt werden müssen, bevor der Datenaustausch stattfinden kann [4]. Aber auch bei den bestehenden, zahlreichen technischen Barrieren, wie beispielsweise bei der Authentifizierung an IT- oder medizinischen Systemen, Accounts oder Registern von eHealth-Geräten oder Patienten ist die IOTA-DLT einsetzbar.

Nutzen für den Patienten

Sinnvoll wäre es, dass sich die unterschiedlichen Interessengruppen in regelmäßigen Abständen über den wahren Zustand gemeinsamer Daten einigen und darauf zurückgreifen können. Über den Tangle lassen sich auch Anmeldeinformationen und Attribute von Transaktionen, Informationen über Einzelpersonen, Entitäten, Geräte-Identitäten usw. abbilden. Künftig wären digitale Zugriffs- und Autorisierungsregeln auf klinische Daten möglich, indem sie sicher auf dem Tangle direkt oder über eine Verlinkung gespeichert und beispielsweise über ein Smart Contract gesteuert werden. Auf diese Weise könnten auch Patienten über ihren Schlüssel (bei IOTA »Seed« genannt), den sie in einem Hardware-Sicherheitsmodul oder einem mobilen Gerät aufbewahren, die Kontrolle behalten. Gleichzeitig ermöglicht eine dezentrale Identität, klinische Daten aus dem Tangle abzurufen sowie neue Information hinzuzufügen. Krankenkassenkarten und Patientenakten würden so obsolet werden.

Im Vielmehr steigert sich die Effizienz der Tätigkeiten und die der gezielteren Diagnosen, indem die Verfügbarkeit sämtlicher Patienteninformationen, zum Beispiel in einem Notfall, vollständig gegeben ist und selbst historische Daten in nahezu Realzeit von überall abgerufen werden können. Diese Ansätze nutzt IOTA derzeit, um ein eigenes Remote-Monitoring-System mittels Gesundheitssensoren zu entwickeln [5]. Die Daten der Sensoren erlauben einen Einblick in den Gesundheitszustand des Patienten zwischen den Klinikbesuchen, ohne dass dieser permanent vor Ort sein muss.

Das ist besonders nützlich bei der Behandlung von chronischen Erkrankungen, bei denen selbst kleinste Veränderungen – positive wie negative – einen erheblichen Einfluss auf den Therapieerfolg beziehungsweise auf den Gesundheitszustand des Patienten haben. Auch für medizinische Versuche kann dies von erheblichem Nutzen sein, etwa wenn Reaktionen genauer überwacht werden können. Bisher war es jedoch problematisch, diese Datenströme zu realisieren und zu sichern. Genau an dieser Stelle kommt das IOTA-MAM-Protokoll zum Einsatz. Die Datenströme der Überwachungseinheit werden über den Tangle unter Verwendung moderner Interoperabilitätsstandards im Gesundheitswesen abgesichert und nahezu in Realzeit der Klinik zur Verfügung gestellt.

Fazit: Privatsphäre sichern

Auf einer hohen Ebene betrachtet, kann der Tangle als Plattform für den digitalen Austausch genutzt werden. Dabei fungiert das System ohne einen traditionellen Vermittler und einer Zentraleinheit. Gesundheitsdaten sind so von mehreren Systemen abrufbar und die gemeinsame Nutzung von Daten zwischen Institutionen möglich. Patienten erlangen auf diese Weise wieder die Kontrolle über ihre Daten und ihre Privatsphäre zurück.

Über Accessec

Die Accessec GmbH ist ein Unternehmen, dass mit seiner Erfahrung aus Forschung (IUNO, SeDaFa) und Praxis als Garant für die Abdeckung neuer Fragestellungen im Hinblick auf innovativ anwendbare Kommunikationsbeziehungen im medizinischen und industriellen Umfeld steht. Das Unternehmen hat sich auf Industrial- bzw. IoT-Sicherheit spezialisiert und bietet sowohl Beratungsleistungen als auch Lösungen für Sicherheitstechnik mit dem Schwerpunkt Maschinenidentitäten und Authentifizierung an. Accessec ist insbesondere an Kundenprojekten beteiligt, die eine zertifikatsbasierte Authentisierung von Medizin-IT automatisiert und sicher umsetzt. Auch im Bereich Distributed-Ledger-Technologien hat Accessec ihre Kompetenzen in den vergangenen zwei Jahre erheblich ausgebaut und entwickelt zunehmend Sicherheitslösungen auf dieser Basis. Durch eine intensive Vernetzung mit Partnern aus Industrie und Forschung leistet die accessec wertvolle Beiträge bei der Erforschung und Konzeption von Sicherheitslösungen.

Mehr Informationen: www.accessec.com

 

LITERATURERZEICHNIS

[1] M. Fiore und M. D. Campos: The Algebra of Directed Acyclic Graphs. University of Cambridge. Cambridge 2013.

[2] S. Popov: The Tangle (1. Oktober 2017), https://www.iota.org/research/academic-papers (Stand: 10. August 2018

[3] IOTA Foundation: Qubic (03. Juni 2018), https://qubic.iota.org (Stand: 10. August 2018)

[4] N. Downing, J. Adler-Milstein, J. Palma, S. Lane, M. Eisenberg und C. Sharp: Austausch von Gesundheitspolitiken von 11 verschiedenen Gesundheitssystemen und die damit verbundenen Auswirkungen auf das Austauschvolumen. Med Inform Assoc (2017), S. 113 – 122

[5] N. Ramachandran: Global Trends in Blockchain / DLT Innovation for eHealth. UCL Centre for Blockchain Technologies. IOTA Foundation 2018

Zuerst gesehen

Dieser Beitrag stammt aus der Medizin+elektronik Nr. 3 vom 02.05.2019.

Hier geht’s zur vollständigen Ausgabe.

 


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