Internationale Studie

Bewegungsarmes Sehen

28. Januar 2016, 12:10 Uhr | Marcel Consée
Wie sehen gelähmte Menschen?
© Ergoneers

Unsere Fähigkeit, sich täglich erfolgreich in unserer Alltagsumgebung zu bewegen, stützt sich überwiegend auf Informationen, die wir über die Augen erhalten. Doch wie nutzen Menschen mit Rückenmarksverletzung ihr Sehvermögen?

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Menschen mit Rückenmarksverletzung leiden oft unter einer teilweisen oder vollständigen Lähmung. Für die Mehrzahl der Betroffenen mit einer Teillähmung besteht jedoch die Möglichkeit, ihre Gehfunktion zu verbessern, vorwiegend durch intensive Rehabilitation. Die Spezialisten des ICORD (International Collaboration on Repair Discoveries), ein interdisziplinares Zentrum und Teil der University of British Columbia, widmen sich in ihrer Forschung der Förderung von Prävention, funktioneller Genesung und verbesserter Lebensqualität für Menschen mit einer so genannten Spinal Cord Injury (SCI) oder auf deutsch Rückenmarksverletzung.

Im Rahmen von ICORD entwickelt man im Labor innovative Strategien, die zu dauerhaften Verbesserungen der Gehfunktion nach einer Rückenmarksverletzung hinsichtlich Ausdauer und zurückgelegter Strecke beim Gehen führen sollen.

Da sich unser Gehirn beim Bewegen vorwiegend auf visuelle Informationen stützt, wollten die Forscher aus Vancouver anhand der Blickbewegungen von SCI-Patienten herausfinden, wie sie ihr Sehvermögen nutzen, während sie sich um Hindernisse herum bewegen und sie überwinden. Ein entscheidender Faktor war hier der verwendete Eye-Tracker. Denn dieser sollte die ohnehin schon in ihrer Mobilität begrenzten Menschen nicht noch zusätzlich einschränken.

Der vom bayrischen Technologieunternehmen Ergoneers entwickelte Eye-Tracker »Dikablis« war wegen seines geringen Gewichts und aufgrund seines bequemen Tragekomforts daher von Vorteil. »Bei der Durchführung einer Eye-Tracking-Studie kann sich jeder noch so kleine Störfaktor wie etwa zusätzliches Gewicht am Kopf auf die Studienergebnisse auswirken, da dies nicht die Realbedingungen widerspiegeln würde«, erklärt Günter Fuhrmann, Chief Operating Officer bei Ergoneers.

Die Ergebnisse zeigen, dass Menschen mit einer Rückenmarksverletzung während des Gehens eindeutig mehr auf ihre Sehkraft angewiesen sind, gerade wenn sie Hindernisse überwinden. Darauf deutet die größere Anzahl an Blicken sowie die höhere Blickdauer auf das jeweils zu überquerende Hindernis hin. Diese Ergebnisse bestimmen zu können, hing außerdem stark von der durchgängigen genauen Pupillenerkennung während der Studie ab. Die ebenfalls von Ergoneers entwickelte Mess- und Analyseplattform »D-Lab« hat den Forschern die Datenerfassung erleichtert, insbesondere durch das aktualisierte Pupillenerkennungssystem in der neuesten Version der Software.

D-Lab erleichterte zudem die Definition der so genannten »Area of Interest« (AOI) innerhalb der Umgebung, um die erforderlichen Blickparameter zu berechnen. Als AOI bezeichnet man im Eye-Tracking einen vom Studienleiter festgelegten Zielbereich, beispielsweise einen bestimmten Gegenstand. Mithilfe mehrerer zuvor definierter AOIs kann der Forscher nun anhand der Blickdaten herausfinden, inwieweit die vermuteten Areas of Interest mit dem tatsächlichen Blickverhalten übereinstimmen. Im Fall der ICORD-Studie bildeten die zu überquerenden Hindernisse die AOIs.


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