Der Garaus für die Assessment Center
Doch erst Rosenstiels drittes Argument macht dem AC vollends den Garaus: »Um ein aussagekräftiges Assessment Center auf die Beine zu stellen, braucht man eine gründliche Analyse der Organisation. Viele Personalbereiche verzichten darauf. In der Not erweisen sich Interviews oder Tests, die speziell auf eine bestimmte Organisation zugeschnitten sind, als kostengünstiger – bei ähnlicher Vorhersagekraft wie das AC.«
Dass mit aufwändigen Einzel- und Gruppen-Assessments keine hundertprozentige Erfolgsgarantie verbunden sein kann, ist allen Fachleuten klar. Doch dass genau dies von Psychologen ausgetüftelte Teststrecken leisten sollen, leuchtet auch nicht jedem ein. Gegen die sich selbst zugeschriebene Menschenkenntnis der Personaler und deren Bauchgefühl hat die Eignungsdiagnostik noch immer einen schweren Stand.
»Die persönliche Sympathie in die Entscheidung einzubeziehen, ist auch gut so«, überrascht Andreas Frintrup, Gründer und Chef der HR-Diagnostics AG in Stuttgart. Diese Aussage hätte man von einem Unternehmer, der Psychologen Einstellungstests entwickeln lässt und vertreibt, eigentlich nicht erwartet. Doch mit seiner Erklärung, dass von hundert Testverfahren allenfalls zehn den wissenschaftlichen Anforderungen entsprechen, macht Frintrups Zurückhaltung schon mehr Sinn.
Keine Hinweise auf späteres Verhalten im Beruf
»Viele der auf dem Markt kursierenden Persönlichkeitstests erfüllen nicht die Anforderungen an die nötige Validität, also an die Gültigkeit«, kritisiert der Diplomökonom. »Während man mit den psychologisch fundierten und auf die beruflichen Anforderungen abgestimmten Tests die Prognosesicherheit tatsächlich erhöhen kann, führt das Gros der Persönlichkeitstests eher zu allgemeinen Aussagen, die selten etwas mit der konkreten Aufgabe des künftigen Stelleninhabers zu tun haben und daher keine Hinweise auf sein späteres Verhalten im Beruf geben.«
Trotzdem gehen Standard-Tests weg wie warme Semmeln. Besonders gut laufen die auf den Erkenntnissen und der Typenlehre von C.G.Jung beruhenden Testverfahren wie beispielsweise die Reiss-Profile (www.reiss-profile. eu) und die Insights MDI Potenzial- Analysen (www.insights.de). Um als Berater oder Personalabteilung die Tests anwenden zu dürfen, muss man eine Lizenz erwerben und Schulungen besuchen. Die Münchner Personalberatung Schuh-Eder hat sich im letzten Jahr darin ausbilden lassen.
Renate Schuh-Eder: »Wir schwören auf Insights. Es ist ein perfektes Tool, das ganz pragmatisch anzuwenden ist und verblüffende Ergebnisse liefert. Diese helfen uns, Auswahlprozesse mit viel höherer Qualität durchzuführen.« Billig ist die Lizensierung und die Testauswertung nicht, aber der Markt ruft offenbar danach. Die Personalberaterin nickt: »Auch die Kandidaten wissen sehr zu schätzen, dass man sich nicht nur auf den Bauch verlässt.«