Übernahmen regen die Phantasie an – und wenn es sich um große Übernahmen handelt, dann erst recht. Kaum hatte Texas Instruments angekündigt, National Semiconductor übernehmen zu wollen, schossen die Gerüchte ins Kraut: An den Börsen wurde schon munter davon gesprochen, dass die Halbleiterindustrie nun zu einer gereiften Industrie herangewachsen sei, und der Konsolidierungsprozess sich fürderhin beschleunigen werde.
Das ist typisch Börse: Wenn’s alle wissen, haben es alle schon immer gewusst, und alle rennen in die selbe Richtung. Wäre es anders, würden dort viele wenig anstatt wenige viel verdienen.
Also schwirrten sofort weitere Übernahmekandidaten durch die Gerüchteküche: in Deutschland allen voran Infineon. Weil Intel die Geschäftseinheit Wireless von Infineon vor nicht allzu langer Zeit übernommen hat, brachten die Spekulanten die Möglichkeit ins Spiel, dass Intel nun auch den ganzen Rest schlucken wollen könnte. Die Spekulanten mögen wissen, warum: Weil Intel nach ihrer Meinung so dringend nach einem Unternehmen mit ausgewiesenen Fähigkeiten im analogen Bereiche Ausschau halten müsste? Oder vielleicht weil beide Firmennamen mit einem »I« anfangen?
Weil NXP ebenfalls stark in der Analogtechnik ist, kamen auch Gerüchte auf, dass Intel an NXP interessiert sei. Das Interesse der NXP-Investoren, aus ihrem Engagement irgendwie glücklich herauszukommen, dürfte zwar gegeben sein. Ob das Unternehmen deshalb aber zu einem für wen auch immer akzeptablen Preis zu verkaufen wäre – Broadcom und Qualcomm tauchten ebenfalls als mögliche Käufer auf –, bleibt dahin gestellt.
Wer aufgrund der durchaus überraschenden Übernahme von National durch TI nun gleich die große Konsolidierung in der Halbleiterwelt ausruft, sollte zumindest vorsichtig sein: Große Übernahmen gab es schon immer, und dennoch hat sich die Halbleiterwelt recht wenig konsolidiert; es gibt nach wie vor überraschend viele Hersteller.
Viel mehr als auf eine – schon häufig heraufbeschworene – Konsolidierung weisen die Übernahmen doch auf etwas anderes hin: Wie kaum eine andere Industrie ist die IC-Industrie immer wieder für Überraschungen gut, und immer wieder versuchen die Unternehmen, sich auf die schnell wechselnden Anforderungen anzupassen.
Wenn mal was schief geht – nicht so schlimm, daraus kann man lernen. Gerade Intel dürfte ein Lied davon singen können und demonstriert uns – hoffentlich – gerade am Beispiel der Integration des Handy-Chip-Bereichs von Infineon, wie man aus Fehlern erfolgreich lernen kann.
Dass es auch anders geht, hatte ausgerechnet TI mit dem Kauf von Burr-Brown gezeigt: Sie gilt noch heute als Ausnahme von der Übernahme-Flop-Regel. Das sollte nun nicht als Prognose für die National-Übernahme missverstanden werden. TI steht vor einer gewaltigen Aufgabe, denn das Produktportfolio von National unterscheidet sich doch ein wenig von dem Burr-Browns.
Und apropos Übernahme: TI hatte vor einiger Zeit Chipcon gekauft und inzwischen in die eigene Firma integriert. Die quirligen Gründer von Chipcon aber haben inzwischen mit Energy Micro einen neuen Start-up aufgebaut, der sich auf Energie sparende Controller und Funkchips spezialisiert. Ist das ein Zeichen für Konsolidierung?
Ihr Heinz Arnold