Interview mit Volker Keith

»Unser Auftragseingang ist auf Rekordkurs«

28. Januar 2022, 10:00 Uhr | Tobias Schlichtmeier
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Interview mit Volker Keith - Teil 2

Sie entwickeln und fertigen am eigenen Standort in Wuppertal. Wie gehen Sie mit den derzeit auftretenden Lieferengpässen um?

Im Jahr 2021 sind wir gut durch die angespannte Halbleitersituation gekommen, die Engpässe waren bei uns kaum sichtbar. Wie viele andere Branchen und Unternehmen in diesen Zeiten sehen aber auch wir trotz einer sehr vorausschauenden Einkaufspolitik, dass sich die Situation 2022 sowohl bei der Verfügbarkeit, aber auch beim Preisanstieg noch einmal verschärft hat. Zudem ist unser Auftragseingang auf Rekordkurs, was zu weiter steigendem Bedarf führt. Unser höchstes Bestreben ist es, unsere Produkte fristgerecht an unsere Kunden auszuliefern. Hier hilft uns die Zugehörigkeit zu einer starken Unternehmensgruppe.

Grundsätzlich gut ist, dass wir langfristig planen und in engem Kontakt mit unseren Kunden stehen. So sind wir in der Lage, zusammen mit unserem Entwicklungs- und Einkaufs-Team umzusteuern, falls es notwendig würde. Es kann dabei jedoch vorkommen, dass wir gewisse Bauteile umqualifizieren müssen.

Im Jahr 2020 hat sich Keith & Koep der Garz & Fricke Group angeschlossen. Warum haben Sie sich zu dem Schritt entschlossen?

Wir wollten mit dem Schritt unseren jungen Kolleginnen und Kollegen eine gesicherte Perspektive für eine Zeit nach unserer aktiven Rolle eröffnen. Zu Garz & Fricke hatten wir immer schon einen guten Draht, wir kamen vor einigen Jahren auf einer Messe ins Gespräch und fühlten uns miteinander gut aufgehoben. Zudem ergänzen sich unsere beiden Portfolios sehr gut. Es war eine große Entscheidung, jedoch in Summe ist es für alle Beteiligten, und für den Standort, die beste Option. Dazu kommt noch der strategische Vorteil, dass Einkäufer größerer Unternehmen leichter an aktuelle Technologien kommen als kleinere Unternehmen wie Keith & Koep.

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Keith & Koep Firmensitz
Seit über 30 Jahren entwickelt Keith & Koep in Wuppertal Computermodule für die Industrie.
© Seco Northern Europe

Die Garz & Fricke Group wurde im Juni 2021 vom italienischen Unternehmen Seco übernommen. Welche Folgen hat das für Keith & Koep sowie für die gesamte Gruppe?

Damit haben wir nochmals an Größe und Bedeutung in der Branche gewonnen und die Chance, einen echten europäischen Technologie-Champion zu formen. Die bisherigen Unternehmen Keith & Koep und Garz & Fricke wurden zu Jahresbeginn 2022 zur Seco Northern Europe GmbH umfirmiert und bedienen dann, ganz grob und vereinfacht gesagt, die europäischen Länder nördlich der Alpen. Beide produzierenden Standorte – Wuppertal und Hamburg – bleiben erhalten und werden mit substanziellen Investitionen ausgebaut. Unsere ehemaligen Firmennamen werden als Produktmarken weiter Bestand haben. Nachdem der Private Equity Investor Afinum das Wachstum unserer Firmengruppe seit 2017 und für die Keith & Koep seit 2020 gefördert hat, investiert nun die Seco Group als neuer strategischer Eigentümer in unsere Zukunft. Vom Produktportfolio her passt Seco sehr gut zu uns. So kann das Unternehmen Produkte anbieten, die wir nicht im Portfolio haben und umgekehrt. Für das italienische Unternehmen ist es andererseits eine gute Chance, verstärkt im DACH-Markt Fuß zu fassen, auf dem die Garz & Fricke Group eine starke Stellung hat.

Für Keith & Koep ist vor allem das größere R&D-Team interessant. Hiermit sollten wir noch besseren Zugang zu neuen Technologien haben. Zudem hat das Entwickler-Team in Arezzo schon aufgrund der Team-Größe andere Möglichkeiten. Mit Seco Mind besitzt das Unternehmen darüber hinaus eine dezidierte Geschäftseinheit, die sich auf vernetzte Geräte und Software-Services spezialisiert hat. Hier geht es nicht allein um das einzelne Gerät, sondern darum, Geräte zu vernetzen, sowie das Gerätemanagement, Updates, Security und künstliche Intelligenz.

SBC-SOM
Das SBCSOM ist das neueste Modul aus der Entwicklerschmiede von Seco Northern Europe.
© Seco Northern Europe

Im letzten Jahr haben Sie mit dem SBCSOM ein neues Computermodul entwickelt. Wie kamen Sie auf die Idee für das Modul und was macht es so besonders?

Die Idee entstand im Zuge von unseren Kundenprojekten mit Trizeps-Modulen. Hier gibt es einfach Dinge, die sich wiederholen, zum Beispiel benötigt jedes Modul ein Netzteil oder einen Ethernet Controller. Also wollten wir unsere Module um die Dinge erweitern, die fast jeder Kunde benötigt. Jedoch wollten wir keinen Single Board Computer entwickeln, sondern den Modul-Gedanken erhalten, das Design sollte steckbar sein.

Steigt die Stückzahl, kann der Entwickler das Design einfach verschmelzen. Die Idee ist, dass sich der Entwickler lediglich um die Dinge kümmern muss, die kundenspezifisch sind, alles andere erhält er im Paket von uns. Mit dem SBCSOM wollen wir Dinge einfacher machen, Geräten schneller zur Serienproduktion verhelfen.

Gibt es in Zukunft ebenfalls Boards im COM-HPC-Formfaktor von Keith & Koep?

Standard-Formfaktoren wie COM-HPC oder COM-Express bedienen wir aus dem Produktsortiment unseres Mutterkonzerns Seco. Hier zeigt sich, wie gut sich die Produktsortimente der ehemaligen Einzelunternehmen Keith & Koep, Garz & Fricke sowie Seco ergänzen. Im Beratungsgespräch mit unseren Kunden der jetzt neu geformten Seco Northern Europe können wir aus dem vereinten Produktsortiment die Lösung auswählen, die am besten passt. Aus der Produktschmiede von Keith & Koep werden auch zukünftig Weiter- und Neuentwicklungen für unsere eigenen proprietären Formfaktoren kommen. Somit haben wir zusammen sehr viele Möglichkeiten und können viele Kunden bedienen. Wir können so die Vorteile des jeweiligen Formfaktors voll ausspielen.

Worin sehen Sie die Vorteile von proprietären Formfaktoren?

Einerseits in der Lebensdauer der Standards – ich denke, dass sich Standard-Formfaktoren immer wieder wandeln müssen, um erfolgreich zu sein. Sie orientieren sich dann jedoch nicht an einem gewachsenen Kundenstamm, sondern an der Mehrheit der gesamten Industrie. So muss der Kunde sich immer wieder neu ausrichten.

Mit einem Standard will man außerdem unabhängig von einer bestimmten Architektur sein. Das ist insofern gefragt, wenn der Kunde sich bezüglich der verwendeten Architektur nicht festlegen kann oder möchte. Weil ein solcher Standard die Belange verschiedener Architekturen kombinieren muss, um den Anforderungen zu genügen, gibt es einen deutlich höheren Druck, den Standard immer wieder zu ändern.

Wir konnten unseren Standard seit 2003 sehr konstant halten, es ist seit 2014 lediglich ein zusätzlicher Konnektor hinzugekommen. Es gibt Designs von 2004, die wir mit heutigen Modulen von uns noch auffrischen können. So etwas ist mit den »offenen« Modulstandards nicht denkbar.

Herr Keith, vielen Dank für das Gespräch und den spannenden Einblick in die Unternehmensgeschichte.


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