Stummer Diener

Server für Tonstudios und Übertragungswagen

7. Dezember 2010, 8:57 Uhr | Günther Dumsky
© Kontron

In einem Tonstudio oder in einem Übertragungswagen muss das Equipment besonders leise sein, damit es Bild- und Tontechniker bei ihrer Arbeit nicht stört. Eine solche Umgebung stellt ganz besondere Anforderungen an die eingesetzten Server nicht nur hinsichtlich Geräuschpegel, sondern auch hinsichtlich Temperaturbeständigkeit und Langzeitverfügbarkeit der eingesetzten Komponenten.

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Dass eine ruhige Arbeitsplatz-umgebung die Konzentration fördert und Stress abbaut, ist hinlänglich bekannt. Dass dies insbesondere auch für die Arbeit an Bild und Ton gilt, wird umso deutlicher, wenn man sich die dort herrschenden Arbeitsbedingungen vor Augen führt: In Fernseh- und Rundfunkanstalten muss bei Live-Veranstaltungen frisches Bild- und Tonmaterial unter Zeitdruck für ein Millionenpublikum aufbereitet werden.

Für MAZ müssen Schnitt-, Misch- und Animationsarbeiten auf die Milli-sekunde genau getimed werden. Bei Musikaufzeichnungen geht es um die Aufnahme und das Abmischen von mehreren Tonspuren, hier ist feinstes Gehör gefragt. Überall geht es zudem um höchste Konzentration. Diese wird in einem Arbeitsumfeld abverlangt, in dem unzählige elektronische High-End-Geräte für Aufzeichnungs-, Be-arbeitungs-, Konvertierungs- und Übertragungsfunktionen in Bild und Ton dicht gedrängt sind.

Verständlich also, dass hier jeder noch so kleine Störfaktor wie Lüfter- oder Festplattengeräusche von vornherein ausgeschlossen oder in einem solchen Maße reduziert werden sollte, dass er die Bild- und Tontechniker nicht bei ihrer Arbeit stört. Das stellt insbesondere für Geräte, deren Bedienelemente sich alle in Armreichweite befinden müssen, eine besondere Herausforderung dar.

Noch aufwändiger wird es bei mobilem Equipment beispielsweise für Übertragungswagen. Hier gilt es, neben einer hohen Systemleistung und geringst möglicher Geräuschemission auch noch mit minimalem Platzbedarf auszukommen und zudem auch unter extremen Temperaturverhältnissen einsatzfähig zu bleiben. Denn Übertragungswagen sind sowohl extremer Hitze, beispielsweise durch direkte Sonneneinstrahlung beim Einsatz in mediterranen Klimazonen, als auch extremer Kälte ausgesetzt.

So zum Beispiel bei der Übertragung von Wintersportereignissen, bei denen der Ü-Wagen über Nacht Minustemperaturen ausgesetzt ist, aber dennoch sofortige Einsatzbereitschaft am nächsten Morgen erwartet wird. Für solche extrem fordernden Arbeitsbedingungen eignen sich insbesondere Embedded-Prozessoren. Denn im Gegensatz zu ihren Mainstream-Pendants, deren Einsatzbereich zumeist nur bis +35 °C spezifiziert ist, verrichten Embedded-Prozessoren auch bei Umgebungstemperaturen von 0 °C bis +50 °C (und zum Teil auch noch höher) zuverlässig ihren Dienst.

Außerhalb des Betriebs verkraften diese sogar Temperaturen von -20 °C bis +70 °C. Dank der hohen Hitzetoleranz kann Lüftertechnik deutlich später gestartet werden und in mildem Klima teilweise sogar komplett entfallen. Aber der erweiterte Temperaturbereich ist bei weitem nicht die einzige besondere Anforderung, welche die Firma Stage Tec an ihre Ü-Wagen-Technik stellt.

Das Unternehmen suchte eine passende Serverhardware für eine Audio-Workstation, die in neuen HDTV-Übertragungswagen zum Einsatz kommt. Für eine solche Anwendung gelten höchste Anforderungen an die Rechenleistung, denn hier sind beispielsweise HD-Audiospuren in Echtzeit mit Filtern und Effekten zu versehen.

Prozessorleistung und Arbeitsspeicher können für die komplexen Algorithmen und das hohe Datenaufkommen gar nicht groß genug sein. Die hohe Performance steht aber normalerweise im Widerspruch zum Anspruch, »leise« zu sein, denn wer so intensiv rechnet, will auch intensiv gekühlt werden. Das gewährleisten in der Regel Lüfter, deren Betriebsgeräusche als störend empfunden werden können. Stage Tec suchte deshalb nach einer Hardware, die einen optimalen Kompromiss bildet zwischen hoher Leistung einerseits und dem Anspruch »besonders leise« andererseits.

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dBA ist nicht gleich dBA

Auf der Suche nach der passenden Hardware hatte Stage Tec zunächst mehrere Anbieter und ihre Produkte unter die Lupe und zu Gehör genommen. Hierbei stand zunächst der Hygienefaktor »Leise« auf dem Prüfstand. Was »leise« ist, wird für gewöhnlich mit dBA-Werten angegeben. Aber nur drei Systeme mit Werten bis 35 dBA schafften es mit befriedigenden Werten in die zweite Runde.

Hierzu ist es wichtig zu bemerken, dass einerseits identische Schalldruckpegel bei höheren oder tieferen Tönen subjektiv anders empfunden werden, was durch die A-Bewertung der gemessenen Schalldruckpegel zum Ausdruck kommt. Andererseits sind auch insbesondere geschulte Tontechnikerohren besonders sensibel hinsichtlich der »Zwischentöne«, die sich aus unterschiedlichen Tonquellen und Resonanzkörpern zusammensetzen sowie der Lautstärkezunahme bei steigender Systemlast.

Insofern spielten hier auch Qualitätsmerkmale außerhalb von dBA-Werten eine Rolle. In der nächsten Runde mussten sich die drei Systeme außerdem einer genaueren Detailbetrachtung stellen. Stage Tec hat sich zum Ziel gesetzt, höchste Verfügbarkeitsanforderungen zu erfüllen, denn Ü-Wagen zählen zu den teuersten Nutzfahrzeugen überhaupt.

Von der Hardware wird deshalb erwartet, besonders ausfallsicher zu sein. Aus diesem Grund müssen alle verbauten Komponenten höchste Anforderungen erfüllen, denn selbst der kleinste Kondensator kann ein ganzes System zum Ausfall bringen. Wichtig sind deshalb auch die Herstellerangaben der MTBF (Mean Time Between Failure). Hochzuverlässige Systeme haben beispielsweise eine MTBF von 50 000 Stunden.

Langzeitverfügbarkeit schützt Investitionen

Besonders wichtig ist Stage Tec auch die passende Langzeitverfügbarkeit von fünf beziehungsweise bis zu sieben Jahren hinsichtlich der Ersatzbeschaffung in identischer Konfiguration, sodass auch nach mehreren Jahren voll kompatible Hardware verfügbar ist, für den Fall, dass doch mal eine Komponente ausfallen sollte. Dadurch lässt sich diese im Servicefall schnell und unkompliziert austauschen, zudem sind so lange Produktlebenszyklen gewährleistet.

Leider waren zwei der getesteten Systeme diesbezüglich nicht ausreichend, einmal aufgrund eines Mainstream-Motherboards eines Drittanbieters, das andere Mal waren die verbauten Bauteile entweder nicht langzeitverfügbar oder aber sie erreichten nicht den erweiterten Temperaturbereich für Ü-Wagen.

Bild 1: Von der Serverfamilie »KISS« von Kontron gibt es modulare Varianten von 1 HE bis 4 HE jeweils in den Varianten »Short« und »Standard«
© Kontron

Alleine der dritte Kandidat, der Embedded-Hardware-Hersteller Kontron, konnte mit seinen »KISS«-Servern alle Anforderungen einhalten (Bild 1).

Die in der Performance skalierbaren KISS-Serversysteme verbinden einen geringen Geräuschpegel mit der speziell auch für industrielle Applikationen geforderten Robustheit und Langzeitverfügbarkeit.

Vorteilhaft ist zudem, dass sowohl das Systemdesign wie auch die Boards aus eigener Produktion kommen, sodass die Systemverantwortung in einer Hand liegt.

Dass die KISS-Server in der Geräuschbewertung der Tontechniker aber nur als befriedigend bewertet wurden, weckte den Ehrgeiz der Ingenieure bei Kontron.

Diese waren sich sicher, das System noch leiser auslegen zu können. Den Standard-KISS-Server, bei dem der Geräuschpegel auch aus Kostengründen nicht minimiert worden ist, versahen die Entwickler mit einigen etwas teureren Spezialauslegungen.

So bauten sie hardwareseitig neue Netzteile ein, deren Lüfter eine noch langsamere Anlaufdrehzahl aufweisen, sowie einen größeren Kühlkörper mit größerem Lüfter und geringerer Drehzahl. Softwareseitig wurde zudem eigens das BIOS optimiert.

Eine spezielle Parametrierung der »QST« (Intel Quiet System Technology) minimiert jetzt die Geschwindigkeitsänderungen in der Lüfterdrehzahl - und das nicht nur für die CPU-Fans sondern auch für die verbesserten Chassislüfter, die dazu mit dem CPU-Board verbunden wurden.

Die überarbeiteten KISS-Server bieten so nun eine noch geringere Geräuschemission und sind aus einem Abstand von nur 20 cm schon nicht mehr wahrnehmbar. Zusätzlich zeigte Kontron noch weitere Optionen auf, die Systeme noch leiser auszulegen, beispielsweise durch den Einsatz einer Heatpipe-Kühlung und den Einbau von lautlosen Solid-State-Drives als Datenspeicher.

Auch ist vorstellbar, in Abhängigkeit von der gewünschten Systemkonfiguration das Gehäuse als Resonanzkörper auf ein Minimum zu reduzieren. Es sind also noch weitere Verbesserungen möglich. Am Ende entscheidend ist jedoch, dass mit möglichst geringen Mitteln das applikationsspezifisch Notwendige erreicht wird.

Wie sehr die Kontron-Lösung Stage Tec letztendlich überzeugt hat, zeigt sich nicht nur durch den Einsatz im hauseigenen Tonstudio-Equipment sondern auch durch die geplante Verwendung des KISS-Servers als Standardlösung für PC-basierte Audio-Workstations in allen zukünftigen Stage-Tec-Projekten.

So geht leise

Warum sind die KISS-Server besonders leise und dennoch thermisch gut gekühlt? Dazu muss man sich den Systemaufbau im Detail betrachten:

Erstens gilt es, Geräusche durch geschickte Auswahl und Auslegung der Komponenten erst gar nicht entstehen zu lassen.

Zweitens sind die entstehenden Geräusche beziehungsweise Vibrationen von großen, verstärkenden Resonanzflächen fernzuhalten. Und nicht zuletzt ist der für die Wärmeabfuhr benötigte Luftstrom so effizient und leise wie möglich zu erzeugen und zu führen.

Das konventionelle 19-Zoll-Industriegehäuse ist deshalb mit Matten schallgedämmt, was den Resonanzkörper »Gehäuse« als Multiplikator von Schwingungsgeräuschen weitestgehend ausschließt. Speziell auf die Applikation hin dimensionierte, langsam drehende und temperaturgeregelte Lüfter übernehmen die Wärmeabfuhr.

Ein Netzteillüfter und ein weiterer, geschickt platzierter Lüfter zwischen der schwingend - und damit akustisch entkoppelt - gelagerten Festplatte und den Steckkarten sorgen mit einer vergleichsweise geräuscharmen Drehzahl von maximal 1000 U/min für Kühlung, falls es im Innern doch mal zu heiß werden sollte.

Das energieeffiziente CPU-Motherboard mit einem Intel-Prozessor vom Typ »Core 2 Quad« ist darüber hinaus lediglich passiv durch den Gehäuseluftstrom gekühlt. In der Summe verbraucht das Windows-System damit nur 50 W unter Last. Das ist im Vergleich zu herkömmlichen Desktop-PCs mit ähnlicher Performance lediglich ein Drittel der sonst üblichen Energie und damit - neben der anspruchsvollen, aber nicht überteuerten mechanischen Auslegung - wesentlicher Faktor für die Entwicklung eines flüsterleisen PCs, der im konkreten Fall bei einem 20-cm-Abstand akustisch nicht mehr wahrnehmbar ist.

Kontrons Serverfamilie »KISS«
Mit der hohen Modularität der KISS-Serverfamilie, die sich von 1 HE bis 4 HE jeweils in den Varianten » Short« und »Standard« erstreckt, möchte Kontron den Modularisierungsgedanken weiter in die Rackserver-Welt tragen. Der Vorteil steckt in dem bedarfsgerecht konfigurierbarem Design in einem kompakten geschlossenen Gehäuse, sodass für einzelne Komponenten im Vergleich zu offenen modularen Systemen weniger Kosten entstehen. Alles, was in den Raum von 1 HE bis 4 HE passt, lässt sich folglich mit der KISS-Serverfamilie umsetzen.

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