»Bei allen Neuinstallationen ist TSN ganz weit oben gesetzt und alle die klassischen Feldbusse überlegen sich, wie sie es bridgen können«, ergänzt Eder. »Der klassische Industriebereich wird nicht sofort auf etwas Neues aufspringen, das muss sich erstmal bewiesen haben. Die existierende Infrastruktur ist nun mal da.«
Damit sitzen die Anbieter von Embedded-Computing-Technologien bei diversen neuen Schnittstellen und Bussen in den Startlöchern und warten auf den Startschuss durch den Kunden. Der hat aber meist keine große Eile, denn die bisherigen Spezifikationen haben meist schon genügend Bandbreite geboten.
Auch die neue Spezifikation von USB 4 löst in der Embedded-Community nicht automatisch Begeisterung aus. »Wenn man sich anschaut, was der USB 3.1 schon mit sich bringt, auch an Strömen, das wird mit USB 4 nicht besser. Da sind wir beim Board-Design von kleinen Modulen schon herausgefordert«, betont Karsten Kopka, Produkt & Marketing Manager Embedded von Hy-Line Computer Components.
»Schnell heißt Strom und von dem her wird USB 4 noch ein bisschen energiehungriger sein«, gibt Eder zu bedenken. »Diese Schnittstellengeneration wird erstmal nicht in der Atomklasse oder drunter implementiert werden, sondern in der Performance-Klasse. Auf zwei Lanes hab ich dann 40 Gbit/s drauf, also pro Lane 20 Gbit/s, und da tue ich mir heute schon mit COM Express schwer – die Steckerhersteller müssen hier noch mal ein Stück nachbessern, damit wir mehr Bandbreite drüber kriegen.« Auch müsse man nicht alles implementieren, was in der Spezifikation steht; so müssen auch nicht die 100 W an der USB-Buchse zur Verfügung gestellt werden.
Damit sind für Kopka aber Schwierigkeiten praktisch vorprogrammiert: »Ich hab in den letzten vier bis fünf Jahren festgestellt, dass oftmals Probleme durch den USB aufkommen. Ich habe mich daher längere Zeit mit Intel unterhalten, und die sagen ganz klipp und klar: Full-Spec-Belegung, dann habt ihr keine Probleme – macht ihre keine Full-Spec-Belegung, dann müsst ihr zittern.« Das Problem ist, dass kein Anwender der USB-Buche ansehen kann, wie die dahinter liegende Implementierung erfolgte – und auch nur in den seltensten Fällen das Datenblatt studiert hat. Wird etwas eingesteckt und es läuft nicht wie erwartet, wird meistens automatisch von einem Fehler der Hardware ausgegangen und entsprechend reklamiert.
Seit der Revision 3.1 beherrscht USB den „Alt Mode“ zur Bildschirmübertragung. Hält damit die Einkabellösung zur Display-Anbindung jetzt Einzug in die Embedded-Rechner? »Es geht auf jeden Fall mal. Implementiert? Glaub ich nicht so sehr«, meint Eder. »Im operativen Betrieb steckt kaum einer unserer Industriekunden ein USB-Kabel an, wenn Devices fest verdrahtet sind. Es ist nun mal einfach kein Industriekabel, auch wenn es alle möglichen Lösungen gibt. Als Service-Schnittstelle ist es aber super, um kleine Displays anzustecken.«
Mit TSN (Time-Sensitive Networking) soll nun eine Erweiterung der Ethernet-Schnittstelle Einzug in die Embedded-Welt halten. Wie beurteilen die Experten die Aussichten dafür? »Ich bin überzeugt, dass es kommt. Es ist aber schwer abzuschätzen, wann und wie die Marktdurchdringung erreicht wird«, betont Plachetka. »Es werden sich auch neue Applikationen ergeben, außerhalb der klassischen Automatisierung.«
»Noch ist die Sache ein bisschen kompliziert, weil die Standards noch nicht ganz so ausgereift sind, manche sind auch noch in Arbeit – es ist ja nicht nur eine Spezifikation, sondern ein ganzer Sack voll«, gibt Eder zu bedenken. »Man muss es auch richtig konfigurieren. Momentan ist es noch ein relativ großer Konfigurationsaufwand, ein TSN-Netzwerk aufzubauen – das muss man der Ehrlichkeit halber auch sagen. Es ist nicht nur einfach eine Strippe ziehen, einstecken und ich habe Echtzeit – wäre schön, davon sind wir aber noch ein Stück entfernt.«
Kontron bietet bereits Starter-Kits für TSN an und konnte so erste Reaktion der Kundschaft beobachten. »Wir haben die Nachfragen weltweit. Wir sehen den Bedarf aus allen Regionen, wir sehen aber auch, dass das Ökosystem noch nicht da ist, wo es hin sollte«, berichtet Grübmeyer. »Im Moment sind es die Feldbusse, gegen die wir anspielen. Feldbusse sind von einzelnen Firmen mehr oder weniger definiert. Aber wenn es ein offener Standard ist, der sich durchgesetzt hat, kommen auch mal ganz andere Spieler hinzu – das kann nochmal einen Schub für den ganzen Markt geben.«