Computer-on-Module für den Industrieeinsatz

»Bay Trail-I« im Qseven-Format

26. November 2013, 10:05 Uhr | von Christian Eder

Ein neues, ultrakompaktes COM (Computer-on-Module) im »Qseven«-Format ist mit den Single-Chip-Prozessoren der aktuellen »Atom E3800«-Familie von Intel (Projektname »Bay Trail-I«) bestückt. Aufgrund des geringen Stromverbrauches eignet sich das Modul besonders für einen platz- und stromsparenden Einsatz von gekapselten Anwendungen auf Basis der x86-Architektur in der Industrie.

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Congatec
Ein neues, ultrakompaktes COM (Computer-on-Module) im »Qseven«-Format ist mit den Single-Chip-Prozessoren der aktuellen »Atom E3800«-Familie von Intel (Projektname »Bay Trail-I«) bestückt.
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Lange Zeit war der Einsatz von Embedded-Computern in der Industrieautomatisierung auf singuläre Controlleranwendungen und große, Backplane-basierende modulare Computersysteme beschränkt. In den letzten Jahren hat sich jedoch ein Wandel hin zu kompakten, aber leistungsfähigen Systemen auf Basis von Computer-on-Modules (COMs) vollzogen. Mit diesem Konzept muss sich der Systemhersteller nicht mehr um die Weiterentwicklung der aktuellsten Computersysteme kümmern, sondern kauft diese ausgereift und schlüsselfertig vorintegriert bei seinem Modullieferanten. So kann er seine eigene Kernkompetenz als Maschinenbauer konsequent dafür nutzen, optimale Schnittstellenanbindungen auf einer eigenen Trägerplatine für seine spezifischen Aufgabenstellungen zu bauen und Software zu entwickeln.
Als COM-Standards für Neuentwicklungen liegen aktuell vor allem COM Express und Qseven im Trend, der ältere ETX-Standard mit seiner Aktualisierung XTX basiert noch auf den parallelen Busarchitekturen der späten 1990er Jahre und verliert allmählich an Bedeutung. Während bei COM Express gerade die Migration vom älteren Typ 2 auf den für aktuelle serielle Busse optimierten Typ 6 in Gange ist, kommt der Qseven-Standard ganz ohne Altlasten aus, seit der Version 2.0 werden hier sogar auch »ARM«-Prozessoren unterstützt. Qseven wurde als kompakter, platzsparender Standard konzipiert und ist mit seinen klar definierten thermischen und mechanischen Schnittstellen auf eine konstruktive Wärme-abfuhr (Thermal Design Power, TDP) von maximal 12 W ausgelegt. Aus diesem Grund kamen bisher fast ausschließlich Prozessoren aus AMDs »G-Serie« und Intels »Atom«-Familie zum Einsatz.
Bisherige Atom-Prozessoren galten zwar als stromsparend, der Rechenleistung waren aber doch recht enge Grenzen gesetzt. Dies hatte verschiedene Gründe: Seit der ersten Einführung der Atom-Familie mit der »Silverthorne«-Mikroarchitektur vor mehr als fünf Jahren hat sich die Mikroarchitektur kaum verändert, und einen »Tick-Tock« (jährliche abwechselnde Aktualisierung von Mikroarchitektur und Fertigungstechnologie) wie bei den Prozessoren der »Core i«-Serie gab es bisher nicht. Die Weiterentwicklung beschränkte sich auf wenige Erweiterungen (Intel64-Befehlssatz, Dual-Core, Hyperthreading, HD-fähige Grafik) und Anpassungen an die Fertigungsprozesse. Mit zu geringer Leistung des Grafikprozessors, ohne Out-of-Order-Execution (eine effizientere Art der internen Befehlskettenverarbeitung) und Turbomodus wurde der Abstand zu den leistungsstärkeren Modellen der Core-i-Serie immer größer, und auch die Konkurrenzfähigkeit zu den aktuelle Prozessoren von AMD sank. Zudem ist ein Großteil der bestehenden x86-Software für Out-of-Order-Execution optimiert, was immer wieder zu Inkompatibilitäten mit zusätzlichem Programmier- und Debugaufwand führen konnte.

Neuer Atom-Prozessor

Der Wechsel zur neuen »Silvermont«-Mikroarchitektur mit vielen sinnvollen, von den Core-i-Prozessoren bekannten Erweiterungen, die Einführung von Out-of-Order-Execution und eine aktuelle und konkurrenzfähige Grafik mit DX11- und OpenGL-3.2-Unterstützung bringen die neuen Atom-Prozessoren technologisch wieder auf die Höhe der Zeit (Details siehe Kasten).

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Projektname »Bay Trail-I«:  Die »Atom E3800«-Familie von Intel im Detail 
Mit ihren  Eigenschaften und Möglichkeiten schließen die aktuellen Single-Chip-Prozessoren der »Atom E3800«-Familie von Intel (Projektname »Bay Trail-I«) jetzt im Leistungsspektrum gut an das untere Ende der aktuellen »Ivy Bridge«-Generation an. Die Fertigung in 22-nm-Tri-Gate-Transistortechnologie ermöglicht geringen Stromverbrauch und konkurrenzfähige Rechenleistung zu attraktiven Preisen. Nach Angaben von Intel soll die Rechenleistung bei gleichem Stromverbrauch bis zu dreimal so hoch wie bei der bisherigen Atom-Generation sein - beziehungsweise der Stromverbrauch bei gleicher Rechenleistung nur ein Fünftel betragen. Atom-Prozessoren sind jetzt erstmals auch als Quadcore-Varianten lieferbar. Diese erweitern das Angebot der bisherigen Dualcore-Modelle mit Hyperthreading, das für die neuen Atom-Prozessoren nicht mehr verfügbar ist. Die neu eingeführte Turbo-Burst-Technologie ermöglicht es, einzelne Cores und die Grafik innerhalb des thermischen Budgets lastabhängig deutlich höher zu takten, was einen weiteren Zuwachs bei der erzielbaren Spitzenleistung bedeutet.
Die Grafik beruht auf Intels Gen7-Grafik, wie sie auch in der »HD3000« der Ivy Bridge verwendet wird. Sie enthält aktuelles DirectX in der Version 11 und OpenGL in der Version 3.2, Hardware-Codierung und -Decodierung von HD-Videos, verfügt aber hier nur über 4 statt 16 Ausführungseinheiten (Execution Units), was bei in etwa gleichen Taktfrequenzen in entsprechend geringerer Grafikleistung resultiert. Trotz dieses deutlichen Abstands zu den Prozessoren der i-Serie ist die Leistung dennoch eine Größenordnung besser als bei den Vorgängermodellen und für die meisten industriellen Anwendungen mehr als ausreichend.
Mit AES-NI verfügen nun erstmals auch die Atom-Prozessoren über Hardwareunterstützung für den weit verbreiteten AES-Verschlüsselungsalgorithmus. So lassen sich nun auch bei den Atom-Prozessoren gespeicherte oder zu übertragende Daten in Echtzeit verschlüsseln beziehungsweise entschlüsseln, ohne die CPU dabei nennenswert zu belasten. Besonders wichtig ist dies bei der Nutzung von Halbleiter-Massenspeichern (SSDs), da sich hier Daten kaum vollständig löschen lassen.
Unterstützt werden auch Intel-VTx-Virtualisierung sowie Thermal-Monitoring. Das neue, verbesserte Power-Management unterstützt Stromsparmodi bis C6 und wie bisher schon einige Vorgängermodelle die Intel-Speedstep-Technik. Zur Erhöhung der Sicherheit lässt sich im aktuellen UEFI (Unified Extensible Firmware Interface) mit der Secure-Boot-Option das Booten auf vorher signierte Bootloader beschränken, um die Ausführung von Schadsoftware oder anderen unerwünschten oder unautorisierten Programmen zu verhindern. Mit USB 3.0, embedded DisplayPort (eDP), SATA Gen2 und PCI Express Gen2 sind die neuen Atom-Prozessoren nun auch on-Chip mit allen aktuellen Schnittstellen ausgerüstet und stellen echte Systems-on-Chip (SoC) dar.
Bild 1: Beim »Computer-on-Module«-Konzept steckt der Anwender das Qseven-Modul »conga-QA3« auf sein anwendungsspezifisches Trägerboard auf
Bild 1: Beim »Computer-on-Module«-Konzept steckt der Anwender das Qseven-Modul »conga-QA3« auf sein anwendungsspezifisches Trägerboard auf
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Alle Typen sind Single-Chip-Prozessoren, bei denen Grafik und der passende Chipsatz bereits mit im Gehäuse integriert sind. Wichtig für Embedded-Anwender ist auch die Langzeitverfügbarkeit von Prozessoren und Modul von mindestens sieben Jahren.
Die bisher von AMD gefüllte Lücke im Leistungsbereich zwischen den bisherigen Atom- und den Core-i-Prozessoren kann Intel mit den neuen Atom-Prozessoren der »Bay Trail-I«-Familie jetzt selbst schließen. Als langjähriger Intel-Partner und Erfinder des Qseven-Standards kann Congatec bereits zeitgleich mit der Einführung der neuen Prozessorgeneration durch Intel sein neues Qseven-COM »conga-QA3« anbieten (siehe Bild oben).
Neben dem leistungsfähigen, nur 70 mm x 70 mm kleinen Modul bietet Congatec auch dazu passende Trägerboards (Bild 1) beziehungsweise Entwicklungssysteme einschließlich Software und Support für die Entwicklung eigener Systeme.
Aktuell lässt sich das Modul mit Single- bis Quad-core-Embedded-Prozessoren der Intel-Atom-E3800-Familie sowie passenden »embedded Celeron«-Prozessoren ausstatten - so bezeichnet Intel künftig auch preisgünstige Volumenmodelle der Bay-Trail-Familien. Tabelle 1 zeigt die Unterschiede der Prozessoren im Detail.

 CoresCache [MByte] Clock [GHz] TDP [W] Onboard DDR3L [GByte] Onboard eMMC4 [GByte] 
conga-QA3/E3845  1,91  10
conga-QA3/E3827  1,75 
conga-QA3/E3826 2 1 1,46 7 2 4
conga-QA3/E3825 2 1 1,33 6 2 4
conga-QA3/E3815 1 0,5 1,46 5 2 4
conga-QA3/N2910-2G, embedded Celeron, Bay Trail-M Familiy 4 2 1,60 7,5 2 -
conga-QA3/J1850-2G, embedded Celeron, Bay Trail-D Family 4 2 2,00 10 2 -

Tabelle 1: Eigenschaften der im »conga-QA3«-Modul einsetzbaren Atom- und Celeron-Prozessoren


Bild 2: Blockdiagramm des Qseven-Moduls conga-QA3 mit der Atom-E3800-Prozessorfamilie von Intel
Bild 2: Blockdiagramm des Qseven-Moduls conga-QA3 mit der Atom-E3800-Prozessorfamilie von Intel
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Das Modul (Blockdiagramm siehe Bild 2) unterstützt schnellen Dual-Channel-DDR3L-Speicher bis zu 8 GByte, bei den Low-End-Varianten bis zu 4 GByte im Single-Channel-Modus. Aktuelle Module werden mit 2 GByte Dual-Channel-DDR3L-Speicher mit einem Durchsatz von 1333 MT/s (Megatransfers pro Sekunde) ausgeliefert. Als Massenspeicher stehen standardmäßig bis zu 16 GByte eMMC-Flash zur Verfügung, die als SSD und Bootdevice genutzt werden können. Die gegenüber dem Vorgängermodell deutlich leistungsfähigere integrierte Grafik unterstützt DirectX 11.0, OpenGL 3.2, Hardware-Codierung/Dekodierung verschiedener Standards in Full-HD, darunter H.264, sowie zwei unabhängige Displayschnittstellen mit Auflösungen von 1920 x 1200 Pixel (eDP/LVDS/HDMI) beziehungsweise 2560 x 1600 Pixel (DisplayPort).

Einsatzgebiete und Anwendungen

Die native USB-3.0-Unterstützung des Moduls sorgt für eine schnelle Datenübertragung bei geringem Energieverbrauch. Insgesamt stehen sechs USB-2.0-Ports sowie ein USB-3.0-Superspeed-Port bereit. Zwei SATA-3G-Schnittstellen mit bis zu 3 GBit/s sowie ein Gigabit-Ethernet-Interface ermöglichen schnelle und flexible Systemerweiterungen. Aktive Lüfterkontrolle, LPC-Bus für die einfache Anbindung von Legacy-I/O-Schnittstellen, I²C-Bus, Intel-High-Definition-Audio sowie UART- und SPI-Schnittstellen runden das Funktionsset ab. Ein auf dem Board integrierter Feature-Connector sorgt zudem noch für eine MIPI-kompatible Kameraschnittstelle (Mobile Industry Processor Interface). Als Betriebssysteme werden Windows 8, Windows 7 und Embedded Linux unterstützt.
Mit seinen kompakten Maßen und der hohen Leistung bei äußerst geringem Stromverbrauch eignet sich das »conga-QA3«-Modul besonders für platzsparenden Einsatz und passive Kühlung. So können leistungsfähige Embedded-Systeme auf x86-Basis in Taschenbuchgröße für den rauen Indus-trieeinsatz hermetisch gekapselt werden. Durch die geringe Größe und die schnelle serielle Kommunikationsarchitektur sollen sich Systeme hoher Leistung einfach und kostengünstig realisieren lassen. Langzeitverfügbarkeit von Chip und Board von mindestens 7 Jahren sowie die hohe Betriebssicherheit durch den ausschließlichen Einsatz keramischer Kondensatoren sollen den sicheren und zuverlässigen Einsatz des Moduls im erweiterten Temperaturbereich und im rauen industriellen Umfeld gewährleisten. Gegenüber vergleichbaren Systemen auf ARM-Basis bieten diese Systeme volle x86-Codekompatibilität bei geringer Leistungsaufnahme. Bestehende x86-Applikationen lassen sich also weiterverwenden und müssen nicht erst langwierig und mühsam auf eine neue Plattform portiert werden. Die integrierte HD- und Touch-tauglich Grafik mit der Unterstützung zweier unabhängiger, hochauflösender Bildschirme ermöglicht weitere typische Anwendungen wie Display-PCs und Touch-basierende Maschinensteuerungen. Für sicherheitskritische Anwendungen lassen sich mit der höheren Leistung jetzt auch moderne Virtualisierungsmethoden wie etwa ein Hypervisor einsetzen, darüber hinaus ermöglicht die eingebaute Hardware-Unterstützung AES-NI abhörsichere Datenverschlüsselung ohne wesentliche CPU-Belastung. 
Die neue Atom-Generation erweitert die Einsatzmöglichkeiten des Qseven-Standards beträchtlich. Zu sehr attraktiven Preisen erschließt sie dem industriellen Anwender neue Einsatzgebiete, für die aufgrund der auf 12 W begrenzten TDP bisher schlicht die Rechenleistung fehlte. Für Kunden, die ihr Performanceportfolio weiter nach oben skalieren wollen oder bereits COMs einsetzen, bietet Congatec auch Module mit den neuen Atom-Prozessoren im bewährten COM-Express-Compact-Format an. Doch für Neueinsteiger in die Modultechnik könnte künftig Qseven die erste Wahl sein, wenn es um stromsparende und ultrakompakte Anwendungen mit passiver Kühlung geht.

Über den Autor:

Christian Eder ist Marketing Director bei Congatec.


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