Kühlung kleiner Formfaktoren

PC/104 bleibt cool

7. Dezember 2010, 9:42 Uhr | Martin Kristof

Eine der großen Herausforderungen unserer Zeit ist das stete Schrumpfen von Prozessor-Dice. Diese Problematik stellt sich auch in den aktuellen und kommenden PC/104-Systemen, besonders in Bezug auf das Wärmemanagement. Eine Alternative zu traditionellen Kühlkörpern und Lüftern sind Heatspreader-Bausteine zur Wärmeübertragung, mit denen sich die Höhenspezifikationen von PC/104 problemlos einhalten lassen

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Seit der Einführung des PC/104-Formfaktors im Jahr 1992 sind Embedded-Computer auf dessen Basis oftmals in rauem Umfeld und unter eher suboptimalen Bedingungen zum Einsatz gekommen. Zu finden waren die Komponenten meist in geschlossenen Systemen mit geringer Leistungsaufnahme oder an Orten, wo die Möglichkeiten für Zugriff und Wartungsfreundlichkeit minimal waren.

Mitte der 1990er gewährleisteten Embedded-Prozessoren eine relativ geringe Leistungsaufnahme bei niedriger Abwärme. Dies ermöglichte PC/104-Embedded-Computern mit Hilfe von aufgeklebten Standardkühlkörpern einen praktisch wartungsfreien Betrieb mit einer preiswerten und qualitativ hochwertigen Kühllösung. Die Weiterentwicklung in den Prozessortechnologien und die steigende Vielfalt von Embedded-Applikationen erforderten neue Designs, durch die sich Hochleistungsprozessoren im Embedded-Computer-Marktsegment einsetzen ließen.

Bis Ende des letzten Jahrhunderts bedeutete höhere Leistungsfähigkeit auch höhere Leistungsaufnahme, die unmittelbar zu höherer Wärmeabgabe und dem Bedarf an effizienteren thermischen Kühllösungen führte. Zu Beginn der letzten Dekade blieben die Abmessungen der Prozessor-Dice mehr oder weniger gleich, die Anzahl der Transistoren stieg jedoch drastisch an.

Während die Kühlung der schnelleren Prozessoren eine Herausforderung darstellte, bot deren Die-Größe immer noch genug Oberflächenkontakt zwischen Prozessor und thermischer Lösung. Deshalb waren standardmäßige Lösungen ausreichend, um die schnelleren Prozessoren kühl zu halten.

D-urch verbesserte Fertigungstechniken für Prozessoren steigt bis heute die Anzahl der Transistoren bei immer kleiner werdenden Die-Oberflächen stetig an. Folglich ist die Wärmeableitung eines der wichtigsten Themen der heutigen Embedded-Systementwicklung. Die Tage der standardmäßigen Kühl-lösungen sind gezählt.

Wärmeübertragung über eine thermische Schnittstelle

Heute suchen Entwickler nach neuen, einfallsreichen Methoden, um die Wärme von Prozessoren mit kleinen Dice schnellstmöglich abzuführen. Die verfügbare thermische Kontaktfläche auf Intels »Atom Z510«-Prozessor beträgt knapp 26 mm2. Die Die-Oberfläche hat damit ungefähr die Größe eines Radiergummis im Querschnitt. Dieser Prozessor gibt bei einem Wärmefluss von 7,69 W/cm2 im Durchschnitt 2 W ab. Die Sättigungszeit dieses Dies ist ein Bruchteil der Sättigungszeit von Prozessoren, die eine thermische Kontaktfläche von 90 mm2 haben und deren Wärmefluss von 6,11 W/cm2 im Durchschnitt 5,5 W abgibt. Diese Zahlen zeigen deutlich, dass aktuelle thermische Lösungen in der Lage sein müssen, die Wärme eines Prozessors schneller und auf kleinerem Raum abzuführen als je zuvor.

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Lösungen mit Lüftern und Kühlkörper haben in offenen Umgebungen eine lange Lebenserwartung. Rugged-Systeme sind jedoch aufgrund ihres Einsatzgebietes eher selten mit mechanischen Belüftungsvorrichtungen und Frischluftzugang ausgestattet. Obwohl die meisten Projekte mit Kombinationen aus traditionellen Kühlkörpern und Lüftern starten, ist im Zuge der Entwicklung zur Serienreife meist der Einsatz von passiven Kühllösungen zu erwarten.

Die so genannten aktiven Kühllösungen mit Lüftern verbleiben in der Mehrzahl im Bereich der Entwicklung, da dort die Wartung der mechanischen Teile einfacher zu realisieren ist. Als Alternative zu traditionellen Kühlkörpern und Lüftern leiten thermisch koppelnde Schnittstellen die Wärme von der Quelle (Prozessor oder Chipsatz) zu einem Kühlkörper, zum Beispiel an die Wand eines Gehäuses oder an einen anderen zum thermischen Abtransport geeignete Punkt.

Dabei macht es keinen Unterschied, welches Material zum Aufbau der thermischen Lösung oder des wärmeübertragenden Bauteils verwendet wird, die physikalische Ankoppelung ist entscheidend. Es ist ohne Belang, dass 11000-Kupfer um 166 W/(m·K) besser Wärme leitet als 1100-Aluminium. Wenn das Prozessor-Die keinen oder schlechten Kontakt zur thermischen Anbindung hat, kann die Wärme nicht abgeführt werden.

Präzision ist der Schlüssel zum Erfolg des thermischen Kontakts mit einem passivierten FCBGA-Gehäuse mit freiliegendem Die. Da freiliegende Die-Oberflächen nahezu optisch plan sind, muss die Kontaktfläche der thermischen Lösung auf der Die-Oberfläche möglichst plan aufliegen, unabhängig vom verwendeten Material.

Das Beispiel eines gleichmäßigen Zylinders mit 12,7 mm Länge und 19,0 mm Durchmesser stellt eine übliche mechanische Eingangsgröße dar. Ungefähr 20% bis 50% der Eingangsoberfläche werden für den Kontakt mit dem CPU-Die verwendet. Der Kontakt ist abhängig von der Die-Fläche der CPU und nimmt bei Dual-Core-CPUs mit höherer Leistungsfähigkeit und größerem Cache zu.

Beim Einsatz von 6061-T6-Aluminum kann bereits eine 20-prozentige Auflage des Dies mit der Kontaktfläche eine Wärmeübertragung von mehr als 150 W bewältigen. Dies macht 6061-T6-Aluminum zu einem passenden Anfangsschnittstellenmaterial. In einigen Fällen ist der thermische Eingangsbereich zu erweitern und zu optimieren, um unerwartete Toleranzen auszugleichen, ohne dass die Kühlleistung beeinträchtigt wird. Die Übertragungsenergie am Eingang lässt sich reduzieren, wenn man die Aluminiumkontaktfläche durch eine Presspassung mit Kupferkern austauscht.

Der hohe Druck der mit einer Presspassung verbunden ist, verbessert die Wärmeübertragung von Kupfer zum Aluminium. Obwohl sich durch Fräsen eine große, glatte Oberfläche erzeugen lässt, existieren winzige Unebenheiten im Kupfer und Aluminium. Eine Präzisions-CNC-Fräsmaschine kann diese Unebenheiten ausgleichen. Dieser Schritt verdoppelt die Wärmeübertragungskapazität, sodass sich die gleiche Energie mit der Hälfte der Temperaturdifferenz übertragen lässt.

Da grundlegende Genauigkeiten von 0,0254 mm und Toleranzen von ±0,0127 mm in gefrästen Produkten üblich sind, ist höchst präzise Metallarbeit notwendig, um ein thermisches Schnittstellenprodukt mit Toleranzen von besser als 0,0127 mm herzustellen. Verbunden mit genauen Abstandsbolzen bieten passive thermische Schnittstellenlösungen optimale Wärmeableitung über deren Kontaktflächen und liefern eine präzise Basis für die thermische Ankoppelung des endgültigen PC/104-Stacks an ein Gehäuse.

Die Verwendung hochgenauer Abstandsbolzen innerhalb des Modulstapels verringert zusätzliche Toleranzausdehnungen, Spannungsrisse und die Schichtablösungen der Glasfaserträgerplatinen.

Varianten der Kühllösungen

Bild 1: Der Chassis-Simulator CS-100 bietet eine Präzisionswärmeleitoberfläche für Benchtop-Chassis-Simulation
© Advanced Digital Logic

Damit die Hardware-Designer die Tücken und Designeinschränkungen dieser Thermal-Conduction-Kühlung in den Griff bekommen, hat Advanced Digital Logic (ADL) den Chassis-Simulator »CS-100« (Bild 1) entwickelt.

Dieser verfügt über die effektive Wärmeabstrahlungskapazität eines circa 1420 cm2 großen Baugruppenträgers, der aus 6,35 mm dicken K100- oder MIC-6-Power-Cast-Aluminium konstruiert wurde.

Der Simulator ist mit einer vorgefertigten Konstruktion von versenkten 3,2-mm-Befestigungslöchern und Montagehaltern ausgestattet.

Der CS-100-Chassis-Simulator erlaubt die Verwendung von wärmeübertragenden Koppelelementen (Heatspreadern), um PC/104-CPUs im Laborbetrieb während der Entwicklung thermischen Stresssituationen auszusetzen.

Bild 2: Standardisierte Befestigungslöcher bieten Kompatibilität für alle
© Advanced Digital Logic

Da der Chassis-Simulator die Fräs- und Bohrmuster (Bild 2) des fertigen Baugruppenträgers enthält, lassen sich die CPU-Klassen einfach wechseln.

Zum Beispiel nutzt eine mit ADLs Thermo-Conduction-Heatspreader ausgestattete »ADLS15-CPU« vier Standard-PC/104-Befestigungslöcher und einen von zwei verschiedenen Schraublöchersätzen zur Montage.

Zwei horizontale M3-Löcher bieten Kompatibilität zur Produktlinie »855« von Intel, und zwei diagonale 4-40-Löcher sorgen für Kompatibilität mit der thermischen Schnittstelle des »Geode LX800« von AMD. Somit ist es möglich, denselben Baugruppenträger ohne Modifikation für unterschiedliche Prozessortypen und Generationen zu nutzen.

Oftmals werden Produkte während ihres langen Lebenszyklus’ mehrmals auf- oder umgerüstet. Der CS-100 als eine PC/104-Entwicklungsplattform hat eine Langlebigkeit gezeigt, welche die Lebensdauer einer jeden PC/104-Baugruppe weit übersteigt.

Die Skalierbarkeit durch die Lochraster-Philosophie auf der Wärmeableitplatte bietet PC/104-Designern eine recht simple Aufrüstmöglichkeit. Anwendungen mit geringem Platzangebot, die zwischen Gehäusewand und CPU einen standardmäßigen PC/104-Baugruppen-abstand von 15,24 mm verwenden, werden durch ADLs quaderförmige Thermo-Junction-Heatspreader (0,6 Zoll) ergänzt.

Für thermische Anbindungen, die bei Standardbauhöhe der Kühl-lösung problematisch werden, kann kundenspezifisch auf ADLs Kühllösungen mit angepassten und optimierten Heatspreadern und gewinkelten Steckern zurückgegriffen werden (Bild 1). Im Bereich der schnellen Prototypenentwicklung findet der Thermo-Junction-Heatspreader mit 25,44 mm (1,0 Zoll) Verwendung.

In einer Konfiguration des PC/104-Stacks mit diesem großen Heatspreader lassen sich Stecker aus den »SL«-Serien von Molex an den Kabeln und vertikalen Anschlüssen ohne Modifikation verwenden. Diese Crimp-and-Poke-Steckverbinder haben eine nominelle Bauhöhe von 19 mm. Die Arten der verschiedenen Thermo-Junction-Heatspreader eröffnen zusammen mit dem Chassis-Simulator die Möglichkeit, verschiedene Prozessortypen zu evaluieren und das passende Setup zusammenzustellen.

Einhaltung der PC/104-Spezifikation

Kundenspezifische Kühllösungen variieren untereinander stark, verfolgen aber ein gemeinsames Ziel: Die maximal zur Verfügung stehende Kontaktfläche des Wärmeerzeugers muss genutzt werden, um ausreichende Wärmeübertragung von der Quelle über das thermische Bindeglied hin zum Gehäuse oder zur Kühlfläche zu erreichen.

Das Einhalten enger Toleranzen ist bei thermischen Anschlüssen entscheidend, unabhängig davon, ob ein Wärmeverteiler an den Prozessor, den Baugruppenträger oder die Trennwand angeschlossen ist. Wenn die Kopplung zwischen Bindegliedern des Wärmeabtransports nicht funktioniert, dann wird die Ebenheit der Kontaktoberfläche zwischen Prozessor und dem wärmeübertragenden Medium durch Wärmestau zunichte gemacht und der Prozessor kann unter Umständen beschädigt werden.


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