Welche Vorteile bringt der CPS-Ansatz?
Mit CPS-Anwendungen lassen sich sehr umfangreiche Aufgabenstellungen automatisieren, die für bisherige Lösungsansätze mit sternförmiger Vernetzung und zentralistischer Entscheidungsfindung einfach zu komplex wären. So gesehen, betrachte ich die CPS-Idee als technische Innovation aus dem Umfeld hardware- und softwarebasierter Systeme, die – wie viele andere Innovationen auch – die Lösungen neuer Aufgabenstellungen überhaupt erst ermöglicht, an denen wir mit den bisherigen Problemlösungskonzepten vermutlich gescheitert wären. Gestatten Sie mir zur Verdeutlichung einen einfachen Vergleich: Aus dem Blickwinkel des Maschinen- und Anlagenbaus ist die CPS-Idee von den Auswirkungen her mit der Erfindung der SPS vergleichbar. Mit einem festverdrahteten Schaltschrank in den 60ger und 70ger Jahren waren viele Aufgaben, wie beispielsweise eine vorausschauende Wartung, einfach nicht lösbar. Mit einer modernen SPS und einer IEC 61131-Programmierumgebung können Sie sich heute auch an ein datenbasiertes Predictive Maintenance heranwagen. An einer verteilten Prozesssteuerung für eine Smart Factory mit mehreren Standorten würden Sie aber mit dem IEC 61131-basierten SPS-Konzept scheitern. Hier wäre der CPS-Ansatz mit den entsprechenden Methoden und Werkzeugen dann die Lösung.
Welche Anwendungen sind für CPS prädestiniert?
Zwei Beispiele habe ich ja schon genannt. Generell ist aus meiner Sicht jeder komplexe Prozess mit entsprechender räumlicher Ausdehnung für den CPS-Einsatz geeignet. Betrachten Sie zum Beispiel die Idee des Cyber-physischen Produktionssystems: Die Produktions- und Logistikprozesse eines bestimmten Produktes, das sich ein Kunde über eine Webseite nach seinen Vorstellungen aus unzähligen Optionen zusammen geklickt hat, lassen sich per CPS-Ansatz deutlich besser und nachhaltiger automatisieren, als das heute der Fall ist. Die Konfigurationsdaten des Kunden werden auf dem Werkstück gespeichert. Softwareagenten bestimmen an Hand dieser Daten und der aktuellen Maschinenverfügbarkeit, den optimalen Durchlauf in der Smart Factory. Jede Maschine kann aus dem Werkstück auslesen, was zu tun ist. Der Produktendtest kennt 100% aller zu prüfenden Parameter. Der Spediteur weiß ganz genau, wann der Kunde zu Hause ist und bekommt eine entsprechende Routenplanung aus seinem ERP-System. Sogar der Entsorger kann sich 10 Jahre später noch anschauen, welche Roh- und Schadstoffe in welcher Konzentration in dem zu entsorgenden Produkt enthalten sind. Der Hersteller kann über den gesamten Produktlebenszyklus das tatsächliche Nutzerverhalten beobachten und Software-Updates zur Optimierung liefern.
Wie hoch ist der Hardware-Aufwand?
Der Hardware-Aufwand für eine CPS-Baugruppe unterscheidet sich im Großen und Ganzen nur unwesentlich von dem einer gewöhnlichen vernetzungsfähigen Baugruppe für andere Anwendungsschwerpunkte. Der tatsächliche Aufwand hängt in beiden Fällen sehr von der jeweiligen Aufgabenstellung und den einzelnen Vorgaben ab, zum Beispiel den Preis des Endpunktes oder die einzelnen Zielmärkte. Etwas mehr Aufwand als gewöhnlich dürfte aber wohl das Thema Wireless verursachen. Ein Embedded System für CPS-Anwendungen kann gleich mehrere drahtlose Schnittstellen aufweisen. Ein NFC- oder Bluetooth-Interface ermöglicht die Konfiguration per Smartphone App. Mittels Wi-Fi besteht ein lokaler Link zu anderen Systemen und über eine Narrow-Band-LTE-Schnittstelle ist die Verbindung ins Internet gewährleistet. Alles zusammen verursacht schon zusätzlichen Aufwand, sowohl bei der Spannungsversorgung als auch hinsichtlich der Zertifizierung. Seit Mitte Juni gilt schließlich die neue Funkrichtlinie R&TTE. Eine CPS-Hardware mit Funkschnittstelle ist eine Funkanlage im Sinne der R&TTE. Insofern ist für eine neue Hardware entsprechender Mehraufwand hinsichtlich der R&TTE-Konformität und die damit verbundene CE-Kennzeichnung einzuplanen.
Wie hoch ist der Software-Aufwand?
Der ist auf jeden Fall schon sehr hoch. Wir müssen bei der Softwareentwicklung ja nicht nur jedes einzelne Embedded System betrachten, sondern das CPS als Ganzes. Und genau hier wird es kompliziert. Ohne eine umfassende Modellbildung am Anfang eines Entwicklungsvorhabens kommt man aus meiner Sicht nicht weiter. Aus dem Modell lassen sich dann die Softwaredesigns für jeden einzelnen Sensor und Aktor ableiten. Die Auswahl geeigneter IoT-Betriebssysteme zur Unterstützung der zahlreichen Wireless-Schnittstellen ist sicherlich noch eine einfachere Aufgabe. Richtig schwierig wird die Implementierung einer Software zur dezentralen Entscheidungsfindung in einem vernetzten Verbundsystem. Hier stößt man sehr schnell an Grenzen, die auf die Entwicklungswerkzeuge und Methoden selbst zurückzuführen sind. So lassen sich zum Beispiel mit den heute verbreiteten SPS-Programmierwerkzeugen allein noch keine Cyber-physischen Produktionssysteme entwickeln. Da fehlt einfach noch einiges, zum Beispiel eine SysML-Integration, die Objektorientierung der IEC 61499 plus eine Serviceorientierung nach SOA-Gesichtspunkten – und das alles möglichst in einem einzigen Werkzeugkasten.